Vernetzte Metallbearbeitung

Metav: Den Bogen nicht überspannt

Ende Februar wird die Metav wieder Schauplatz für moderne Technologien, Dienstleistungen und Trends der Metallbearbeitung sein und Exponate und Themen entlang der Wertschöpfungskette vorstellen. Aber nicht nur das: Auf den sogenannten Areas geht es um Lösungen etwa aus dem Bereich Werkzeug- und Formenbau, um Zukunftstechnologien wie Additive Manufacturing sowie um den Innovationstreiber Medizintechnik und nicht zuletzt um die Mess- und Prüftechnik, ohne die etwa Smart- und Big-Data-Konzepte nicht umzusetzen sind.

(Bild: Messe Düsseldorf, Constanze Tillmann)

2016 erstmals umgesetzt, verzahnt das Konzept der Areas offensichtlich erfolgreich verschiedene Themenbereiche der industriellen Fertigung. Während zwei Areas Spezialthemen der Produktionstechnik aufgreifen, haben zwei weitere besondere Branchen im Fokus. So können Besucher Antworten zu ihren Schwerpunktthemen finden und gleichzeitig Synergien zu benachbarten Bereichen aufdecken.

Eine Fragestellung, die viele Besucher speziell der Quality Area beschäftigt, ist, wie sich die Qualität der Prozesse mithilfe der Digitalisierung verbessern lässt. Worauf vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dabei achten sollten, weiß Andreas Wank, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) an der TU Darmstadt.

Wank forscht nicht nur auf dem Gebiet Digitalisierung, sondern hilft auch als Geschäftsführer des neuen Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Darmstadt KMU, in einem gesicherten Rahmen erste neue digitale Wege zu gehen. Wank empfiehlt, sich im ersten Schritt genau zu überlegen, welche Kennzahlen die Unternehmen konkret verbessern wollen. „Wir gehen die Digitalisierung vor allem methodisch an“, erklärt der Wissenschaftler. „Im Mittelpunkt steht nicht der Ersatz menschlicher Arbeit, sondern die Ergänzung.“ Dazu gelte es zum Beispiel, im digitalen Prozess bisherige manuelle Tätigkeiten wie das Erfassen und Eingeben von Messdaten zu automatisieren.

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Training on the job: Methoden für den Aufbau einer digitalen Fabrik erproben die „Kunden“ des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Darmstadt in der Prozesslernfabrik CiP. (Bild: Prozesslernfabrik)

Dazu suchen die Experten unter anderem mithilfe ihrer sogenannten Wertstromanalyse 4.0 in Fertigungsprozessen nach digitalen Verschwendungsarten. Dazu zählen digitale Medienbrüche, bei denen Daten entweder nicht erfasst oder nicht weitergeleitet werden. Wank: „Häufig werden Messdaten per Hand im Messrechner eingegeben, regelmäßige Analysen und das Weiterleiten der Informationen erfolgen jedoch nicht.“

Chaos lässt sich nicht digital beseitigen

Der Einsteiger solle deswegen zunächst seine Prozesse verstehen lernen und sie stabilisieren, bevor er sie digitalisiert. „Es lohnt sich oft nicht, direkt in die weitere Digitalisierung einzusteigen, wenn man nicht weiß, wie genau die Prozesse aussehen“, erklärt Wank. „Meistens geht es schief, wenn jemand versucht, Chaos mit Digitalisierung zu beseitigen.“ So entdeckten die Darmstädter bei der Analyse eines hessischen Unternehmens mit hoher Variantenvielfalt, dass der Informationsfluss zwischen Einkauf, Arbeitsvorbereitung und Montage nicht einwandfrei funktionierte. Die Digitalisierung war im ersten Schritt schon daran gescheitert, dass keiner den Ablauf des Informationsflusses richtig verstand.

Problematisch sei aber auch das Zusammenwachsen von bestehenden, historisch gewachsenen IT-Systemen zu einem durchgängigen Digitalkonzept. „Das große Problem besteht darin, eine durchgängige Digitallösung zu entwickeln, ohne den Betriebsablauf zu stoppen“, meint Wank. „Hinzu kommt im Mittelstand, dass diese Aufgabe meist Mitarbeiter neben ihrem üblichen Job übernehmen.“

Als eine wichtige Herausforderung empfindet der Wissenschaftler bei seiner Arbeit die Chance, dass der Informationsfluss in Unternehmen künftig komplett papierlos abgespult wird. „Im Idealfall läuft der gesamte Prozesse digital ab, weil die Produkte die nötigen Informationen mitbringen“, blickt der Experte in die Zukunft. „Dann lassen sich die Prozesse dynamisch auf der Basis von Echtzeit-Daten steuern oder verriegeln. Mit einer statischen papierbasierten Arbeitsweise wäre dies nicht möglich.“ Besonders interessant ist für Wank der digitale Blick auf die Qualitätssicherung im Zusammenspiel mit der Metallverarbeitung: „Ich sehe daher die Quality Area auf der Metav 2018 als sehr interessantes Themenfeld für uns an.“

Einstieg über praxisorientierte Handlungsfelder

Auch Frank Knafla, Master Specialist Industry 4.0 bei Phoenix Contact, weiß, dass die Vorteile von Industrie 4.0 für die Produktion gerade mittelständischen Unternehmen mitunter etwas abstrakt erscheinen. Phoenix Contact hat daher praxisorientierte Handlungsfelder definiert. „Dabei wird nicht alles realisiert, was technisch möglich ist“, erläutert Knafla, „sondern nur, was für den jeweiligen Prozess einen Vorteil garantiert“. Aspekte wie Qualität, Flexibilität, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit stehen im Vordergrund.

„Kommunikation ist der Schlüssel“, Frank Knafla, Master Specialist Industry 4.0 bei Phoenix Contact

Um die Vorteile digitaler Daten etwa im Werkzeug- und Formenbau zu nutzen, müssen zunächst alle Prozessphasen innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks mit einer einheitlichen digitalen Beschreibung unterstützt werden. Jedem physikalischen Produkt werden digitale Daten zugeordnet. Mit der entsprechenden Technik, die von schweren Steckverbindern und Stromversorgungen mit individueller Parametrierung über Markierungssysteme und individuelle Designlösungen für Embedded Systems reicht, schafft Phoenix Contact die zugehörige Infrastruktur. So lassen sich projektbezogene Informationen beispielsweise zu Kosten und Materialart im Spritzguss erheben und daraus die richtigen Entscheidungen für die Produktion von Kunststoffteilen treffen.

Losgröße eins zu Kosten der Massenfertigung

Wie Phoenix Contact die Voraussetzungen für die Fertigung individueller Endprodukte vollautomatisiert bis zur Losgröße eins schaffen will, demonstriert das Unternehmen am Beispiel einer eigenen Fertigungslinie bei der Produktion von Trennverstärkern am Standort Bad Pyrmont. Trennverstärker, so die Erläuterung des Unternehmens, werden in elektrotechnischen Anlagen immer dann benötigt, wenn sensible Messwertsignale störungsfrei von der Sensor- in die Steuerungsebene übertragen werden sollen. Da sich hier bisweilen sehr individuelle Anforderungen ergeben, stellen die Automatisierungsspezialisten die Trennverstärker als konfigurierbare Varianten in flexiblen Produktionsanlagen her. Die Kommunikation zwischen Produkt, Mitarbeiter und Maschine führe zu einem verbesserten Prozessablauf, heißt es, in dem sich selbst geringe Losgrößen wirtschaftlich produzieren lassen. Von der Auftragserstellung bis zum fertigen Produkt nutzen alle beteiligten Systeme digitale Daten.

Zu diesem Zweck stellt vom ersten Schritt an ein RFID-Tag die Verbindung zu den Informationen her, die das übergeordnete System liefert. Dazu gehört etwa die Angabe, welche Prüfungen am Gerät durchzuführen sind und welche Firmware implementiert werden muss. Aufgrund des Tags kennt das übergeordnete System den aktuellen Bearbeitungszustand des einzelnen Moduls. Auf dem Bildschirm sieht der Mitarbeiter die Informationen, die er für seine Aufgabe benötigt. Dank der Kommunikation zwischen Produkt und Anlage könne der Mitarbeiter die Komplexität, die sich aus der Variantenvielfalt ergibt, jederzeit beherrschen.

Synergien erkennen

Die Komplexität, bedingt durch den hohen Individualisierungsgrad, ist eine Herausforderung, die es in der modernen Produktion zu managen gilt. Weitere sind Präzision, Qualität und Zuverlässigkeit in der Fertigung. Spitzenreiter bei diesen Anforderungen ist die Medizintechnik. So kommen laut Experten bei den Werkzeugmaschinen „nur die Besten der Besten“ in der Medizintechnik-Branche zum Zuge. Wie das einem erfahrenen Pionier auch bei hochkomplexen 3D-Teilen gelingt, beleuchtet Citizen aus dem Blickwinkel eines langjährigen Ausstellers auf der Medical Area.

Nils Westphal, Leiter der Niederlassung Neuss der Citizen Machinery Europe GmbH: „Wir nutzen gerne die Chance, den uns die METAV 2018 mit der Medical Area zur separaten Präsentation unserer Expertise auf dem Gebiet der Medizintechnik bietet.“ Foto: Citizen

„Wir stiegen in diese Branche vor über drei Jahrzehnten in Deutschland und Europa ein“, erläutert Nils Westphal, Leiter der Niederlassung Neuss von Citizen Machinery Europe. Weil Citizen aus der Uhrenproduktion stammt, kannte das Unternehmen die Herstellung von extrem präzise arbeitenden Anlagen bereits aus dem Alltagsgeschäft.

Gefragt ist das „Rundum-sorglos-Paket“

Zu den Kunden zählen global tätige Unternehmen, die mit Citizen-Langdrehautomaten zum Beispiel Knochennägel, Implantate, Kanülen, chirurgische Werkzeuge und Instrumente herstellen. Westphal: „Es handelt sich durch die Bank um Firmen, die nicht nur höchste Ansprüche an ihre Teile, sondern auch an die Prozessfähigkeit und -sicherheit stellen.“ Der Niederlassungsleiter spricht daher vom so genannten Rundum-sorglos-Paket, bei dem die eigentliche Maschine wertmäßig rund 50 Prozent ausmacht. Hinzu kommt die gesamte Peripherie, die den kompletten Prozess abbildet. Hierzu gehören neben Lademagazin, Zuführsystem, Hochdruck-Pumpeneinrichtung, Späne-Abführsystem, Palettiereinrichtung sowie Laserkopf auch sicherheitsrelevante Peripherien wie Feuerlöscheinrichtung und Absaugung.

Höchste Qualitätsansprüche an Zulieferer: Für das Rundum-Sorglos-Paket legt Citizen Wert auf hoch qualitative Zukaufteile, hier Gelenk-Kühlmittelschläuche aus Edelstahl. (Bild: IMSTec)

Das Rundum-sorglos-Paket geht sogar so weit, dass Citizen auf Wunsch des Kunden den Prozess für mindestens ein auf dem Langdrehautomaten zu fertigendes Bauteil überprüft und prozesssicher entwickelt. „Dank unserer akribischen Prozessabnahme kann der Anwender sofort mit der Produktion starten“, sagt Westphal. „Die Prozesssicherheit muss hoch sein, um die Auflagen der Validierung zu erfüllen und um den Fachpersonal-Mangel mit automatischer Fertigung zu kompensieren.“ Nur durch prozesssichere Abläufe kann das Fachpersonal mehrere Maschinen im Prozess begleiten und für hohe Qualitätssicherung sorgen.

So zeigt sich, dass die Metav einen großen Bogen rund um zahlreiche Aspekte der Produktionstechnik spannt. Ihr Kern ist die ganze Bandbreite der Metallbearbeitung, eine Branche, die mit der digitalen Transformation einen Innovationsschub erlebt. Gleichzeitig zeigt die Metav die Verbindungen zu angrenzenden industriellen Themen, die maßgeblich die Produktionstechnik mitbestimmen. Es zeigt sich auch, dass unabhängig von den technischen Voraussetzungen die Herausforderungen der Zukunft darin liegen, aus den technischen Möglichkeiten neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Hier kommt dem Austausch mit anderen Playern sowie gemeinsamen Forschungsprojekten auch mit Wissenschaftsinstitutionen eine hohe Bedeutung zu. cs

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