Interview mit Jörg Rommelfanger, ABB

Die Automatisierung ist im Mittelstand angekommen

Die Anzahl an Robotern in der Industrie hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. In welche Richtung die derzeitige Entwicklung geht, wie Unternehmen den Einstieg in die Robotik bewältigen können und wohin der Weg in Zukunft geht, darüber sprach Andreas Mühlbauer mit Jörg Rommelfanger, Leiter der Robotics-Division von ABB in Deutschland.

Jörg Rommelfanger, Leiter der Robotics-Division von ABB in Deutschland. © ABB

Herr Rommelfanger, das ABB-Portfolio an Robotern ist ja sehr umfangreich – es reicht von Industrierobotern über Cobots bis hin zu autonomen mobilen Robotern. Wo sind denn die Wachstumsraten derzeit am höchsten und welches sind zurzeit die Schwerpunkte der Weiterentwicklung?

Das stärkste Wachstum verzeichnen wir in der allgemeinen Industrie sowie bei KMU. Eine bedeutende Rolle spielen hier kleine, erschwingliche und nutzerfreundliche Roboter wie Cobots. Unsere Roboter können direkt neben Menschen arbeiten, Aufgaben teilen und mithilfe von Machine Vision und KI lernen, was die intelligente Automatisierung erleichtert. Darüber hinaus erwarten wir den nächsten Wachstumsschub an der Schnittstelle zum Endkonsumenten, etwa in Restaurants und im Einzelhandel. Wir erweitern und optimieren stetig sowohl Hardware als auch Software sowie die Integrationsfähigkeit unseres gesamten Portfolios – etwa mit Robotstudio in der Cloud oder neuen Cobots, die wir auf der automatica 2023 vorstellen werden. Wir entwickeln und integrieren flexible und skalierbare Automatisierungslösungen, die Kunden eine nachhaltige Fertigung sowie den Übergang zur Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Daneben ist der Fachkräftemangel eine Herausforderung. Um diesem entgegenzuwirken, müssen Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Mitarbeitende neu geschult werden. In Schulen und Hochschulen ist die Vermittlung zusätzlicher Kenntnisse erforderlich, um die notwendigen Fähigkeiten zur Programmierung, Bedienung und Wartung von Robotern für eine automatisierte Zukunft auszubilden. Hierzu haben wir kürzlich eine neue Lösung vorgestellt, die ebenfalls auf der kommenden automatica zu sehen sein wird.

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Das Thema Nachhaltigkeit ist in den meisten Industriebereichen angekommen und wird dort künftig eine vorrangige Rolle spielen, die auch die Produktion verändern wird. Welchen Stellenwert haben Roboter dabei und was bedeutet das für ABB Robotics?

Sowohl Robotikhersteller als auch -betreiber spielen eine wichtige Rolle für mehr Nachhaltigkeit. Effizienzsteigerungen und Verfahrensinnovationen sind hier wichtige Treiber, die ABB mit seinen umfassenden Robotik- und AMR-Lösungen unterstützt. Sie haben einen direkten Einfluss auf die Nachhaltigkeit, etwa durch den Energieverbrauch sowie direkte Emissionen. ABB unterstützt bei der Verbesserung der Nachhaltigkeit durch die Vernetzung von Anlagen und Maschinen, durch datengestützte Echtzeit-Entscheidungen, Produktinnovationen oder Partnerschaften. Dank energiesparender regenerativer Technologie und Bremsenergierückgewinnung verbrauchen unsere Roboter etwa bis zu 20 % weniger Energie. Damit verringern Unternehmen ihren Energieverbrauch und verbessern den ökologischen Fußabdruck. Ein weiteres Beispiel ist unser Wiederaufbereitungsprogramm, mit dem wir stillgelegte oder gebrauchte Roboter zurückkaufen, aufbereiten und ihnen ein zweites Leben schenken. Und auch bei der sehr energieintensiven Autolackierung haben wir mit Pixelpaint eine Lösung, die nicht nur individuelle Designs ermöglicht, sondern 100 % des Lacks auf die Karosserieoberfläche aufträgt – ohne Verschwendung.

Der Swifti CRB 1100 gehört zu den Cobots im ABB-Portfolio. © ABB

Im besten Fall gehen Automatisierung und Nachhaltigkeit miteinander einher. Hier sind Flexibilität und Skalierbarkeit sehr wichtig, um jeder Art von Unternehmen und deren Zukunftsplanung gerecht zu werden. Welche Anforderungen haben Ihre Kunden da an Sie?

Unsere Kunden wünschen sich Roboter, die sich schnell und einfach integrieren lassen. Zudem sollen sie die Komplexität von Betriebsabläufen, die eine hohe Präzision und Wiederholgenauigkeit erfordern, reduzieren. Hier sind wir schon sehr weit: Viele unserer Roboter erfordern keinerlei Vorkenntnisse oder besondere Schulung. So lassen sich unsere Cobots direkt nach dem Auspacken installieren, in Betrieb nehmen und – wie ein Tablet oder Smartphone – einfach programmieren. Mithilfe unserer intuitiven Software Wizard Easy Programming kann jeder auf einfache Weise Roboter programmieren, ohne eine einzige Programmzeile zu schreiben. Darüber hinaus können Unternehmen mit der Software Robotstudio den Zeit- und Kostenaufwand für physische Tests und Inbetriebnahmen reduzieren sowie Störungen vermeiden. Systemintegratoren und Ingenieurteams arbeiten dabei in Echtzeit zusammen, um robotergestützte Automatisierungslösungen zu planen, zu erstellen und zu optimieren.

Eine Branche, die zwar bisher schon sehr stark automatisiert war und auch bereits viele Roboter im Einsatz hat, verändert sich stärker als viele andere: Die Automobilindustrie macht sich auf den Weg zur Elektromobilität. Wie unterstützt ABB diesen Umbruch?

ABB ist führend in der Entwicklung von intelligenten Fertigungsverfahren und -technologien für die Automobilindustrie, die sich in einer der bedeutendsten Umbruchphasen befindet. Dieser Wandel wird dazu führen, dass mehr Roboter in Kombination mit anderen Technologien wie AMR und KI zum Einsatz kommen. Unsere Kunden profitieren bereits heute von unseren Automatisierungslösungen für die gesamte Wertschöpfungskette: Presse, Karosseriebau, Batterieproduktion, Antriebsstrang, Lackierung, Teileproduktion und Endmontage. Automatisierung schafft generell mehr Resilienz, Effizienz und Schnelligkeit. Daher ist kaum verwunderlich, dass die Nachfrage nach unseren Robotern für die Elektrofahrzeugproduktion steigt. Laut einer ABB-Umfrage sind 59 % der Befragten allerdings der Meinung, dass die Umstellung der Produktion rein auf Elektrofahrzeuge innerhalb der derzeitigen gesetzlichen Fristen nicht realisierbar sei.

Der kollaborative Roboter GoFa CRB 15000. © ABB

Für kleinere Unternehmen oder solche mit wenig Robotererfahrung ist es schwierig, einerseits einzuschätzen, wo und in welcher Form Roboterhilfe sinnvoll ist. Zudem können künftige Nutzer häufig nicht einschätzen, welche Hard- und Software für sie geeignet ist. Wie können Sie diesen Unternehmen helfen?

Die Automatisierung ist im deutschen Mittelstand angekommen, doch bieten die implementierten Maßnahmen vielerorts Luft nach oben. Ein hoher Produktmix, kleinere Losgrößen – für das zunehmend geforderte individuelle Massenprodukt gilt es, Skalierbarkeit und Flexibilität in allen Prozessen zu schaffen. ABB hat dabei für jeden Anwendungsfall die passende Lösung. Vor allem intuitiv bedienbar, schnell und unkompliziert müssen die Lösungen für KMU sein, um eine hohe Akzeptanz und schnelle Problemlösung zu erzielen. Neben persönlicher Beratung durch unsere Experten erhalten KMU auf der Online-Plattform automatisierung-mittelstand.de.abb.com Hilfestellung zur praktischen Umsetzung von Automatisierungslösungen und kollaborativer Robotik. Dort steht umfangreiches Informationsmaterial in Form von Blog-Artikeln und E-Books zur Verfügung. Ergänzt wird dies durch Webinare mit ABB-ExpertInnen zu verschiedenen Themen.

Was denken Sie, wohin sich die Paarung Roboter und künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren entwickeln wird? Sind autonome Roboter zu erwarten, die in manchen Bereichen Menschen ersetzen können?

KI macht Produktions- und Logistikprozesse effizienter, zuverlässiger, produktiver und vor allem flexibler. Zudem etablieren sich selbstlernende Roboter zunehmend. Unser Konzept für die flexible Fertigung von morgen verbindet KI-gestützte Bildverarbeitung, Mobilität und modulare Zellen in einer einzigen Fabriksimulation. Wir ermöglichen die Umstellung von einer halb automatisierten Produktion auf eine flexible, voll automatisierte Produktion. Sämtliche Roboterzellen sind mit autonomen mobilen Robotern vernetzt, die per Software miteinander kommunizieren und koordiniert werden. Unterm Strich ersetzen wir die heutigen linearen Produktionslinien durch vollständig flexible Netzwerke. Beispiele hierfür sind die neue KI-gestützte Navigationstechnologie Visual-SLAM (Visual Simultaneous Localization and Mapping), die AMR intelligente Entscheidungen in dynamischen und anspruchsvollen Umgebungen ermöglicht, oder der Robotic Item Picker, der als KI- und Vision-basierte Lösung in der Lage ist, Artikel in unstrukturierten Umgebungen genau zu erkennen und zu kommissionieren.

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