Michael Kellner im Interview
Wir müssen im Leichtbau schnell zu einem zirkulären System kommen
Der 4. Lightweighting Summit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen der Hannover Messe widmet sich dem so dringlichen wie zukunftsträchtigen Thema „Leichtbau 2.0 in der Circular Economy“. Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht im Interview mit Annina Schopen über die Konferenz, Recyclingmöglichkeiten von Composites und Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft.
Der 4. Lightweighting Summit widmet sich dem Thema „Leichtbau 2.0 in der Circular Economy“. Welche Themen werden auf der Konferenz in den Fokus gestellt?
Der Lightweighting Summit ist das Aushängeschild des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), wenn es um Leichtbau geht. Das diesjährige Thema der Konferenz – Leichtbau in der Kreislaufwirtschaft – ist hochaktuell. Bislang waren Innovationen im Leichtbau vor allem auf die Gewichtsoptimierung etwa von Autos oder Flugzeugen sowie auf Materialeinsparungen in der Produktherstellung ausgerichtet. Wir müssen aber stärker darauf abzielen, langlebige Leichtbau-Materialien und -Produkte zu entwickeln, die wir möglichst lange im Kreislauf führen. Nur so können wir das Potenzial des Leichtbaus für Klimaschutz und Ressourcenschonung vollständig realisieren. Vor diesem Hintergrund wartet der 4. Lightweighting Summit mit hochkarätigen Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf.
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Die Kreislauf- beziehungsweise Recyclingfähigkeit von Leichtbauprodukten bleibt eine Herausforderung. Welche Möglichkeiten sehen Sie hier?
Hier müssen wir differenzieren: Manche Materialien des Leichtbaus, wie etwa Metalle, weisen ausgezeichnete Recyclingeigenschaften auf. Andere, das betrifft insbesondere Verbundmaterialien, sogenannte Composites, können bislang nur eingeschränkt recycelt oder verwertet werden. Composites spielen aber eine wichtige Rolle unter anderem für die Energiewende: So werden hochleistungsfähige Rotorblätter von Windenergieanlagen aus faserverstärkten Kunststoffen gefertigt. Um hier voranzukommen, müssen wir die Kreislauffähigkeit möglichst schon durch ein kreislauf- und recyclinggerechtes Design in der Produktentwicklung sicherstellen. Dazu sind ganzheitliche Ansätze nötig, die auch Aspekte wie Wiederverwendbarkeit oder Reparierbarkeit berücksichtigen und die Einsatzmöglichkeiten von Sekundärmaterialien in neuen Produkten und Anwendungen verbessern. Unser Ziel muss es sein, die für den Leichtbau relevanten Stoffkreisläufe weitgehend zu schließen und ein möglichst hochwertiges Recycling zu gewährleisten.
Welche Rolle können Life Cycle Assessments, also Lebenszyklusanalysen, für das Erreichen der Klimaschutzziele spielen?
Lebenszyklusanalysen ermöglichen es, beispielsweise die Klimaverträglichkeit von Leichtbaulösungen ganzheitlich zu betrachten. Hersteller können sich auf diese Weise schon in der Produktentwicklung gezielt für diejenigen Werkstoffe oder Konstruktionsansätze entscheiden, die netto den geringsten CO2- und Material-Fußabdruck ausmachen. Wir fördern daher Analysemethoden und Ansätze zur Erhebung und Bereitstellung valider Daten, damit standardisierte Lebenszyklusanalysen möglichst breit eingesetzt werden können. Dabei müssen wir insbesondere die Bedarfe von kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigen, die praxisgerechte, schlanke Instrumente benötigen.
Bis spätestens 2050 will die EU eine funktionierende Kreislaufwirtschaft erreichen. Welche Rahmenbedingungen sind nötig, damit der Leichtbau bis dahin reif für die Circular Economy ist?
Wir müssen auch im Leichtbau möglichst schnell zu einem zirkulären System kommen, in dem Rohstoffe möglichst lange weiter- und wiederverwertet werden. Das erforderliche Umdenken hat bei den Leichtbau-Akteuren in Deutschland längst begonnen. Das freut mich sehr. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, müssen wir noch besser darin werden, zirkuläre, wirtschaftlich tragfähige Innovationen zügig aus der Wissenschaft in die industrielle Praxis zu tragen. Insbesondere der Mittelstand muss schneller von innovativen Forschungsergebnissen profitieren können. Ein wichtiger Ansatz sind für mich Reallabore wie das Nationale Leichtbau-Validierungszentrum in Dresden, das durch eine Anschubfinanzierung des BMWK realisiert werden konnte. Dort können kleine und mittlere Unternehmen die Leistungsfähigkeit kreislaufgerechter Leichtbautechnologien im industriellen Maßstab demonstrieren und somit Risiken bei der Skalierung und industriellen Umsetzung abfedern. Außerdem unterstützt das BMWK im Rahmen der Initiative Leichtbau die branchenübergreifende Vernetzung.
Und natürlich wird die Leichtbaustrategie der Bundesregierung, die wir in diesem Jahr erarbeiten und veröffentlichen wollen, dabei helfen, den Leichtbau fit für die Circular Economy zu machen. Insgesamt sind sechs Ministerien der Bundesregierung hieran beteiligt – das zeigt, was für ein Querschnittsthema der Leichtbau ist. Hier werden Klimaschutz, Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und eine sichere Rohstoffversorgung zentral sein.
Leichtbau zählt zu den Schlüsseltechnologien, da er darauf abzielt, das Gewicht von Bauteilen zu reduzieren und gleichzeitig die Ressourceneffizienz zu verbessern. Das BMWK fördert F&E-Projekte durch das Technologietransfer-Programm Leichtbau. Können Sie dazu noch etwas sagen?
Mit aktuell 167 geförderten Projekten mit einem Fördervolumen von rund 260 Millionen Euro ist das Leichtbau-Programm schon jetzt eine Erfolgsgeschichte, nicht zuletzt aufgrund der erfreulich hohen Beteiligung innovativer Unternehmen aus dem Mittelstand: Industrieunternehmen machen rund 70 % der Projektbeteiligten aus, davon sind wiederum rund 70 % kleine und mittlere Unternehmen. Dieser Erfolg schlägt sich in erheblichen zusätzlichen Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds ab 2023 nieder: Zusätzlich zu den bereits vorhandenen 69 Millionen Euro pro Jahr kommen in diesem Jahr nochmals 40 Millionen Euro hinzu. Das unterstreicht, was für ein Potenzial wir in dem Thema sehen. Für uns ist das gleichzeitig ein großer Ansporn, das Förderprogramm noch besser und attraktiver zu machen. Wir werden daher in diesem Jahr eine neue Förderrichtlinie veröffentlichen, die neben einem verstärkten Fokus auf Materialeffizienz auch Kreislaufwirtschaft und Recycling im Leichtbau gezielt stärken soll.
4. Lightweighting Summit
Der 4. Lightweighting Summit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) findet am 18. April 2023 von 14:00 bis 17:00 Uhr im Rahmen der Hannover Messe statt. Keynotes und Panels werden die Chancen und Herausforderungen für die Transformationstechnologie Leichtbau im Kontext der zirkulären Wirtschaft in den Fokus nehmen. Die Anmeldung ist bereits möglich unter: bit.ly/3mSms20