DIN 2304 umsetzen
Herrsche übers Kleben
Klebstoffe versprechen viel. Sie verbinden unterschiedlichste Werkstoffe, integrieren spezielle Funktionen und erhalten oder verbessern gar deren Eigenschaften – z.B. durch die Verbundbauweise. Begleitet wird der Klebeprozess jedoch oft von der Frage „Hält das auch?“. Damit diese Frage nicht zur Glaubensfrage wird, gilt es, den Prozess zu verstehen und zu beherrschen. Die neue DIN-Norm 2304 soll dabei ein zuverlässiger Lotse sein.
Klebstoffe sind reproduzierbar herstellbare Qualitätsprodukte. Was dieser Satz impliziert, ist, dass weniger der Klebstoff als Versagensursache einer geklebten Verbindung zu sehen ist. Vielmehr liegt das Problem im Versagensfall am Anwender. So gilt es, auf dem Weg zum fertigen Produkt alle Fehlermöglichkeiten auszuschließen und den Ablauf für Mensch und Maschine reproduzierbar zu gestalten. Denn „Passt, wackelt und hat Luft“ ist keine zuverlässige Qualitätssicherung. Diese muss beim Klebeprozess, der gemäß der DIN 9001 ein „spezieller Prozess“ ist, schon vor dem ersten Klebstoffauftrag greifen. Da die Qualitätssicherung über eine zerstörungsfreie Prüfung nicht möglich ist, muss sie zwei Umwege gehen: Sie muss technische und organisatorische Unwägbarkeiten absichern. So sieht es die DIN 9001 vor, die zwar Basis für die formale Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen ist, jedoch keine technologiespezifischen Anweisungen zur korrekten Anwendung der Klebetechnik gibt. Somit stellt die konkretisierende DIN 2304 Betriebe vor neue Herausforderungen, da sie als Anwender in die Verantwortung genommen werden: Wenn der wesentliche Grund für Klebfehler nicht Klebstofffehler, sondern Anwendungsfehler sind, muss im Bereich der Anwendung nachgebessert werden.
Dabei zielt die neue Anwendernorm sowohl auf die industrielle Fertigung wie auch Kleinserien, wie sie etwa im klassischen Handwerk hergestellt werden. Um diese unterschiedlichen Bereich in einem DIN-Text abdecken zu können, fokussiert sich die DIN 2304 auf die Funktion der Klebung, nämlich die Übertragung mechanischer Lasten. Damit dürfte klar sein, für wen die DIN relevant ist. Wie bei der Umsetzung vorgegangen werden kann, wissen die Experten des Fraunhofer Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM): Sie empfehlen, zur Einführung der Norm zunächst den Istzustand des klebtechnischen Prozesses in seiner Gesamtheit vor Ort zu betrachten. Dazu gehören unter anderem die Einstufung aller Klebverbindungen in Sicherheitsklassen, die neben gesundheitlichen auch kommerzielle Risiken berücksichtigen, sowie die Entwicklung eines auf den Betrieb angepassten Konzepts zur Absicherung aller klebtechnisch relevanten Faktoren.
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Alle Bereiche sind relevant
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Umsetzung in die betriebliche Praxis von der Materialauswahl bis zum fertigen Produkt. Bei der Erstellung des Konzepts müssen alle Bereiche des Betriebs berücksichtigt werden, die einen Einfluss auf das spätere geklebte Produkt haben können. Dazu gehören auch Bereiche, bei denen dieser Einfluss nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.
Beim Blick auf die gesamte Prozesskette der klebtechnischen Fertigung sollten die Anwender laut Fraunhofer IFAM auch schon die Verträge, die mit dem Kunden geschlossen werden, überprüfen. Hierbei muss sichergestellt werden, dass alle klebtechnischen Anforderungen umsetzbar sind. Für die Fertigungsphase sind in der DIN 2304 Anforderungen bezüglich der Infrastruktur des Betriebes, der klebtechnischen Arbeitsbereiche für Fertigung oder Instandsetzung, der Lagerung und Logistik sowie der produktionsbegleitenden Qualitätssicherungsmaßnahmen aufgeführt. Ebenso gibt es, wie aus der DIN EN ISO 9001 bekannt, Anforderungen bezüglich der Überwachung von Mess-, Prüf- und Fertigungshilfsmitteln.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im kompletten Klebprozess ist die klebtechnische Weiterbildung der Mitarbeiter. Entgegen der Vorgehensweise, nur Klebstoffe für bestimmte Anwendungen zuzulassen, stützt sich die DIN 2304 auf die fachgerechte Ausführung von Aufgaben wie Klebstoffauswahl, Klebstoffqualifikation und Herstellung der Klebungen. Ein möglicher Weg, diese Anforderung zu erfüllen, ist die klebtechnische Weiterbildung der Mitarbeitenden entsprechend der DVS/EWF-Personalqualifizierungen zum Klebpraktiker, zur Klebfachkraft oder zum Klebfachingenieur. cs