Projekt- und Product Lifecycle Management
Wie Integration mehr Potenziale erschließt
Die Erfahrungen vieler Unternehmen zeigen, dass die Verbindung von Projekt- und Product Lifecycle Management die Effizienz im Produktentstehungsprozess nachhaltig steigert. Automobilzulieferer Gerhardi Kunststofftechnik nutzt deshalb CIM Database in Verbindung mit einer direkt integrierten Projektlösung. Das PLM-System sorgt für eine schnellere Projektabwicklung und einen reibungsloseren Serienanlauf.
Es ist nicht mehr alles Metall, was glänzt. Die Gerhardi Kunststofftechnik GmbH in Lüdenscheid, deren Anfänge in der Metallverarbeitung bis 1796 zurückreichen, spezialisiert sich heute auf die Herstellung von hochwertigen Kunststoffteilen mit galvanisierten Oberflächen. Neben Kühlerschutzgittern für die Premium-Fahrzeuge von namhaften deutschen und internationalen Automobilherstellern entwickelt und fertigt das Unternehmen Interieur-Komponenten und Funktionsteile: „Fast alle unsere Produkte sind sichtbar und alle stecken im Automobil, wo die Anforderungen an die Oberflächenqualität sehr hoch sind", sagt Guido Grotehans, Chief Information Officer des Unternehmens.
Nach dem Verkauf des Stammhauses an einen amerikanischen Investor wurde die Gerhardi Kunststofftechnik GmbH im Jahr 2000 durch einen Management-Buyout auf eigene Füße gestellt. Das 1.400 Mitarbeiter starke Unternehmen positioniert sich heute als Full-Service-Anbieter, der seine Kunden schon in der frühen Konzeptphase bei der fertigungsgerechten Auslegung der Oberflächen unterstützt und die Technik dahinter entwickelt: „Zu unseren Stärken gehört nicht nur die Produktion, sondern auch die Entwicklung von innovativen Lösungen. Wir haben zum Beispiel als erster Zulieferer eine einteilige Zierleiste mit integriertem Lichtsichtfenster hergestellt, die bei den Kunden sehr gut ankommt", sagt Entwicklungsleiter Stefan Feldmann.
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Neben dem Fertigungsstandort in Lüdenscheid unterhält Gerhardi Werke in Werdohl und Ibbenbüren, an denen in der Spitze 69 Millionen oberflächenveredelte Kunststoffteile pro Jahr die Produktionsstraße verlassen. Die Betriebsmittel für das Spritzgießen, Galvanisieren, Lackieren, Montieren und Prägen der Teile kauft das Unternehmen bei ausgewählten Lieferanten in Deutschland und Europa ein, mit denen deshalb eine sehr enge und umfassende Kollaboration während der Entwicklung sowie bei technischen Änderungen erfolgt. Für komplexe Produkte wie das Kühlerschutzgitter eines Audi A8 können beispielsweise bis zu 100 Werkzeuge, Vorrichtungen, Lehren und Handlings-Einrichtungen erforderlich sein.
PLM-integriertes Projektmanagement
Gerhardi Kunststofftechnik sieht sich als Qualitäts- und Innovationsführer. Dieser Anspruch bedeutet für das Unternehmen eine permanente, große Herausforderung, die mit erheblichen Anstrengungen gerade beim Übergang von der Entwicklung zur Serienproduktion verbunden ist. Eines der strategischen Ziele des PLM-Projekts ist es deshalb, den Produktentstehungsprozess schlanker zu gestalten und die Kosten in der frühen Phase transparenter zu machen, wie Thomas Dinter, kaufmännischer Geschäftsführer des Unternehmens, betont: „Außerdem wollten wir durch Frontloading den Produktreifegrad in der frühen Phase erhöhen, um einen sanfteren Serienanlauf zu gewährleisten. Das erreichen wir mit dem neuen PLM-System.“
Wie alle Automobilzulieferer steht Gerhardi Kunststofftechnik unter einem starken Kosten- und Zeitdruck. Dies muss nicht immer ein Nachteil sein: „Wenn die Zeit drängt, kommen die Kunden gerne zu uns, weil wir sehr genau wissen, was machbar ist. Um schneller zu sein als der Wettbewerb, haben wir in Entwicklung und Konstruktion viele Standards geschaffen", erklärt Entwicklungsleiter Feldmann.
Von Catia zu NX
Auslöser für die Auswahl eines neuen PLM-Systems war der CAD-Systemwechsel bei einem großen deutschen Automobilhersteller, dessen Stern heute ebenfalls aus oberflächenveredeltem Kunststoff hergestellt wird. Dies zog in der Konstruktion eine Erweiterung der bis dahin homogenen Catia-Landschaft um die CAD-Anwendung Siemens NX nach sich, die aber von dem derzeit eingesetzten PDM-System nicht unterstützt wird. Zudem stieß die bisher genutzte Lotus Notes Projektlösung hinsichtlich der verwalteten Datenmenge an ihre Grenzen. Damit waren zentrale Anforderungen bei der Neuauswahl gesetzt: Multi-CAD-Datenmanagement und Projektmanagement.
CIM Database PLM überzeugte die Prozessverantwortlichen bei Gerhardi Kunststofftechnik durch seine umfassende Funktionalität für das Produktdaten- und Projektmanagement sowie die vielen Referenzen in der Automobilindustrie. „Auch das Engagement der Contact-Mitarbeiter hat uns die Entscheidung leicht gemacht", sagt Feldmann. Diese entwickeln gerade eine bidirektionale Schnittstelle zu einer speziellen Software, mit der Gerhardi seine Datenaustausch-Prozesse hochgradig automatisiert hat. Um die CAD-Anwender hier in ihrer gewohnten Arbeitsweise zu unterstützen, hat das Unternehmen seine Prioritäten bei der Systemeinführung geändert. „Wir haben in 2015 zunächst das Projektmanagement implementiert und sehen jetzt die Nutzeneffekte, auf die wir abgezielt haben“, sagt Feldmann. Die Integration der beiden CAD-Systeme über Contacts Workspaces-Technologie ist für das laufende Jahr geplant.
Schnellere Auftragsabwicklung
Im Zuge der Konzeption des neuen Systemeinsatzes optimierte das Unternehmen mit Hilfe externer Berater den kompletten Produktentstehungsprozess von der Angebotsanfrage über die Beschaffung der Betriebsmittel bis zum Start of Production (SOP). Dieser optimierte Gesamtprozess – strukturiert in vier Phasen, mehrere Quality Gates und hunderte Einzelaufgaben – wurde dann als Template in CIM Database abgebildet. Wenn ein Produkt angefragt wird, für das Betriebsmittel erforderlich sind, leitet sich daraus automatisch und zuverlässig eine neue Aufgabenstruktur mit allen notwendigen Elementen für die Werkzeuganfrage, Bewertung, Einkauf et cetera ab. Erfahrungswissen und Best Practices können so kontinuierlich in die Projektvorlagen gespiegelt und den Projekten zuverlässig bereitgestellt werden.
Vor dem Umstieg auf CIM Database war der Angebotsprozess nicht im Projektmanagement-System abgebildet. Die Mitarbeiter im Vertrieb verwalteten ihre Daten mit Excel oder anderen Insellösungen. Die Nutzung von CIM Database bereits in der Angebotsphase erfordert mehr Disziplin, macht das Unternehmen aber viel schlagkräftiger, wie Feldmann sagt: „Wenn der Auftrag kommt, sind wir deutlich schneller und wesentlich besser vorbereitet, weil viele Informationen schon da sind und eine bessere Qualität haben." Künftig sollen auch die Akquisitionslisten mit der Bewertung der Auftragswahrscheinlichkeit und Absatzplanung im System abgebildet werden.
Den Aufgaben werden in CIM Database bestimmte Ressourcen, aber keine genauen Planwerte zugeordnet. „Dazu ist unser Geschäft einfach zu dynamisch“, erklärt Feldmann. „Wir können in der Entwicklung nicht sehr langfristig planen, sondern müssen flexibel auf die schwankende Auftragslage reagieren." Vorgesehen ist jedoch, die Plan-Aufwände für die Kalkulation heranzuziehen, sobald die CAD-Systeme und auch das ERP-System angebunden sind, ergänzt Grotehans.
Hohe Anwenderakzeptanz
Das neue Projektmanagement wird seit einem Dreivierteljahr genutzt. Binnen weniger Monate wurden alle laufenden Anfragen und Entwicklungsprojekte überführt, so dass die alte Lösung abgeschaltet werden konnte. Gerhardi Kunststofftechnik führt parallel circa 80 Entwicklungsprojekte mit einer Laufzeit von rund zwei Jahren durch. Die Projektleiter sind normalerweise für mehrere Projekte zuständig und benötigen – neben dem Management – eine Multiprojekt- und Programmsicht auf das Projektportfolio.
Da der Zulieferer das Projektmanagement zuerst implementiert hat, war der Kreis der PLM-Nutzer von Anfang an relativ groß und heterogen. An den drei Standorten nutzen derzeit insgesamt 290 Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen CIM Database. Dass die Akzeptanz stimmt, zeigt sich an den Vorschlägen für Verbesserungen und funktionale Erweiterungen, berichtet Grotehans.
Auf Wunsch der Projektleiter hat das PLM-Team beispielsweise die Terminsicht auf das Projektgeschehen um eine inhaltliche Sicht ergänzt. Dazu wurden die vier Phasen in neun Reviews unterteilt, an denen anhand einer Checkliste bestimmte Ergebnisse abgeprüft werden. Die Termineinhaltung verfolgen die Projektleiter anhand farbiger Ampeln, die den Ist-Zustand der Aufgaben signalisieren. Meldet der Anwender seine Aufgabe nicht zum vorgesehenen Termin abzüglich eines berechneten Puffers als fertig zurück, springt die Ampel auf gelb/rot. „Dadurch erkennen die Projektleiter auf einen Blick, wo sich Schwierigkeiten anbahnen und können rechtzeitig gegensteuern", sagt Grotehans. Auch die Geschäftsleitung erhält regelmäßig Reports, in denen die Aufgaben mit Terminüberschreitungen nach Abteilungen aufgeführt sind, was sich positiv auf die Termindisziplin auswirkt.
Rund 20 Prozent schneller
Die Einführung von CIM Database PLM und die Integration von Produktdaten- und Projektmanagement ist ein ambitioniertes strategisches Projekt, das noch nicht abgeschlossen ist, wie Grotehans betont. „Aber bereits jetzt zeigt sich, dass wir bei der Projektabwicklung schon geschätzt 20 Prozent schneller sind, weil die Räder besser ineinander greifen", sagt Feldmann und Grotehans ergänzt: „Zudem können wir die vorgegebenen Termine mit deutlich weniger Aufwand einhalten."
Die Mitarbeiter in den Projektteams wissen, wofür sie zuständig sind, und sehen, dass sie alle in dieselbe Richtung ziehen. Dadurch ist der Übergang von der Entwicklung in die Produktion wesentlich sanfter geworden. „Wir haben die Reifegradkurve nach vorne geschoben und die Qualität zum Serienbeginn verbessert, was nicht nur CIM Database, sondern auch dem neuen Prozess zu verdanken ist", sagt Feldmann. „Die Qualität sicherzustellen erforderte früher mehr Schleifen und war kostenintensiver. Heute dürfen wir uns öfter auf die Schulter klopfen, weil die Teile schon bei der Abmusterung passen und die Werkzeuge nicht mehr optimiert werden müssen." -sg-
Michael Wendenburg, Sevilla (www.wendenburg.net)
Contact Software, Bremen, Tel. 0421/20153-0, www.contact-software.com