Selbstregelnde Intralogistik
Servicebasierte Auftragsallokation
Im Technologiefeld Fertigungsregelung und Intralogisik (F+I) des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) steht ein servicebasiertes Intrologistics Execution System (IES) zur plattformübergreifenden Auftragsverteilung und -durchführung unter Einbindung unterschiedlicher mobiler autonomer Transportsysteme auf dem Forschungsplan.
Matchmaker+
Aufgrund der Anforderung an zukünftige Produktionssysteme, eine hohe Flexibilität und Wandelbarkeit zu gewährleisten, um die Nachfrage nach kundenindividuellen Großserienprodukten zu realisieren, werden sich die etablierten prozessfolgeorientierten, hochproduktiven Fertigungssysteme zu physisch vernetzten Systemen weiterentwickeln. Als technische Befähiger für einen agilen Materialfluss zwischen den Betriebsmitteln in einem Fertigungsnetzwerk werden in der Wissenschaft und Wirtschaft autonome und mobile Transportroboter gesehen, die sich aus den bekannten Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) und der servicebasierten Mobilrobotik heraus entwickeln.
Ganzheitliche intralogistische Wertstromlösung nötig
Aktuelle Lösungen und Ansätze mobiler intralogistischer Systeme sind aus dem Automatisierung- und Autonomieansatz getrieben, welcher das einzelne Fahrzeug oder das spezifische System befähigt, ein Modell seiner Umwelt selbstständig zu generieren. Dieses hat jedoch aufgrund der beschränkten Reichweite der Fahrzeugsensoren Schwächen und bildet die Umgebungsbedingen zu einem spezifischen Zeitpunkt ab. Die Routenplanung der Fahrzeuge erfolgt somit auf Basis eines veralteten Weltmodells. Aus diesem Ansatz der Autonomie und Automatisierung des Einzelsystems ergibt sich zudem eine konzeptionelle Schwäche der aktuellen verfügbaren Lösungen hinsichtlich der zukünftigen Anforderungen. Die Fahrzeuge sind auf spezifische, im Vorfeld definierte Anwendungsfälle konzipiert und damit auch die Fähigkeiten des Systems an diese Restriktionen beschränkt. Die Umwandlung der Sensordaten ins digitale Weltmodell ist somit nicht auf andere Anwendungsfelder ohne Applikation übertragbar oder bei unterschiedlichen Fahrzeugtypen verwendbar. Die Vergabe der Transportaufträge auf die einzelnen Entitäten erfolgt über eine Leitsteuerung oder innerhalb eines proprietären Verteilmechanismus. Die etablierten Ansätze stellen folglich Insellösungen dar, die eine ganzheitliche intralogistische Wertstromlösung nicht adressieren und die Anforderung an zukünftige Produktionssysteme, ein flexibles und wandelbares intralogistisches Produktionsnetzwerk auszubilden, nur bedingt erfüllen.
Standardisierte Plattform mit unabhängigen Diensten
Der Lösungsansatz der Forschungsarbeiten am FAPS basiert daher auf einer standardisierten Serviceplattform, in der der Arbeitsraum digitalisiert sowie die Routen und Pfade der Transportfahrzeuge geplant werden. Die zentrale Eigenschaft dieser verteilten Architektur ist, dass die Algorithmen zur Erfüllung der notwendigen Einzelaufgaben in unabhängige Dienste aufgeteilt werden. Diese lassen sich in drei Hauptgruppen unterscheiden: die Dienste zur Arbeitsraumerfassung, die Fahrzeugdienste und die zentralen Flottendienste. Zudem wird durch die Systemgestaltung der Grundsatz verfolgt, den Datenaustausch zwischen den einzelnen Instanzen auf ein Minimum zu reduzieren und stets bedarfsorientiert auszulösen. Das System lässt es zu, die Anzahl der Recheneinheiten, auf denen die Algorithmen implementiert sind, frei zu wählen und somit eine Anpassung des Systems auf den spezifischen Anwendungsfall zu ermöglichen. Weiterhin ist der Forschungsansatz hinsichtlich der Fläche des Arbeitsraums und der Anzahl der verwendeten Transportroboter quasi nicht beschränkt. Um dies zu gewährleisten, sieht die erforschte Architektur vor, die notwendigen Dienste auf die einzelnen Systeme, etwa Infrastruktursensoren oder Fahrzeuge, zu verteilen. Die unternehmensinternen und fahrzeugübergreifenden Intralogistikdienste jedoch werden durch eine zentrale Ebene abgebildet. Aufgrund der definierten Kommunikationsstruktur zwischen diesen Ebenen ist es möglich, dass sowohl proprietäre FTS als auch hochautonome Einzelfahrzeuge die für sie notwendigen Informationen beziehen, um ihre Wirtschaftlichkeit bei der Routen- und Pfadplanung zu erhöhen.
Plattformübergreifende Transportauftragsallokation
Der zweite elementare Bestandteil der Serviceebene ist zudem die plattformübergreifende agentenbasierte Transportauftragsallokation in Form eines IES. Der innovative Ansatz der Architektur ist die generische Beschreibung der Eigenschaften von mobilen Transportentität, um den Applikationsaufwand der Fahrzeugsoftware auf ein Minimum zu reduzieren. Durch diese Vorgehensweise wird eine eindeutige Schnittstelle zwischen den Verhandlungspartnern geschaffen, wodurch die Entscheidungslogik und Strategie des Agenten von der physischen Plattform entkoppelt ist. Somit entsteht eine uniforme Softwarearchitektur für intralogistische Anwendungen. Weiterhin wird die Entscheidung zur Disposition eines Transportauftrags von einem Transportauftragsagenten getroffen, dessen Verhalten von den Unternehmens- oder Systemzielen abgeleitet wird. Dadurch steht im Gegensatz zu proprietären Insellösungen die Zielvorgabe des jeweiligen Auftrags bei der Vergabe im Vordergrund steht.
M. Scholz/J. Franke/pb
Kurz erklärt: Der FAPS
Der Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg forscht auf zahlreichen Themengebieten, die der Robotik angrenzen. Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jörg Franke beschäftigt der FAPS derzeit an zwei Standorten rund 100 Mitarbeiter in insgesamt sechs verschiedenen Forschungsbereichen: Biomechatronik, Effiziente Systeme, Elektronikproduktion, Elektromaschinenbau, Bordnetze sowie Hausautomatisierung. Verschiedene Hardwaresysteme und Demonstratoren des Forschungsbereichs Effiziente Systeme wenden sich an Studierende sowie Unternehmen. FAPS versteht sich als Systemintegrator für innovative mechatronische Lösungen, die durch interdisziplinäre Zusammenarbeit der Technologiefelder am Lehrstuhl sowie in Kooperation mit Partnern erforscht, entwickelt und ganzheitlich optimiert werden. www.faps.fau.de
Kurz erklärt: Der MHI e.V.
Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Montage, Handhabung und Industrierobotik e.V. (MHI e.V.) ist ein Netzwerk renommierter Universitätsprofessoren – Institutsleiter und Lehrstuhlinhaber – aus dem deutschsprachigen Raum. Die Mitglieder forschen sowohl grundlagenorientiert als auch anwendungsnah in einem breiten Spektrum aktueller Themen aus dem Montage-, Handhabungs- und Industrierobotikbereich. Weitere Infos zur Gesellschaft, deren Mitgliedern und Aktivitäten: www.wgmhi.de.