SAP
Hans Thalbauer zum Thema Automatisierung, Industrie 4.0 und das ERP-Erbe
Wer sollte einen besseren Einstieg finden in Industrie 4.0, wenn nicht die Experten für die Automation? Die produzierenden Unternehmen Deutschlands haben sich in puncto Manufacturing 4.0 auf den Weg in die Digitalisierung gemacht. Doch vielfach bestehen Hürden bei der Überwindung von Abteilungsgrenzen und einer passenden Umstellung der IT-Strategie. Welcher Weg führt vom Geschehen einer Projektgruppe oder eines internen „Start-ups“ in die alltägliche Produktion? Ein Statement von Hans Thalbauer, Senior Vice President Digital Supply Chain and Internet of Things bei SAP.
„Eine ‚Smart Factory‘ oder das Manufacturing 4.0 sollte einen konkreten Mehrwert schaffen, das steht für das Management jedes Unternehmens außer Frage. Und dass in Deutschland vor allem der Mittelstand und größere Unternehmen für Innovationen sehr offen sind, lässt sich auch an einer Studie mit rund 280 Anwendungsbeispielen aus dem Bereich Industrie 4.0 von Deloitte ablesen. Der Anteil der IoT-Projekte in der Fertigung beträgt 77 Prozent. Prozess-Effizienz und frühzeitige Qualitätssicherung stehen ganz oben auf der Erwartungsliste der Projekte. Vor allem die Qualitätssicherung sowie in der Folge die ‚Predictive Maintenance‘ bringen neue Konzepte mit sich.
Neue Software und andere Herangehensweisen werden in kleinen Projekten getestet – und erzeugen Lawinen von Daten und Fragezeichen. Gepaart mit der Erkenntnis, dass sich das nur schwer mit alten IT-Strukturen in den Silos vereinen läßt. ERP als Kern einer bewährten Unternehmensplanung steht dem wie ein schwerer Klotz gegenüber. Unzugängliche Daten in einer – vielleicht schon etwas ‚aufgebohrten‘ – ERP aber auch anderen Bereichen, das liegt vielen Entscheidern schwer im Magen.
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Man könnte an eine Revolution und den radikalen Umbau seiner Infrastrukturen denken – doch das birgt nicht nur erheblich Investitionen, sondern auch viele Möglichkeiten des Scheiterns. Dabei gibt es auch einen evolutionären Weg. ERP-Systeme und ihre Hersteller ändern sich nämlich auch. Zwei Entwicklungen haben die wichtigsten ERP-Hersteller bereits aufgenommen.
Hohes Verarbeitungstempo und Cloud-Anbindung
Manufacturing 4.0 und das Internet of Things benötigen ein sehr hohes Verarbeitungstempo. Hohe Kapazität gepaart mit Echtzeitfähigkeit sind notwendig, um beispielsweise Prozesse innerhalb einer Supply Chain zu steuern, die das Internet der Dinge einbindet. Hier ist es wichtig, dass der ERP-Anbieter die Möglichkeit der Datenverarbeitung vollständig innerhalb des Arbeitsspeichers (In-Memory-Processing) bietet. Dies erlaubt die Echtzeit-Analyse großer Datenmengen und öffnet den Weg zu produktionsnahen Manufacturing Execution Systemen (MES).
Die zweite Notwendigkeit besteht in der Anbindung an die Cloud, denn hier läßt sich nämlich auch die Verbindung zu den Abteilungen schaffen und in den einzelnen Anwendungen althergebrachte Technik auf das aktuelle Niveau heben. Technologisch geschieht das mit dem Einsatz von Containern, sozusagen die nächste Generation der Virtualisierung. Ein entscheidender Vorteil der Container-Technologie besteht in der Erhöhung der Portabilität und Flexibilität, sodass Container einen essentiellen Bestandteil einer modernen Cloud-Strategie eines Unternehmens ausmachen. Für die Zukunft ist die Integration von Container-Technologien wie Kubernetes in die IT Architektur unerläßlich. Auf diese Weise werden Dienste in sogenannte Microservices aufgebrochen, die sich je nach Anwendungsfall neu orchestrieren lassen. Ein guter ERP-Anbieter hat entsprechende Cloud-Plattformen im Portfolio. Ein solches digitales Innovationssystem stellt mit seinen Microservices auch aktuelle Technologien wie etwa maschinelles Lernen, Blockchain sowie Analytik und Big-Data-Analysen bereit. SAP Leonardo ist zum Beispiel das zentrale System von SAP, um Projekte im Bereich Industrie 4.0 und Digitalisierung voranzutreiben.
Wie stellen sich nun Kernthemen wie Qualitätssicherung und Instandhaltung im neuen Licht dar? Der Schritt in die neue Dimension der Automatisierung erfordert auch neues Denken. Hier kommt ein Konzept zum Tragen, das in jüngster Zeit von verschiedenen Anbietern zur Grundlage der Automatisierung und von IoT-Prozessen gemacht wurde: der digitale Zwilling.
Ein digitaler Zwilling ist eine identische Abbildung eines konkreten Produkts in einem Computersystem. Er enthält neben Konstruktionsdaten viele weitere Parameter, zum Beispiel auch betriebswirtschaftliche Kenndaten. Mit seiner echten, physischen Repräsentation ist er über Sensoren vernetzt. Alle einzelnen digitalen Zwillinge bilden ein Netzwerk, aus dem Erkenntnisse für Entwicklung, Produktion, Wartung und Marketing gewonnen werden. Ganz moderne digitale Zwillinge arbeiten mit künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen sowie Analysesoftware. Sie erstellen auf der Grundlage von Echtzeitinformationen Auswertungen, die Rückschlüsse für die Produktverbesserung, Wartungsarbeiten oder auch Kundenzufriedenheit ermöglichen.
Predictive Maintenance für Wartung und Versicherungsbewertung
Wer mittels seiner neuen IT-Architektur und IoT die Verbindung zu seinen Maschinen in der Produktion herstellt, kann wertvolle Erkenntnisse gewinnen. In der ‚Predictive Maintenance‘ sind dies zum Beispiel sich abzeichnende Schadensfälle – was nicht nur für die Wartung von Bedeutung ist, sondern beispielsweise auch für die Bewertung durch die Versicherung. Ein System, das mittels eines digitalen Zwillings in nahezu Echtzeit nicht nur Wartungsdaten liefert, sondern Chancen zur Verschlankung und Beschleunigung in der Produktion erkennt, welche Teile schon bei der nächsten Charge verbessert werden können, wie schnell sie beschafft und wie schnell das fertige Produkt geliefert werden kann, ist quasi das Brennglas oder die nächste Stufe der Automation, die ja immer schon Prozesssteuerungs- und Regelungs-Aufgaben vom Menschen auf künstliche Systeme übertragen will.
Mittels In-Memory-Datenbanken und Cloud-Technologien gehen Unternehmen weit über ERP und MES hinaus. Das Prinzip der Digitalisierung denkt vom Kunden her und entwickelt durch neue Möglichkeiten plötzlich ganz andere Geschäftsmodelle. Unternehmen heben so die Automatisierung auf ein neues Niveau – nicht nur im Sinne der Verbesserung von Produktionsparametern, sondern auch im Sinne des „Neu-Denkens“ von Produkten und Dienstleistungen.“ Hans Thalbauer/ee
HMI, Halle 7, Stand A02