Interview: Smarte Produktion

Anna Molder,

Transparenz für die Fertigung

Die Industrie befindet sich in einer Zeit des Wandels. Den Begriff "smarte Fertigung" sehen viele als Wegweiser. Markus Asch, CEO Rittal International und Rittal Software Systems, beleuchtet die aktuellen Herausforderungen für Industrieunternehmen.

Die Industrie steht derzeit unter großem Veränderungsdruck. Was sind Ihrer Meinung nach die drängendsten Herausforderungen für fertigende Unternehmen?

Markus Asch, CEO Rittal International und Rittal Software Systems. © Rittal

Der Druck zur Steigerung von Effizienz und Produktivität in der Industrie ist innerhalb kurzer Zeit ganz erheblich gestiegen. Die Anforderungen unserer Kunden sind durch die Vielzahl von Anwendungen stark ausdifferenziert und individuell, was Produkte und Prozesse verändert. Insgesamt wächst die Komplexität. Darauf müssen Unternehmen ihre Organisation und ihre Fertigung ausrichten – und zusätzlich den Fachkräftemangel managen. Automatisierung und Digitalisierung sind vor diesem Hintergrund alternativlos. Der Effekt ist: Unternehmen müssen ihre Produkte heute hochgradig individuell, flexibel und in hoher Qualität herstellen – am besten vor Ort in ihrem Heimatmarkt, um jederzeit handlungs- und vor allem lieferfähig zu sein. Wenn Sie dies wirtschaftlich umsetzen wollen, verlangt dies Effizienz bis an die Grenze des physikalisch Möglichen.

Hinzu kommen Energiekosten und Energieverfügbarkeit sowie Ansprüche an Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit in den Lieferketten. In den Fabriken haben sich beispielsweise die Optimierungsziele rasant verändert. Früher ging es vor allem um möglichst hohe Stückzahlen. Heute lautet die Frage: Wie produziere ich eine angemessene Stückzahl mit möglichst geringem Energieeinsatz pro Stück? Darauf sind Fabriken heute noch nicht ausgelegt. Um in Europa mit all diesen Anforderungen umzugehen, ist ein hoher Grad der Digitalisierung nötig – und dies in hoher Geschwindigkeit. Dafür braucht es standardisierte Plattformlösungen.

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Wie sieht der Weg zur smarten Fertigung Ihrer Auffassung nach aus?

Zunächst geht es darum, Transparenz zu schaffen und die Zusammenhänge zwischen den relevanten Daten zu begreifen. Erst so verstehen wir, was wir überhaupt optimieren können. Datendurchgängigkeit ist dabei das eine, die Daten in den richtigen Kontext zu setzen das notwendige andere, zumal digitale Datenmodelle – digitale Zwillinge – aus unterschiedlichsten Bereichen in der Produktion verbunden werden müssen. Diese entstehen in Ökosystemen, die heute oft noch lückenhaft vernetzt sind: Anlagendaten, Produktdaten, Fertigungsdaten.

Würden Sie unstrukturierte Daten aus der Produktion in eine AI-Engine schieben, käme dabei nichts Wertschöpfendes heraus. Gelingt es hingegen, für Anlagen, Produkte und Fertigungsprozesse je einen vollständigen digitalen Zwilling zu erzeugen und diese zu verbinden, ist das ein Hebel auf dem Weg zur Smart Production. Das bedeutet: Wir müssen erst Transparenz schaffen, bevor wir optimieren können, und das noch bevor wir daran denken, die Produktion smart zu managen. Das gilt auch für das Energiemonitoring und perspektivisch Energie-Management in der Fertigung. Die Verbindung der drei Zwillinge wird benötigt, um die Energieströme in den Kontext der Fertigungsprozesse zu setzen, zu verstehen und wertschöpfend zu nutzen. Kurzfristig geht es beispielsweise darum, teure Lastspitzen zu reduzieren. Perspektivisch müssen wir den Product Carbon Footprint ermitteln und senken.

Wo lagen die Schwerpunkte Ihres Auftritts bei der diesjährigen Hannover Messe?

Auf unserem Messestand konnten die Besucherinnen und Besucher Praxisbeispiele sehen, wie wir unseren Kunden ganz konkret helfen, ihre Wertschöpfungskette in den relevanten Ökosystemen zu optimieren. Steuerungs-, Schaltanlagen- und Maschinenbauer bauen mit Eplan- und Rittal-Lösungen den digitalen Zwilling der Maschinen und Anlagen auf und machen die Daten im Betrieb nutzbar. Wir zeigten, wie unsere Kunden die Datendurchgängigkeit rund um den digitalen Produktzwilling mit Cideon erhöhen können. IIoT-gestütztes Produktions-Management mit dem Oncite Digital Production System (DPS) schafft dann für Betreiber Transparenz über die Daten der Fertigungsprozesse, was die Effizienz und Flexibilität der Fertigung steigert. Wir zeigten auch, wie es funktionieren kann, diese Ökosysteme für das Energiemonitoring in der Fertigung zu verbinden. Auf dem Messestand haben wir auch einen Live-Einblick in das Energiemonitoring der laufenden Fertigung in unserer Smart Production in Haiger gezeigt.

Hier sind wir unser eigener "Customer Zero" und teilen unsere Erfahrungen und Kompetenzen in der Friedhelm Loh Group mit unseren Kunden. Unsere Überzeugung und unser Handlungsprinzip ist: Wir verstehen die Prozesse entlang der Wertschöpfungsketten unserer Kunden, denken in neuen Ökosystemen und entwickeln übergreifende, standardisierte Lösungen. Natürlich gab es auch neueste Innovationen, die sich nahtlos in die Prozesse der Kunden einfügen und diese optimieren – wie unsere Blue e+ Schaltschrankkühlgeräte, die durchschnittlich 75 % weniger Energie aufnehmen, oder das Wire Terminal, das Drähte zehnmal schneller konfektioniert. Dazu wollten wir mit den Besucherinnen und Besuchern der Hannover Messe ins Gespräch kommen. Denn darin liegt aus unserer Sicht die große Chance der Hannover Messe insgesamt. Sie bringt Aussteller und Kunden in den Dialog und als übergreifende Industriemesse die entscheidenden Kompetenzen aus den relevanten Sektoren zusammen, um die neuen Ökosysteme mit Leben zu füllen. Gute Beispiele dafür sind Catena-X und perspektivisch Manufacturing-X.

Die Fragen stellte Anna Molder, WEKA Fachmedien

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