Lineartechnik
Elektrisch gewinnt
In Zeiten steigender Energiekosten spielt der Energieverbrauch bei der Wahl des Systems eine entscheidende Rolle. Viele Prozesse werden deshalb nicht mehr mit hydraulischen oder pneumatischen, sondern mit elektrischen Verstellsystemen bewältigt. Bei Diskussionen über unterschiedliche Aktorprinzipien gibt es oft Vorurteile, die sich aber als falsch herausstellen: „Bei genauerer Betrachtung der verschiedenen Antriebe könnte sich eine zuvor ausgeschlossene Lösung als echte Alternative herausstellen“, erläutert Mathias John. Allerdings gibt es bei der Systemauswahl auch Kriterien, die ein System ausschließen. So ist der Einsatz hydraulischer Systeme im Bereich der Lebensmittelindustrie genauso schwierig wie der Einsatz pneumatischer Systeme, wenn eine leise Arbeitsumgebung besonders wichtig ist. Es gibt jedoch kaum eine Anwendung, für die jedes der drei Stellantriebssysteme eingesetzt werden könnte. Ausschlusskriterien sind beispielsweise Umweltbedingungen, Verstellkräfte, Geschwindigkeit oder Verfügbarkeit des Energiemediums.
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Mathias John hat für seine Arbeit eine Versuchsumgebung entwickelt, die den Vergleich der verschiedenen Systeme im energetischen Bereich zulässt. Bei der Auswahl der Stellantriebe fiel die Wahl ausschließlich auf handelsübliche Systeme, die sich bei Kraft und Geschwindigkeit vergleichen lassen. Stellantriebe werden häufig für Anwendungen eingesetzt, bei denen sie eine veränderliche Last bewegen müssen. In dem Versuchsaufbau hat Mathias John eine typische industrielle Applikation simuliert, bei der eine wegabhängige Last bewegt werden musste, vergleichbar einer Klappenverstellung. Eine einfache Möglichkeit, solche Belastungen zu realisieren, ergibt sich durch die Verwendung von Gasfedern: Zum Einsatz kamen Federn mit einer Anschubkraft von 175 Newton und einer Ausschubkraft von 280 Newton nach 100 Millimetern Verstellweg.
Energetischer Vergleich
Als Hydraulikaggregat kam ein Modul von Bosch Rexroth zum Einsatz. Bei diesem Aggregat für Ausbildungszwecke handelt es sich um eine Zahnradpumpe mit einer Förderleistung von zwei Litern pro Minute. Angetrieben wird die Pumpe durch einen einphasigen Wechselstrommotor mit einer Leistung von 0,55 Kilowatt. Der erreichbare Nenndruck beläuft sich auf 50 bar. Der Tank fasst 2,8 Liter. Mit allen notwendigen Teilen entstanden für das Hydraulik-System Kosten in Höhe von 2.671 Euro. Die Komponenten der hydraulischen und pneumatischen Systeme ähneln sich stark. Für den pneumatischen Teil des Versuchsaufbaus wurde ein Kolbenkompressor des Typs Silent Master 50-8-9 W von Schneider Airsystems ausgewählt. Dieser Kompressor wird – wie das Hydraulikaggregat – vor allem für den Schulungs- oder Werkstatteinsatz genutzt. Die Motorleistung des Aggregates beträgt 0,34 Kilowatt. Der vom Hersteller angegebene Verdichtungsenddruck beträgt 8 bar. Zur Druckluftspeicherung dient ein Neun-Liter-Tank. Auch der Kolbenkompressor kann mit 230 Volt aus der Steckdose betrieben werden. Die Gesamtkosten für das pneumatische System betrugen 1.161 Euro. Den elektrischen Part übernahm der Linearantrieb LA12 von Linak. Mit einer bei der verwendeten Ausführung maximalen Verstellkraft von 300 Newton deckte dieser Antrieb den angestrebten Lastbereich optimal ab. Außerdem diente dieser Wert als Referenz für die Auswahl der Last, welche die Antriebe zu Versuchszwecken verstellen sollten. Kennzeichnend für diesen Antrieb ist, dass er von Werk aus mit derselben Spindellänge ausgeliefert wird, unabhängig davon, welchen Typ des LA12 der Kunde wählt. Die geforderte Hublänge wird mittels Endschaltern kundenspezifisch eingestellt. Somit ist es möglich, das Teilespektrum dieses Antriebs gering zu halten und dennoch eine Vielzahl an Ausführungen anbieten zu können. Dieser Vorteil schlägt sich im günstigen Preis dieses Antriebs nieder: Das elektrische System verursachte Kosten in Höhe von 480 Euro. Um den Antrieb über eine Steckdose zu betreiben, musste die 230-Volt-Wechselspannung in 24 Volt Gleichspannung transformiert werden. Das übernahm die Controlbox TR-EM-208-T-230.
Ergebnis: Vorteil für den elektrischen Aktuator
Ein großer Vorteil des elektrischen Aktuators besteht darin, dass sich die Leistungsaufnahme nach der Belastung richtet. Wird keine Last bewegt, wird lediglich ein vergleichbar geringer Trafo-Strom gezogen. Das Hydraulikaggregat bezieht durchgehend eine hohe elektrische Leistung. Die periodischen Schwankungen liegen darin begründet, dass beim Ausfahren des Zylinders das Gesamtvolumen im System vergrößert und die Pumpe entlastet wird. Das Pneumatikaggregat muss zunächst auf den Betriebsdruck hochpumpen. In dieser Zeit wird Leistung benötigt, es kann aber keine Arbeit verrichtet werden. Im Laufe des Zyklus wird der Tankdruck durch Luftentnahme absinken. Dies führt dazu, dass die Verstellkraft nicht konstant ist sondern absinkt, bis das Aggregat nachpumpt. Bei dem Versuch mussten die drei Systeme zwölf Zyklen mit 100 Millimetern Hub leisten. Der Energieverbrauch zeigt deutlich den Vorteil des elektrischen Aktuators. Der Versuch beweist, dass das elektrische System beim Energieverbrauch, bei Kosten und bei Einbaumaßen eindeutige Vorteile hat. Jedoch wird die Entscheidung für eines der Systeme immer von der Anwendung bestimmt. So war das Hydraulik-System in dem dargestellten Versuchsaufbau von der Kraftentwicklung eher unterfordert. Die Diplomarbeit macht deutlich, dass der elektrische Aktuator eine sehr energieeffiziente Alternative zu hydraulischen und pneumatischen Lösungen ist, da es möglich ist, für jede Applikation den Stellantrieb auszuwählen, der die benötigte Verstellkraft bietet. Somit kann gewährleistet werden, dass keine Energie bereitgestellt wird, die später nicht zum Einsatz kommt. Mathias John/pb