Roboter für die Intralogistik
Aufsatzmodule für mobile Roboter
Die Intralogistik bleibt einer der letzten noch zu automatisierenden Bereiche der Industrie 4.0. Mobile Transportroboter helfen, den internen Materialfluss in die vernetzten Produktionsbedingungen zu integrieren. Die notwendige Flexibilität verleiht ihnen eine wachsende Zahl an Aufsatzmodulen: Erst sie erweitern den mobilen Roboter zur funktionalen Automatisierungslösung. Von Thomas Visti
Die digitale Vernetzung industrieller Fertigung ist längst zum Megatrend geworden. Kollaborierende Roboter machen Betriebe produktiver und helfen ihnen, mit den Herausforderungen volatiler Marktbedingungen fertig zu werden. Doch hochmoderne Fertigungstechnologien sind nur ein Aspekt institutioneller Wertschöpfung: Auf dem Weg zur Industrie 4.0 gilt es, auch den Materialfluss im Blick zu behalten.
In vielen Unternehmen wird diesem Bereich in der Regel recht wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei verkennen die Verantwortlichen, welches Optimierungspotenzial sich wirklich in der Intralogistik tatsächlich verborgen liegt. So gehen unzählige Mannstunden verloren, wenn Mitarbeiter zeitintensive Laufwege auf sich nehmen und viel Kraft in den Transport von Waren stecken. Dies ist nicht nur für den einzelnen mühevoll. Auf betrieblicher Ebene verlangsamt die manuelle Handhabung solcher Prozesse unnötig die Abläufe und bindet Kapazitäten, die anderweitig dringend gebraucht würden. In einer zunehmend vernetzten Produktionsumgebung leidet darunter letztlich die Effizienz der gesamten Fertigung.
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Mobile Transportroboter schaffen Abhilfe. Das dänische Unternehmen Mobile Industrial Robots (MiR) produziert autonom navigierende Transportroboter, die den internen Materialfluss verschlanken. In unterschiedlichsten Industriezweigen sind sie bereits heute im Einsatz. Mit einer Nutzlast von bis zu 500 kg nehmen Transportroboter Werksmitarbeitern das Heben und Tragen schwerer Güter ab. Außerdem fahren sie mühelos schneller, als ein Mensch laufen kann. So entlasten sie Mitarbeiter von körperlich anstrengenden Aufgaben und geben ihnen Zeit, sich mit anspruchsvolleren Tätigkeiten zu befassen. Rund um die Uhr einsetzbar, helfen sie Unternehmen, ihre Produktionskapazitäten voll auszuschöpfen.
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Im Vergleich zu flurgebundenen Transportsystemen fügen sich Roboter von Mobile Industrial Robots in dynamische Produktionslayouts ein. Anpassungen der Infrastruktur sind nicht notwendig, denn aufgrund spezieller Sensortechnologie und Sicherheits- algorithmen navigieren sie autonom. So finden sie sich auch dort selbstständig und sicher zurecht, wo Menschen täglich ihrer Arbeit nachgehen.
Roboter und Aufsatzmodul – die Kombi macht‘s
All jene Vorteile bewirken, dass die Roboterkollegen immer mehr zum Standardrepertoire von Werkshallen gehören. Damit weitet sich der Blick vom mobilen Roboter und seiner Technologie hin zu seinem Wirken als ganzheitliche Applikation: Denn der Transportroboter selbst ist eine offene Plattform, die erst durch die Bestückung mit Aufsätzen zur funktionalen Automatisierungslösung avanciert. In dieser Form kann er den spezifischen Bedarfen des Endanwenders entgegenkommen und einen wirtschaftlichen Nutzen bieten. Zu diesem Zweck, entwickeln immer mehr Hersteller individuelle Module, um die Einsatzfähigkeit mobiler Roboter auszubauen.
In der Fertigung werden Roboter häufig mit Regalaufsätzen bestückt. Diese haben sich als besonders praktisch erwiesen, um etwa Halberzeugnisse zwischen den einzelnen Produktionsschritten zu transportieren oder fertige Produkte ins Lager zu bringen. Mitarbeiter rufen den Roboter per Knopfdruck, beladen sein Regal mit den jeweiligen Materialien und schicken ihn anschließend wieder auf die Reise. Ergonomisch günstige Regalladeflächen erleichtern das Be- und Entladen zusätzlich. Ist der Roboter mit einem Regalheber ausgestattet, kann er sich Regale mit Rollen sogar eigenständig „aufsetzen“.
Das amerikanische Medizintechnikunternehmen Argon Medical Devices zum Beispiel setzt in der Produktion einen MiR200, benannt nach seiner Traglast in Kilogramm, mit Regalaufsatz ein, wo er Botengänge zwischen Produktion und Lager übernimmt. Vor jedem Transport beladen ihn Mitarbeiter mit bis zu acht Transportboxen mit je rund 20 kg. Der interne Materialfluss läuft dadurch reibungsloser. Schlangen an den Produktionslinien und herumliegendes Rohmaterial sind passé. Durch den mobilen Roboter spart Argon Medical die Ressourcen einer Vollzeitkraft, die in der Materialdisposition viel dringender gebraucht werden.
Förderbandmodule gehören ebenfalls zu den am häufigsten eingesetzten Aufsatzlösungen mobiler Roboter. Meist überbrücken sie den Materialfluss zwischen fixierten Förderbändern oder Fertigungszellen. Dabei dienen sie auch der Vollautomatisierung, also der Realisierung nahezu selbsttätiger Transportvorgänge, bei denen sich die menschlichen Eingriffe auf überwachende und steuernde Tätigkeiten wie Ingangsetzung, Rohstoffzufuhr oder Produktentnahme beschränken.
Dies ist zum Beispiel beim dänischen Elektronikhersteller Kamstrup der Fall. Hier transportieren drei MiR100 Halberzeugnisse selbständig zwischen verschiedenen Produktionslinien und Fertigungszellen. Gibt ein Mitarbeiter eine neue Bestellung in das ERP-System ein, erhalten die Roboter eine Liste mit Routen, die sie anschließend abfahren. Dann liefern sie zum Beispiel Artikel zu einer Fertigungszelle und laden sie dort mittels des angeschraubten Förderbandmoduls ab. Ist der Artikel weiterverarbeitet, nehmen sie ihn wieder auf und bringen ihn zum nächsten Produktionsschritt.
Der automatisierte Palettentransport
In industriellen Umgebungen ist oftmals der Transport schwerer Güter wie Paletten ein Thema. Auch hierfür gibt es spezielle Aufsätze zur Automatisierung. Der mobile Roboter MiR500 beispielsweise hat die Größe einer Europalette und eine Traglast von 500 kg. In Kombination mit dem Palettenheber MiR Pallet Lift kann er Paletten automatisiert von der Abnahmevorrichtung MiR Pallet Rack aufnehmen und abladen. Durch diese Kombination erweitert die Applikation das Leistungsspektrum mobiler Roboter hin zur Automatisierung der Intralogistik.
Neue Einsatzfelder eröffnen auch Anwendungen mit Roboterarmen. Gerade für Pick-and-Place-Aufgaben in Lagerhäusern bietet sich eine solche Installation an: Der Transportroboter verleiht dem Roboterarm die notwendige Mobilität, während dieser das handwerkliche Geschick mitbringt. In Kombination können sie den Anwender bei einer Vielzahl an denkbaren Aufgabenstellungen unterstützen. Dies unterstreicht zugleich einen Trend zur Vernetzung innerhalb der Roboterindustrie.
Transportroboter als Basis
Die Vielzahl an verfügbaren Lösungen macht systematische Übersichten notwendig. Hersteller beginnen, die von Distributoren bereitgestellten Aufsatzmöglichkeiten in online zugänglichen Ausstellungsportalen darzustellen. Ein Beispiel findet sich im TradeForum von Mobile Industrial Robots, mit dem der Hersteller seinen Kunden einen Überblick zu verschiedensten Modulen bietet, die am Markt verfügbar sind. Innovative Ansätze wie dieser zeigen, dass sich das wachsende Angebot an Bestückungslösungen zunehmend individualisiert: Das Einsatzspektrum mobiler Roboter weitet sich perspektivisch aus.
Eins ist also sicher: Das verwendete Aufsatzmodul definiert die Funktion eines Transportroboters ganz maßgeblich. Es fungiert als Schlüssel zu seiner Flexibilität. Erst die Kombination aus Modul und Roboter gewährleistet eine individuelle Skalierbarkeit der Automatisierungslösung: Sie gibt dem Anwender die Freiheit, den Roboter genau für seine spezifische Applikation einzusetzen. Ein Mittelständler mit einer einzigen Produktionslinie wird vielleicht nur einen einzigen Roboter benötign und diesen zu unterschiedlichen Einsatzzwecken mit verschiedenen Modulen bestücken. Ein größerer Industriebetrieb hingegen hat eine ganze Roboterflotte mit den gleichen Aufsätzen im Einsatz, die in ihrer Masse die Effizienz der Prozesse steigern. Dies bedeutet keinesfalls, dass der Transportroboter an sich an Bedeutung verliert: Vielmehr wird seine substanzielle Rolle als notwendige Plattform deutlich, die den funktionalen Erweiterungen als Basis dient. Nur so kann Automatisierung den Wettbewerbsvorteil, den sie verspricht, auch einlösen.
Thomas Visti, CEO bei Mobile Industrial Robots / ag