Wertstrombasierte Optimierung
Lean Factory Design – den Wertstrom im Blick
Laut Studien sind im laufenden Produktionsbetrieb circa 20 Prozent der Prozesskosten beeinflussbar. Eine Optimierung muss idealerweise in der Planungsphase ansetzen. Gerade im Mittelstand wird dieses Potenzial nur unzureichend genutzt. Lean Factory Design ist ein ganzheitlicher Ansatz, um Produktion und Logistik wettbewerbsfähiger aufzustellen. Immer im Blick dabei: der Wertstrom.
Fakt ist: Viele Optimierungsprojekte und Lean-Einführungen in Unternehmen scheitern oder liefern nicht die erwarteten Ergebnisse. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen mag der Misserfolg daran liegen, dass Lean nicht im Sinne einer wissenschaftlichen Theorie systematisch dokumentiert vorliegt. Weil dadurch die Basis für ein Wissensmanagement fehlt, ist es erfahrungsgemäß schwierig, die Projektbeteiligten in ihrer Denkweise und im Methodeneinsatz auf einen gemeinsamen Stand zu bringen. Um dieses Problem zu beheben, wäre ein „Lean-Produktionssystem“ nötig, doch den zeit- und Know-how-intensiven Aufbau eines derartigen Methodenbaukastens können viele Mittelständler selbst nicht leisten.
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Punktuelle, von nur einzelnen Fachabteilungen vorangetriebene Verbesserungsmaßnahmen sind ein häufiges Phänomen. Sie erweisen sich jedoch oft als ein weiteres Manko, weil sie ohne das notwendige interdisziplinäre Verständnis für das gesamte System angegangen werden. Es kommen Methoden in Kombination zum Einsatz, die zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, nicht mit dem Lean-Gedanken kompatibel sind und dadurch unlösbar erscheinende Zielkonflikte, meist an Abteilungsgrenzen, erzeugen.
Der beste Zeitpunkt für die Optimierung
Viele Optimierungsprojekte werden häufig im laufenden Serienbetrieb, also nach Start-of-Production, durchgeführt. In diesen Fällen kann eine Vielzahl von Restriktionen das erwartete Ergebnis negativ beeinflussen. Faktoren wie vorhandene Platzverhältnisse, bereits beschaffte Werkzeuge und Maschinen, für Prozesse erteilte Kundenfreigaben sowie Zertifizierungen, eingefahrene Abläufe und vieles mehr erschweren Veränderungen. Studien zeigen, dass im laufenden Betrieb nur noch circa ein Fünftel der Kosten bei hohen Änderungskosten beeinflussbar sind. Der große Hebel zur Optimierung liegt also in der Planungsphase, vor Start-of-Production.
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Gerade im Mittelstand wird dieses Potenzial aber aufgrund fehlender Planungskapazitäten nur unzureichend genutzt. Auch werden häufig zu schnell Optimierungsmaßnahmen umgesetzt, ohne die eigentliche Problemursache erfasst zu haben: es ist mitunter nur schwierig erkennbar, wo im Gesamtsystem Optimierungen angesetzt werden sollten und durch welche Stellhebel die gewünschten Effekte zu erreichen sind. Im Ergebnis werden dann nur „Symptome“ kuriert.
Lean Factory Design – was ist das?
Die Erkenntnisse aus Praxiserfahrung und Forschungstätigkeiten in der Optimierung von Produktions- und Logistiksystemen flossen in das Optimierungskonzept „Lean Factory Design“. LFD ist ein interdisziplinäres Optimierungskonzept für produzierende Organisationseinheiten mit 100 bis 2.000 Mitarbeitern. Den Kern des Ansatzes bildet das „Landshuter Produktionssystem“. Darin werden circa 100 Lean-Prinzipien und die notwendigen Methoden systematisch aufeinander aufgebaut. Dies ist die Basis für ein Wissensmanagement und dient den Planern als „Leitplanke“ bei ihrem Handeln.
LFD betrachtet eine komplette Fabrik – vom Warenein- bis Warenausgang mit allen ablaufenden Wertströmen für Produkte. Diese werden ganzheitlich aus den drei Dimensionen Prozess, Technik und Mensch beleuchtet. Das Konzept ist bewusst interdisziplinär gestaltet und hilft Zielkonflikte zwischen Produktion und Logistik, aber auch Einkauf, technischer Entwicklung, IT und vor allem dem Controlling aufzulösen und die gesamte Fabrik zielgerichtet in eine Richtung zu entwickeln.
Der Begriff Design steht dafür, dass LFD den gesamten Lebenszyklus einer Fabrik umfasst und bewusst auf die Phase der Gestaltung und Planung vor Start-of-Production fokussiert, denn hier können 70 bis 80 Prozent der späteren Kosten bei vergleichsweise geringem Aufwand beeinflusst werden. Design bedeutet aber auch das bewusste Gestalten des Systems. Dabei wird das Wissen um die richtigen Stellhebel zur Produktionsoptimierung, die häufig nur indirekt in einem Gesamtsystem wirken, vorausgesetzt. Interessanterweise sind diese Hebel weder direkt in der Produktion zu verorten, noch wirken sie unmittelbar darauf. Aus diesem Grund, aber auch wegen des fehlenden interdisziplinären Know-hows werden sie in der Praxis oft übersehen und nicht genutzt.
"Lean-Auditsystem" misst den Reifegrad
Zu Beginn eines Optimierungsprojekts misst ein speziell entwickeltes „Lean-Auditsystem“ den Lean-Reifegrad einer Organisation in Bezug auf diese sieben Stellhebel. In Form einer zweitägigen Begehung wird ermittelt, wie effizient die Prozesse im Unternehmen aktuell ablaufen, ob und wie die wichtigsten Stellhebel zur Produktionsoptimierung genutzt werden und in welchen Bereichen bislang unentdeckte Potenziale schlummern. Zur eigenen Standortbestimmung wird zudem ein Vergleich mit anderen Unternehmen gezogen. Neben der Bestimmung des aktuellen Lean-Reifegrades bildet dies eine Basis für die Planung weiterer Schritte.
Für den Projekterfolg ist es unerlässlich, das Management einzubinden. Dies geschieht im Rahmen eines „Nordstern Workshops“. Die aufgedeckten Potenziale im Lean-Audit bieten eine zielführende Orientierung, worauf aus Unternehmenssicht in der nächsten Planungsperiode zu fokussieren ist. Die zur Erreichung dieser Zielvorgaben notwendigen Maßnahmen werden dann mit dem Methodenbaukasten des LFD geplant und umgesetzt. Dieser ist so konzipiert, dass er einerseits alle sieben Stellhebel der Produktionsoptimierung berücksichtigt, andererseits nur Methoden und Werkzeuge enthält, die auf ihre Lean-Kompatibilität geprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt wurden. Der Grundaufbau orientiert sich an den drei Dimensionen eines Unternehmens als sozio-technischem System: Prozess, Technik und Mensch.
„Wertstromorientierte Materialflussplanung“: kombinierte Lean-Methoden
Ausgangspunkt eines Optimierungsprojekts bildet meist die „Wertstromorientierte Materialflussplanung“. Hier werden Lean-Methoden wie das Wertstromdesign mit Vorgehensweisen der klassischen Fabrikplanung und einer Fabrikplanungssoftware kombiniert. Anwender erhalten so einen Masterplan je Standort in Form von 2D-Layout, Wertstrom und Maßnahmenplan für mehrere Jahre in die Zukunft. Ein Masterplan hilft sicherzustellen, dass die hohen Investitionen in Gebäude und Infrastruktur langfristig richtig ausgerichtet sind.
Dieser Top-down-orientierte Ansatz wird im sogenannten Gegenstromverfahren mit einer Bottom-up-orientierten „Lean Produktionsoptimierung“ kombiniert. Es wird zwiebelartig vom Arbeitsplatz nach außen optimiert. Während der Masterplan die langfristige Orientierung sicherstellen soll, bringt der Bottom-up-Ansatz direkt und kurzfristig spürbare Erfolge.
Herausforderung Mensch
Gerade durch die Digitalisierung und Industrie 4.0 ist die Dimension-Technologie aktuell ein wichtiger Innovationstreiber. Die Basis für eine prozessorientierte Technologieauswahl bildet die Musterfabrik „Intelligente Produktionslogistik“ des Technologiezentrum PULS (Produktions- und Logistiksysteme) in Dingolfing und ein Katalog, in dem über 170 Technologien für die Produktionslogistik strukturiert erfasst sind. Das Workshopkonzept „Technologiescouting“ gibt zudem in kurzer Zeit einen vollständigen Überblick über die vorhandenen Möglichkeiten. Welche Technologien in den Unternehmen letztlich zum Einsatz kommen, wird dank der methodischen Unterstützung streng aufgrund der Prozessanforderungen des jeweiligen Umfeldes bestimmt. Dies stellt eine individuelle, maßgeschneiderte Lösung sicher, anstatt gewissen Trends der Industrie zu folgen oder Technologien zu wählen, nur weil diese im Betrieb bereits bekannt sind.
Eine besondere Herausforderung bei jedem Veränderungsprojekt stellt die Dimension Mensch dar: Der beste Plan hilft nichts, wenn die Mitarbeiter die Ideen nicht annehmen, das Warum nicht verstehen und die Prozesse nicht leben.
Prof. Dr. Markus Schneider, Professor für Logistik, Material- und Fertigungswirtschaft an der Hochschule Landshut und wissenschaftlicher Leiter des Technologiezentrums PULS, Gründer und Geschäftsführer der PuLL Beratung GmbH / ag