Automatisierte Rohrknoten-Fertigung
Schnellere Rohrknoten
Automatisierte Rohrknoten-Fertigung mit Industrierobotern. Das Fraunhofer Anwendungszentrum Großstrukturen in der Produktionstechnik (Fh-AGP) hat eine flexible Orbitalschweißanlage zur Einbringung von Fülllagen in Rohrknotenschweißverbindungen für Gründungsstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen entwickelt.
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Im Zuge der Abkehr von konventionellen Energieerzeugungssystemen wird die Erschließung erneuerbarer Energien stetig weiterentwickelt. Zur Umsetzung der avisierten Energiewendeziele sollen Offshore-Windenergieanlagen einen wesentlichen Beitrag zur Stromerzeugung leisten. Als Konsequenz daraus werden derzeit Windenergieanlagen mit immer größerer Leistung entwickelt. Die dabei erreichten Nabenhöhen sowie die notwendige und bevorzugte Anlagenerrichtung in der küstenfernen, ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee verlangen nach aufgelösten Gründungsstrukturen (Jackets, Tripiles und Tripods). Hierbei entfällt ein Großteil der Errichtungskosten auf die Fertigung der als Schweißverbindungen ausgeführten Rohrknoten. Besonders groß ist deren Anzahl bei Jacket-Gründungen von Windrädern und den Gründungsstrukturen von Konverterplattformen.
Meiste Zeit der Fertigung entfällt auf Schweißarbeit
Die Herstellung der – bedingt durch die Halbzeugdimensionen (Rohrdurchmesser bis etwa 3 Meter, Wandstärken bis 80 Millimeter) – großvolumigen Schweißverbindungen eines Rohrknotens erfolgt derzeit überwiegend manuell. Abhängig von den vorliegenden Rohrwandstärken und den Anschlusswinkeln der Ansatzrohre kann unter Anwendung konventioneller MAG-Schweißgerätetechnik die Einbringung von weit mehr als zehn Fülllagen notwendig sein. Aus diesem Grund entfällt der überwiegende Anteil der Fertigungszeit für Schweißarbeiten, bestehend aus Heft-, Wurzel-, Füll- und Decklagenschweißung, auf diesen Arbeitsschritt.
Einer wirtschaftlichen Erhöhung des Mechanisierungsgrades bis hin zur Prozessautomatisierung stehen gegenwärtig mehrere Faktoren entgegen; der Bauteilvarianz und der hohen Fertigungstoleranzen der einzelnen Rohrknotenkomponenten kommen die meiste Bedeutung zu. So kann aufgrund der konstruktiven Auslegung der Gründungsstrukturen eine große Anzahl verschiedener Knotentypen mit unterschiedlichen Anschlusswinkeln der Ansatzrohre bereits innerhalb einer Struktur enthalten sein. Außerdem stellt auch die Handhabung des Materials aufgrund der Abmessungen sowie den daraus resultierenden Massen eine besondere Herausforderung dar.
Vollmechanisiertes Schweißen der Fülllagen
Zu diesem Zweck wurde am Fh-AGP im Rahmen des Verbundprojektes Automatisierte Rohrknoten-Fertigung (ARF) zusammen mit dem Partner IMG-Rostock ein Anlagenkonzept entwickelt und realisiert, das ein vollmechanisiertes Schweißen der Fülllagen von großen bis sehr großen Rohrknoten ermöglicht (Gesamtmasse des Rohrknotens mehr als zehn Tonnen). Hierbei kommen Industrieroboter zum Einsatz, die den Schweißbrenner derart positionieren und orientieren, dass dieser jederzeit ideal zur Schweißnaht ausgerichtet werden kann. Um die Basis der Industrieroboter möglichst nahe an den zu bearbeitenden Bereich heranzuführen, wurde eine Grundkinematik entwickelt, die an die geometrische Form des zu fügenden Werkstückes angepasst ist. Sie wurde als Zylinderkoordinaten-Manipulator ausgeführt, welcher aus einem Klemmmechanismus samt Kugeldrehverbindung besteht, der die Basis des Manipulators per Reibschluss fest mit dem zu fügenden Rohr verbindet sowie zwei Schubachsen für die Linearbewegung entlang der Ansatzrohre. Allein mit diesen zwei Freiheitsgraden ist es bereits möglich, eine Kurve im Raum abzufahren, die in einem definierten Abstand entlang der Verschneidungskontur der beiden Rohre verläuft.
Versorgungsplattform für Anlagenkomponenten
Um die Energie- und Medienversorgung des Schweißprozesses sowie der Industrieroboter nebst elektrischen Antrieben der externen Achsen zu ermöglichen, wird eine synchron zum Zylinderkoordinaten-Manipulator drehende Versorgungsplattform eingesetzt. Diese ist mit einem Schleifring ausgerüstet, der die stationären Versorgungsmedien, etwa elektrischer Strom und Schutzgas, auf die rotierenden Anlagenkomponenten überträgt. Außerdem wird die Datenübertragung zur Kommunikation einzelner Komponenten mit dem übergeordneten Prozessleitsystem einer Fertigungslinie oder dem Bedienterminal im Fall einer Stand-Alone-Lösung über den Schleifring realisiert. Das Resultat dieses Anlagenversorgungskonzeptes ist die Möglichkeit, die Roboter endlos entlang der Rohrverschneidungskontur führen zu können, wodurch die Notwendigkeit einer Unterbrechung des Schweißprozesses und des Umsetzens des Manipulators entfällt.
Der Einsatz von Hochleistungsschweißverfahren in Form von MAG-Tandemschweißanlagen ermöglicht eine hohe Gesamtabschmelzleistung; die Fertigungszeiten werden drastisch reduziert. Im Vorfeld des Schweißprozesses wird die Fugengeometrie (Nahtvorbereitung) mit Hilfe eines Laserlichtschnittsensors messtechnisch erfasst. Die Messergebnisse werden sowohl für die Bahnplanung des Schweißroboters als auch für die Parametrierung des Prozesses verwendet.
AIP der Klassifikationsgesellschaft DNV-GL
Aufgrund des räumlich flexibel einsetzbaren Anlagenkonzeptes und der Schweißung in Zwangslagen, wird das aufwändige und kostenintensive manipulieren der Rohrknoten auf ein Minimum reduziert. Weiterhin ist es durch den modularen Systemaufbau möglich, die Anlage auf verschiedene Rohrdurchmesser (auch kleine), Rohrlängen und Wandstärken, zu adaptieren. Weitere Entwicklungen zielen insbesondere darauf ab, den gesamten Prozess der Rohrknotenfertigung zu automatisieren. Zu diesem Zweck sind vorhandene Lösungen im Bereich des Ansatzrohrzuschnitts (inklusive Schweißnahtvorbereitung) sowie der hochgenauen Positionierung und Ausrichtung von Haupt- zu Ansatzrohr weiterzuentwickeln. Die einzelnen Fertigungsabschnitte können nachfolgend zu einer Fertigungslinie gekoppelt werden. Den Schweißprozess betreffend sind Algorithmen für die Erweiterung auf Decklagenschweißungen zu entwickeln. Für die Anlage und den Schweißprozess liegt ein AIP (Approval in Principle) von der Klassifikationsgesellschaft DNV-GL vor.
Gründler; Herholz; Wanner/pb
Kurz erklärt: Der MHI e.V.
Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Montage, Handhabung und Industrierobotik e.V. (MHI e.V.) ist ein Netzwerk renommierter Universitätsprofessoren – Institutsleiter und Lehrstuhlinhaber – aus dem deutschsprachigen Raum. Die Mitglieder forschen sowohl grundlagenorientiert als auch anwendungsnah in einem breiten Spektrum aktueller Themen aus dem Montage-, Handhabungs- und Industrierobotikbereich. Weitere Infos zur Gesellschaft, deren Mitgliedern und Aktivitäten: www.wgmhi.de.
Kurz erklärt: Das Fh-AGP
Das Fraunhofer-Anwendungszentrum Großstrukturen in der Produktionstechnik in Rostock ist einer von fünf Standorten des Fraunhofer IPA in Stuttgart. Aufgaben aus dem Bereich der Produktion und Fertigung von Großstrukturen sind die Forschungsschwerpunkte des Fh-AGP. Auf Basis angewandter Forschung werden im Rahmen diverser Projekte mit Kooperationspartnern Konzepte für Produkt- und Prozessinnovationen für Zukunftsbranchen der Wirtschaft wie Schiff- und Stahlbau, Energie- und Umwelttechnik, Schienen- und Nutzfahrzeugbau sowie Maschinen- und Anlagenbau entwickelt und realisiert. Im Rahmen eines Kooperationsvertrages arbeitet das Fh-AGP mit den Lehrstühlen Fertigungstechnik und Fügetechnik der Fakultät für Maschinenbau und Schifftechnik an der Universität Rostock zusammen und ist Mitglied in der Fraunhofer-Allianz Verkehr e. V. sowie in diverses Forschungsvereinigungen und -netzwerken. Weitere Infos: www.hro.ipa.fraunhofer.de