Handhabungstechnik
Zähne zeigen
Dass sich der vor etwa 60 Jahren von Richard Case für die Nähmaschine erfundene Zahnriemen noch mal zu einem Evolutionssprung aufschwingen könnte, hätte wohl keiner gedacht: Dem Riemen sind nicht nur Zähne gewachsen. In heutiger Ausführung und Ergänzung mit Nocken (Mitnehmern) hat er in der Handhabungstechnik neue Bedeutung erlangt. Gut zu gebrauchen ist er bei industriellen Zuführprozessen, aktiven Magazinen, Wendeeinrichtungen und Antrieben für Handling-Geräte, aber auch für Fördermittel und Transfersysteme. Somit haben sich die Zahnriemen als Transporteur und Zugmittel vielfältig bewährt. Die Möglichkeiten sind aber keineswegs ausgeschöpft.
Linear bewegte Zuführförderer
Für diese Art von aktiven Magazinen ist typisch, dass sich jedes Werkstück auf einem eigenen Magazinplatz befindet. Die Magazinelemente (Nocken) werden auf Zahnriemen befestigt und sind mehr oder weniger der Form des Arbeitsgutes angepasst. In Bild 1 sind es U-Schienen für die Aufnahme von wellenartigen Teilen oder Leisten.
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In Bild 2 geht es um rotationssymmetrische Werkstücke, die in Prismen aufgenommen werden. Zur Anpassung an verschiedene Werkstückdurchmesser lässt sich der Anschlag versetzen.
Natürlich lassen sich sehr unterschiedliche Nocken ausbilden, von denen das Bild 3 eine kleine Auswahl zeigt. Die Nocken können angegossen, angeschweißt oder als Einzelstück montiert werden. So ist es möglich, Permanentmagnete in entsprechend ausgebildete Aufnahmen einzusetzen. Damit kann man dann kleine ferromagnetische Werkstücke zuführen. Bei montierten Anbauteilen können die Befestigungselemente allerdings auf der Zahnseite hervortreten. Dann ist an den Zahnscheiben des Transfersystems eine entsprechende Freifräsung vorzunehmen, damit diese Teile Umlenkung und Antrieb passieren können.
Der Nocken-Angriffspunkt zur Übertragung von Schiebekräften beim Transport von Objekten sollte übrigens möglichst nahe am Zahnriemenrücken liegen, um Biegespannungen im Riemen möglichst klein zu halten.
Angeformte Werkstückaufnahmen finden sich in vielen Varianten. Einige sind inzwischen Standardausführung geworden, andere entstehen als anwendungsbezogene Sonderlösung. So ist es auch möglich, Saugbohrungen im Zahnriemen anzuordnen. Wird der Riemen über einen Vakuumkanal geführt (Bild 4), dann hat man einen Vakuumförderer.
Vertikalmagazin
Insbesondere an Transfersystemen, die Montagearbeitsplätze miteinander verketten, sind vertikale Werkstückspeicher praktisch, weil sie den arbeitsfreien Raum über den Maschinen ausnutzen. In Bild 5 wird ein solches Magazin skizziert. Die Werkstückaufnahmen (Nocken) sind der magazinierten Baugruppe angepasst. Werden die Umlenkscheiben erreicht, dann geben die Nocken das Objekt von allein frei und zwar unmittelbar über dem Montageplatz. Natürlich braucht man auch eine Station, an der das Magazin in umgekehrtem Ablauf wieder aufgefüllt wird.
Flächenspeicher
Diese Speicher dienen der übersichtlichen Magazinierung und Bereitstellung von Kleinteilen, beispielsweise für die Maschinenbeschickung, Prüfung, Verpackung oder an Montageautomaten. Es handelt sich entweder um passive Flachpaletten oder um aktive Magazine in der Art eines Umlaufsystems, wie es in Bild 6 zu sehen ist.
Ein Zahnriemen läuft mäanderförmig um und bringt jedes Teil an eine definierte Entlade- oder Beladestelle. Damit genügt ein Pick-and-Place Gerät für die Teilehandhabung. Der Zahnriemen ist für solche Aufgaben mit speziellen Werkstückaufnahmen auszurüsten, wie ein Beispiel in Bild 7 zeigt. Der napfförmige Magazinplatz kann leichte Kleinteile aufnehmen. Ein Flächenspeicher in der gezeigten Bauart könnte auch mobil sein. Dann befindet sich der Zahnriemenantrieb stationär an einer Fertigungseinrichtung. Die Kopplung zur Antriebs-Keilwelle geschieht beim Aufsetzen des Flächenspeichers.
Noch Entwicklungspotenzial
In Forschungsprojekten (Norditec, Uni Chemnitz, Uni Rostock) reiften interessante Ideen. Es sind Zahnriemen in Entwicklung, in deren Riemenrücken Kanäle eingelassen sind, die Elektroenergie, Informationen und Druckluft oder Saugluft führen. Die Einspeisung geschieht an den Umlenkungen innerhalb der Zahnscheiben. Daraus erwachsen sehr interessante neue Anwendungsfelder in der Automatisierung. Anstelle einfacher unbeweglicher Formstücke, die als Nocken dienen, sind dann auch gesteuerte Kleinvorrichtungen mit beweglichen Komponenten auf dem Riemenrücken möglich. Das können beispielsweise Greifeinheiten sein. Aus dem Zugmittel „Riemen“ wäre dann ein „aktiver Zahnriemen“ geworden. Ein Baukastensystem von Riemenkomponenten könnte da ein neues Einsatzfeld erschließen. he