Advanced Planning and Scheduling

Andrea Gillhuber,

Interview: Machine Learning richtig einsetzen

Durch die gezielte Analyse von Daten lässt sich die Produktivität in der Produktion steigern. Doch wie wird künstliche Intelligenz und Machine Learning richtig eingesetzt? Und welchen Nutzen bringen diese neuen Technologien? Antworten darauf liefert Markus Günther von Inform im SCOPE-Interview.
© Shutterstock / everything possible

Ein Maschinen- und Anlagenbauer möchte künstliche Intelligenz (KI) für sich nutzen. Wie trifft er die richtige Auswahl aus der Vielzahl an Möglichkeiten?

Markus Günther ist Produktmanager im Geschäftsbereich Produktion bei Inform GmbH. Dort ist er für das APS-System Felios zuständig. © Inform

Jedes Unternehmen ist individuell und sieht sich mit ganz eigenen Anforderungen konfrontiert. Für den Einstieg ist es dennoch sinnvoll, zunächst eine standardisierte Software-Lösung zu wählen. Mit der Zeit lässt sich diese dann auf die spezifischen Bedürfnisse des eigenen Betriebs anpassen beziehungsweise entsprechend erweitern. Hierzu können sich Projektverantwortliche daran orientieren, was etablierte Anbieter bereits am Markt anbieten. In der Regel lohnt auch ein Blick darauf, was andere Unternehmen in dieser Richtung schon umsetzen.

Was den Zeitpunkt betrifft, bietet die schwächelnde Auftragslage eine gute Gelegenheit, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Fertigungsbetriebe können die Phase der ruhigeren Konjunktur als Chance begreifen, sich solchen Digitalisierungsvorhaben zu widmen und gestärkt daraus hervorzugehen.

Wie wählen Fertigungsbetriebe den richtigen Lösungsanbieter für KI-Projekte aus?

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Bei der Wahl eines Lösungsanbieters sollten Unternehmen auf eine ausgewogene Kombination von Branchenexpertise und Entwicklungskompetenzen achten. Auf der einen Seite geht es darum, die konkreten Bedürfnisse der Anwenderunternehmen zu kennen, auf der anderen braucht es technisches Know-how, was die Algorithmen betrifft.

Was bedeutet Machine Learning konkret für den Maschinen- und Anlagenbauer?

Wichtig ist zunächst zu verstehen, dass ML nicht nur die Maschinen an sich smarter macht. Viele Menschen haben direkt klassische Anwendungsfälle wie Predictive Maintenance im Kopf, wenn sie den Begriff hören – dabei ist das nur ein kleiner Ausschnitt des Gesamtbildes. Mit ML lassen sich auch Prozesse und Dienstleistungen optimieren. Zum Beispiel können ML-gestützte Systeme anhand historischer Daten zuverlässige Vorhersagen zu Entwicklungen treffen, beispielsweise hinsichtlich der Wiederbeschaffungszeit von Zukaufteilen oder der Dauer bestimmter Arbeitsgänge. Damit ermöglicht ML eine genauere Planung und verbessert sowohl Prozessqualität als auch Termintreue. Dies verschafft Maschinen- und Anlagenbauern entscheidende Wettbewerbsvorteile in einem hart umkämpften Markt. Von großem Vorteil ist, dass die dafür benötigten Daten meist schon im Unternehmen vorhanden sind, beispielsweise im Kontext eines ERP-Systems.

Welche vorhandenen Unternehmensdaten lassen sich in der Regel für ML nutzen?

Welche Daten sich für die ML-Anwendung nutzen lassen, hängt ebenfalls von der jeweiligen Firma ab. Oft sind Unternehmen ganz überrascht, über was für einen wertvollen Datenbestand sie bereits verfügen. Im ERP-System sind zum Beispiel die Bestelldaten der vergangenen Jahre gespeichert. Diese kann ein ML-Algorithmus nutzen, um zukünftige Liefertermine beziehungsweise Wiederbeschaffungszeiten zu prognostizieren und damit eine genauere Produktionsplanung zu ermöglichen.

Generell machen sich Unternehmen oft zu große Gedanken über ihre Datenqualität. In vielen Fällen reichen bereits relativ grobe Daten aus, und einige Daten werden auch gar nicht gebraucht – beispielsweise die Pufferzeiten zwischen einzelnen Bearbeitungsschritten. Fertigungsbetriebe sollten sich durch solche Bedenken daher nicht von wichtigen Digitalisierungsvorhaben abhalten lassen, sondern die Sache lieber mit Unterstützung eines Dienstleisters angehen.

Welche Rolle spielen im Zusammenhang mit KI-Technologie ERP-Systeme und wann und wo kommen diese an ihre Grenzen?

ERP-Systeme eignen sich hervorragend, um Daten zu sammeln und zu verwalten. Vor diesem Hintergrund sind sie für die effiziente Koordination komplexer Produktionsvorgänge unerlässlich. Sie tragen jedoch nicht dazu bei, einen gesteigerten Mehrwert aus dem gegebenen Datenbestand zu ziehen. Spätestens bei der Auswertung geschweige denn Optimierung von Daten stoßen sie daher an ihre Grenzen. Den nächsten Schritt gehen dann KI-gestützte Systeme: Sie bauen auf dem ERP-System auf und gleichen seine Planungsschwächen durch eine präzise Produktionssteuerung aus.

Die digitale Entscheidungsfindung. © Inform

Eine Produktion besteht ja nicht nur aus einem Fertigungsbereich. Wie kann ich die einzelnen Bereiche mit APS-Systemen (Advanced Planning and Scheduling) übergreifend steuern?

Die Vielzahl an Aufträgen und die permanente Synchronisation zwischen den einzelnen Abteilungen – vom Einkauf über die Fertigung bis hin zum Vertrieb – überfordert menschliche Planer schlichtweg. Sie müssen sich einmal vor Augen halten, was Firmen angesichts dieses Koordinationsaufwandes für ein Potenzial verschenken. Erst KI ermöglicht eine bereichsübergreifende Steuerung, die alle relevanten Faktoren und Variablen zeitgleich adäquat berücksichtigt. Durch eine integrierte ML-Komponente können APS-Systeme wie unser System Felios Abhängigkeiten zwischen den Bereichen erkennen und mithilfe leis-tungsstarker Algorithmen einen optimalen Produktionsplan errechnen. So profitieren Fertigungsbetriebe von einer gesteigerten Termintreue und geringeren Durchlaufzeiten, ohne dafür zusätzliche Ressourcen schaffen zu müssen.

Was genau bieten nun APS-Systeme, was andere Produktionsplaner nicht können? Wo genau liegt darin die KI?

APS-Systeme ermöglichen eine realistische Produktionsoptimierung, welche die Defizite des ERP-Systems kompensiert. Dazu zählt etwa, dass sie selbst weitverzweigte Auftragsnetze mit den tatsächlich verfügbaren Kapazitäten abgleichen und dynamisch terminieren können – eine Eigenschaft, die traditionellen ERP-Systemen fehlt. Zudem planen sie rückstandsfrei. Obwohl die Funktionalitäten oft gleichgesetzt werden, beinhaltet ein einfaches Planungs-system keine vergleichbaren Features. Weder ist es intelligent noch bietet es dem Anwender Handlungsvorschläge. Durch das bereits geschilderte ML-Verfahren sind APS-Systeme darüber hinaus in der Lage, für den Prozess relevante Daten wie Einkaufstermine zuverlässig zu prognostizieren und damit präziser zu planen. Gerade in der variantenreichen Einzel- und Kleinserienfertigung des Maschinen- und Anlagenbaus ermöglichen sie so, den Überblick zu behalten und Kapazitäten optimal auszulasten.

Die KI in einem solchen System besteht aus intelligenten Algorithmen, die aus den gegebenen Rahmenbedingungen das Maximum herausholen. Bei Inform setzen wir dabei auf einen hybriden Ansatz, der daten- und wissensgetriebene Verfahren kombiniert. Durch sie ist das APS in der Lage, Planungs- und Dispositionsentscheidungen zu treffen und dem menschlichen Planer optimale Handlungsempfehlungen aufzuzeigen. So erhalten die einzelnen Abteilungen eine Empfehlung, was als nächstes zu bearbeiten ist, um das für die Firma beste Gesamtergebnis zu erzielen. Das System schlägt zum Beispiel vor, um welche Bestellungen sich der Einkauf am dringendsten kümmern sollte, damit sich die Lieferungen nicht verzögern, welche Ressource wie viel Zusatzkapazitäten benötigt oder ob gerade die richtigen Aufträge fokussiert werden.

Ob der Planer die Handlungsvorschläge annimmt oder nicht, kann er am Ende immer selbst entscheiden. Denn so intelligent das System auch sein mag – am Ende kommt es darauf an, diese Intelligenz in die richtigen Bahnen zu lenken.

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