Solid Edge von Siemens

Mit CAD zum Sieg

Bei den gerade beendeten Weltmeisterschaften in Beaver Creek (USA) holte Tina Maze (Bild) zwei Gold- und eine Silbermedaille; Nachwuchshoffnung Viktoria Rebensburg gewann ebenfalls einmal Silber – beide fuhren auf Stöckli-Ski. Der Schweizer Hersteller gewann mit den meisten Medaillen zudem die Skimarken-WM. Im schweizerischen Malters warf Chefredakteur Hajo Stotz einen tiefen Blick in die Entwicklung und Produktion der WM-Ski-Schmiede.

Tina Maze holte auf Stöckli-Ski bei der WM Mitte Februar zweimal Gold und einmal Silber. Insgesamt führt der Hersteller mit zweimal Gold und drei weiteren Medaillen die Skimarken-WM in Beaver Creek (USA) an. (Bild: Stöckli)

Trockenen Fußes konnten vor 10.000 Jahren die Steinzeitmenschen noch von Holland nach England wandern – denn während der letzten Eiszeit waren enorme Wassermengen im Eis der Gletscher gebunden: Der Meeresspiegel lag bis zu 120 m tiefer und die Küstenlinien verliefen rund 600 km nördlicher als heute: Das sogenannte Doggerland umfasste große Teile der Nord- und Ostsee. Umso mehr Schnee und Eis bedeckten dafür die höhergelegenen Landmassen: Die skandinavischen und russischen Inlandgletscher waren mehr als 3.000 Meter dick.

Kein Wunder, dass in diesen schneereichen Regionen auch die ersten Ski erfunden wurden: Die ältesten bisher gefundenen Skifragmente stammen aus Nordwest-Russland und sind rund 10.000 Jahre alt. In Norwegen fand man eine 4.500 Jahre alte Felszeichnung, die einen Hasen jagenden Ski-Fahrer zeigt.

Kern des Skis: Pappel und Buche

Unsere Vorfahren verwendeten Gleitbretter aus gespaltenen und geglätteten Holzscheiten mit einer Länge von ein bis drei Metern. Im Norwegischen erinnert das Wort „Ski“ noch an seinen Ursprung: Übersetzt bedeutet es „Spaltenholz“.

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Bis heute ist Holz ein wichtiges Baumaterial. Zwar sind die Tage der reinen Holz-Skier längst gezählt. Der Schweizer Hersteller Stöckli baute 1957 die ersten Metall-Skier und entwickelte 1965 die ersten Compound- und Kunststoff-Skier. „Doch viele hochwertige Ski-Modelle haben immer noch einen Holzkern“, verrät Mathieu Fauve, Leiter Forschung und Entwicklung bei Stöckli. „Das ist zwar teurer, und Holz muss sehr sorgfältig verarbeitet werden, doch der Kern bestimmt wesentlich die späteren Eigenschaften der Ski, wie weich oder hart, wie spritzig oder laufruhig er ist.“ Mit Verstärkungen aus Glasfaser oder Metall können die Eigenschaften des Skis beeinflusst werden, etwa zur Erhöhung der Torsionssteifigkeit für mehr Eisgriffigkeit.

Fertigung von 50.000 Ski pro Jahr

Stöckli setzt auch Kunststoffkerne bei seinen Ski ein, doch bis heute bildet meist Pappel und Buche den Kern vieler Ski des Schweizer Herstellers. „Die Vorspannung und Elastizität der Ski muss über Jahre anhalten. Das geht immer noch am besten mit Holz.“

Die Geschichte des Skiherstellers begann in den 1930er-Jahren, als der leidenschaftliche Skifahrer Josef Stöckli begann, seine eigenen Ski aus massiver Esche zu bauen. Offenbar erfolgreich, denn 1935 gründete er die Skifabrik Stöckli AG. Damals gab es allein in der Schweiz über 30 Skihersteller.

Im Jahrzehnt des Alpinski-Fahrens in den Achtzigerjahren gingen insgesamt weltweit mehr als zehn Millionen Paar Ski pro Saison über den Ladentisch, geschätzte 200 Millionen Skifahrer gab es weltweit. Heute werden noch gut drei Millionen Ski verkauft, und in der Schweiz gibt es nur noch eine Skifabrik: Stöckli Outdoor Sports AG. Doch während das Gesamtvolumen des Skimarktes von 2000 bis 2014 deutlich abnahm, legte das Unternehmen in derselben Periode zu: von 25.000 auf 50.000 Paar, die heute von rund 35 Mitarbeitern produziert werden. Mathieu Fauve: „Von den Zykluszeiten her sind wir in den neun Pressen, welche die Ski durchlaufen, mit 1.000 Paar/Woche an der Kapazitätsgrenze angelangt.“

Präzise Verarbeitung durch Sandwich-Bau

Gleichzeitig ist an dem Produktionsstandort Malters im Schweizer Kanton Luzern, wo die Skier seit 1986 gebaut werden, immer noch viel Handarbeit gefragt. Stöckli fertigt ausschließlich im aufwändigen Sandwichbau – im Gegensatz zu den großen Mitbewerbern, die Skier für den Massenmarkt im Schalenbau produzieren. Beim Sandwichbau werden die einzelnen Schichten mit Kleber bestrichen und dann wie ein Sandwich in die Form gelegt. Durch Erhitzen werden die Teile letztendlich zusammengebacken.

Skier, die hochwertigen Ansprüchen gerecht werden sollen, zum Beispiel Renn-Ski, werden in Handarbeit hergestellt. (Stöckli/Siemens PLM)

Diese Bauweise ist sehr flexibel, die Stärke der verschiedenen Schichten kann hier einfach variiert werden, ebenso wie ihre Lage. Skier, die hochwertigen Ansprüchen gerecht werden sollen, zum Beispiel Renn-Ski, werden in Sandwich-Bauweise hergestellt, da sie die präziseste Verarbeitung gewährleistet und Prototypen einfacher individualisiert werden können als in der Schalenbauweise, die deutlich werkzeugorientierter ist.

Der Aufbau in Handarbeit erfolgt in einer der Skigeometrie entsprechenden Form. Begonnen wird der Aufbau mit dem Belag, den Kanten und einer Auflage für die Kanten. Danach wird ein Fasergelege aus Polyester, Karbon oder anderen Materialien – Untergurt – und nach Bedarf auch oft eine Aluminiumlegierung eingelegt. Anschließend folgt der Kern, je nach Konstruktion auch ein Kernabschluss seitlich, Seitenwangen und oberhalb des Kerns wieder Fasergelege (Obergurt) und nach Bedarf Versteifungsmaterialien. Den Abschluss bilden eine Deckfolie und die Skioberfläche. Das Ganze wird in der Form fixiert und mit Phenol-Harzen unter Hitze und Druck in einer Presse verklebt.

Individuelle Anpassung der Ski

„Momentan stellen wir 35 verschiedene Serienski-Modelle her“, erklärt Entwicklungsleiter Fauve. Auch alle Renn-Ski werden in Malters entwickelt und produziert, pro Saison sind das rund 1.700 Paar. Stöckli ist dabei in allen Weltcup-Disziplinen aktiv, also Slalom, Riesenslalom, Super G und Abfahrt. „Dazu kommt noch als relativ junge Sparte das Ski-Cross. Da haben wir uns weltweit zur Nummer 1 entwickelt“, so Entwicklungsleiter Mathieu Fauve.

Vor allem getrieben von den Rennbereichen werden ständig neue Ski entwickelt. Mathieu Fauve schätzt: „Pro Disziplin sind das vier, fünf neue Modelle pro Jahr. Dazu bekommt jeder unserer Top-Athlet zudem seine eigenen Modelle, die nochmals individuell angepasst sind.“

Mit Stöckli fahren beispielsweise die Slowenin Tina Maze, die Deutsche Victoria Rebensburg oder der US-Amerikaner Tim Jitloff im Riesenslalom regelmäßig auf Spitzenplätze. Tina Maze holte etwa bei den gerade beendeten Weltmeisterschaften in Beaver Creek (USA) mit Stöckli-Ski zwei Gold- und eine Silbermedaille; Nachwuchshoffnung Viktoria Rebensburg gewann ebenfalls einmal Silber. „Das sind ganz unterschiedliche Anforderungen, die solche Top-Athleten an ihre Skier haben“, weiß der Entwicklungsleiter, „eine Tina Maze fährt nicht wie eine Viktoria Rebensburg. Jeder Ski ist so individuell wie sein Fahrer. Und wenn wir während der Rennsaison die Skier für die Athleten optimieren, dann muss das sehr schnell gehen.“

Konstruktion mit Solid Edge

Mit Solid Edge entwickelte Stöckli einen wassergekühlten Keil, der eine genaue Temperierung der Skispitze beim Pressen ermöglicht. (Bild: Stöckli/ Siemens PLM)

Um diese ständigen Neuentwicklungen schnell umsetzen zu können, nutzt Stöckli seit Jahren die 3D-CAD-Lösung Solid Edge von Siemens PLM Software. Dazu Fauve: „Mit Solid Edge entwickeln wir die neuen Geometrien, also die Skiseitengeometrien und die Höhengeometrien der Ski-Kerne. Das zeichnen wir heute alles in Solid Edge.“

Vor der Einführung der CAD-Lösung arbeitete Stöckli mit Excel-Tabellen. „Damals benötigten wir zwei Tage, um einen Ski individuell anzupassen. Das ist viel zu lange. Mit Solid Edge dauert es heute kaum noch eine Stunde“, freut sich Mathieu Fauve.

Die Software von Siemens hilft, die Ski innerhalb kürzester Zeit dem Fahrstil, Können, der Größe und dem Gewicht der Fahrer anzupassen. „Wir können unseren Athleten innerhalb von 14 Tagen neue Ski zur Verfügung stellen“, erklärt er, „und daran hat Solid Edge erheblichen Anteil. Die Lösung ist schnell und präzise, aber dennoch sehr intuitiv in der Handhabung – besonders bei 3-D-Modellen.“

Gerhard Eimer, Geschäftsführer der Quadrix AG in Flawil und Vertriebspartner von Siemens PLM Software, betreut Stöckli seit der Einführung von Solid Edge und erinnert sich an die Umstellung: „Bis dahin wurden sämtliche Daten in einer Excel-Tabelle verwaltet und daraus die Geometrien generiert. Das war aufwändig und ineffizient. Mit der Einführung von Solid Edge konnten die Excel-Daten übernommen und direkt weiter verarbeitet werden.“

Bei der Software Solid Edge handelt es sich um ein vollständiges hybrides 2D-/3D-CAD-System. Mit Hilfe von Synchronous Technology können Anwender ihre Konstruktion beschleunigen, Änderungen schneller durchführen und importierte Daten besser wiederverwenden und somit Ihren Entwicklungsprozess optimieren.

Daten-Export aus Excel

Für Benutzer von Solid Edge steht eine umfassende Sammlung an Fertigungslösungen zur Verfügung, mit deren Hilfe in Solid Edge konstruierte Teile exakt und effizient gefertigt werden können.Solid Edge ist noch immer das einzige CAD-Programm, das Daten direkt aus Excel importieren kann. Einen weiteren Vorteil sieht Mathieu Fauve in der gesteigerten Präzision: „Ich muss heute nur noch die Radien eingeben und jeder Radius wird absolut präzise tangential durchfahren.“ Obwohl das CAD-Programm so leistungsfähig ist, ist es einfach zu bedienen. „Solid Edge ist schnell und bietet mehr, als wir jemals brauchen werden – und ist dennoch intuitiv zu bedienen“, fasst der Entwicklungsleiter zusammen. „Nach kurzer Einarbeitungszeit kann man mit diesem 3D-CAD-System produktiv arbeiten.“

Doch die Entwicklung der Ski findet nicht nur am CAD-System statt, Stöckli arbeitet auch eng mit Hochschulen und Forschungsinstituten wie den ETH Zürich und Lausanne oder dem SLF Davos zusammen. Hier werden in Feldversuchen, aber auch unter Einsatz von FEM-Lösungen wie Ansys, neue Entwicklungen erprobt. Fauve: „Dafür bilden die Files aus Solid Edge die Grundlage und gehen direkt in die Simulation ein. Umgekehrt fließen die Erkenntnisse, die wir aus diesen Versuchen gewinnen, wieder in das CAD ein.“

Stöckli-Ski seien beispielsweise dafür bekannt, sehr stabil zu sein – doch Stabilität bedeutete früher auch Gewicht. „Mit Hilfe von Solid Edge und der FEM-Entwicklung sind wir bei der Entwicklung der Schichten aber neue Wege gegangen und es ist uns gelungen, das Gewicht deutlich zu reduzieren und dennoch die Stabilität beizubehalten – das ist eigentlich die Quadratur des Kreises“, so Mathieu Fauve.

Direkt in die CNC-Maschine

Eine weitere erhebliche Optimierung konnte der Ski-Hersteller erzielen, seit er die Konstruktionsdaten aus Solid Edge direkt in den CNC-Maschinen verarbeiten kann. „Bis dahin mussten wir die Solid Edge-Daten in einem eigenständigen CAD/CAM-System nachprogrammieren. Aber seit zwei Jahren setzen wir neue CNC-Maschinen von Fill ein, die können die DXF-Files aus Solid Edge direkt einlesen. Das erspart uns ganz erheblich Zeit, da fällt jetzt ein kompletter Prozessschritt weg“, freut sich der Entwicklungsleiter. Das gleiche gilt für die CNC-Schleifmaschine von Kündig, mit der das Höhenprofil und der Kern geschliffen werden. Hier fließen ebenfalls die Daten aus Solid Edge direkt ein. Das hat neben Zeitersparnis auch zu höherer Genauigkeit geführt. „Und die ist extrem wichtig“, weiß Fauve, „denn die Athleten spüren bereits Abweichungen von einigen hundertstel Millimeter.“

Auch der Laie kann den Unterschied zwischen den verschieden dicken Schichten spüren. Als der Autor beim Rundgang einen Serien-Ski und einen Renn-Ski in die Hand gedrückt bekommt, mit der Aufforderung, sie durchzubiegen, ist der Unterschied selbst für den Nicht-Skifahrer sofort spürbar. Während sich der Serien-Ski mit etwas Kraftaufwand deutlich durchbiegen lässt, gibt der Renn-Ski kaum nach.

Das hat starke Einflüsse auf das Fahrverhalten: Ein weicher Ski ist drehfreudig und lässt sich im Tiefschnee oder auf weichen Pisten besser fahren. Ein harter Ski ist sehr spurtreu, eisgriffig und schnell. Zudem benötigen schwere und trainierte Fahrer mehr Vorspannung im Ski als leichte oder weniger trainierte Fahrer. „Doch diese harten und extrem schnellen Ski können auch Spitzenathleten nicht den ganzen Tag fahren“, sagt Experte Mathieu Fauve, „aber so eine Renn-Abfahrt dauert ja auch nur einige Minuten.“

Speziell in der Geometrie - speziell im Aufbau

Speziell entwickelte Spitzen sorgen dafür, dass der Druck sich gleichmäßig verteilt. So können die Ski auch eine schlechte Landung wegstecken. (Bild: Stöckli/ Siemens PLM)

Um auch für die Zukunft gut gerüstet zu sein, setzt die traditionsbewusste Firma, die immer noch in Familienbesitz ist, ganz auf Innovationen. Neben der Ski-Sparte hat Stöckli vor einigen Jahren begonnen, auch einen Fahrrad-Bereich aufzubauen. Mit der Verpflichtung von Jolanda Neff, dem Schweizer Stern am MTB-Himmel, ist das Stöckli-Pro-Team seit letztem Herbst auch dort an der Weltspitze angekommen. Und im Ski-Markt konnte man sich in den letzten Jahren sehr erfolgreich im Ski-Cross platzieren. Mathieu Fauve: „Seit der Olympiade 2010 in Vancouver, bei der wir zwei Goldmedaillen gewonnen haben, sind wir hier die Nummer 1. Die Anforderungen an Cross-Ski sind sehr speziell. Die Fahrer springen hoch und weit, die Landung ist nicht immer perfekt, der Ski muss große Kräfte aufnehmen. Die Steilwandkurven gibt es nur beim Cross. Anfangs hatten wir Riesenslalomski verwendet. Da hatten wir etliche Ausfälle, weil wir zu wenig Erfahrung hatten. Aber wir haben schnell gelernt.“

Beispielsweise drücken die Crosser am Start gegen ein kleines Gate. Dafür hat der Schweizer Hersteller in Solid Edge spezielle Spitzen entwickelt, damit sich der Druck optimal verteilt. Die Konstruktion wurde so angepasst, dass die Ski auch eine schlechte Landung wegstecken können. „Heute sind Cross-Ski keine Riesenslalom-Ski mehr“, erläutert Entwicklungsleiter Mathieu Fauve, „sondern haben eine spezielle Geometrie und Aufbau.“ Hajo Stotz

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