Intelligente Fabrik
Die datengetriebene Produktion
Wenn zwei technologische Welten aufeinanderprallen, erzeugt dies in der Regel Friktionen, kann aber im besten Falle auch zu neuen Lösungen führen, die deutlich mehr sind als die Summe der Teile. Diese Chance bietet sich derzeit im industriellen Internet of Things (IIoT). Es kommt darauf an, aus operativen Daten Informationen zu generieren, die für das gesamte Business nutzbar sind. Das ist mit den geeigneten Tools durchaus möglich, wie dieses Beispiel zeigt.
Die technische Entwicklung ist geprägt von der Konvergenz ehedem getrennter Anwendungen, die auch eine gänzlich neue organisatorische Ausrichtung erforderten. Waren etwa die IT und die Telekommunikation noch vor zwei Dekaden vollkommen autarke Bereiche mit eigenen Ökosystemen und Fachabteilungen, so hat das Zusammenwachsen neue Wege der Kommunikation eröffnet. Telefonieren ist heute integraler Bestandteil der Unternehmensnetze. Auch wenn die Vorzüge wie etwa die gemeinsame Verwaltung von Zugriffsrechten, neue Funktionalitäten oder offene Schnittstellen heute selbstverständlich sind, so hat der Prozess eine Reihe von Jahren gedauert.
In der Fertigung ist die Situation heute ähnlich. OT, die Operational Technology, führt in vielen produzierenden Unternehmen nach wie vor ein Eigenleben. Auch wenn die physikalischen Einrichtungen in der Fabrik wie numerisch gesteuerte Maschinen, Roboter, Sensoren etc. inzwischen weitgehend digitalisiert sind, so ist die Vernetzung eher begrenzt. Proprietäre Protokolle sind nach wie vor gang und gäbe, und die Verantwortung liegt in eigenen Fachbereichen.
In der IT, der Informationstechnologie, ist das vernetzte datenzentrische Computing auf Basis offener Schnittstellen die Regel. Sie schafft die Basis für die Verarbeitung, die Speicherung, den Austausch und die Sicherung aller Formen elektronischer Daten mit dem Ziel einer intelligenten Unternehmenssteuerung.
Verbesserung der Effektivität
Folgerichtig liegt die Aufgabe heute darin, die enormen Datenmengen aus der Fertigung zu erfassen, zu analysieren, zu speichern und für Folgeanwendungen intelligent bereitzustellen. Mehr noch: Es gilt, aus den gewonnenen Informationen unmittelbar Handlungen abzuleiten, um die Kontinuität des Produktionsprozesses sicherzustellen. Am besten, indem auftretende Probleme nicht nur schnell gelöst werden, sondern durch prädiktive Funktionen gar nicht erst entstehen.
Die Herausforderung liegt für alle produzierenden Unternehmen in der Steigerung der Effektivität der gesamten Anlage. Kennzahlen wie NEE (Net Equipment Effectiveness) oder OEE (Overall Equipment Effectiveness) sind wichtige Instrumente der Unternehmensführung. Um diese zu verbessern, bedarf es praxistauglicher Konzepte. Wichtige Maßnahmen sind etwa die Reduktion von Ausschuss, die Erhöhung der Geschwindigkeit von Produktionslinien, schnellere Umrüstungen sowie die Vermeidung von Stillständen. Diesen Zielen stehen die steigende Komplexität der Produktionsanlagen verbunden mit einem Mangel an geschultem Fachpersonal entgegen.
OT meets IT
Die Lösung liegt in der Implementierung einer datengetriebenen Produktion mit dem Ziel, Aktionen direkt an der Fertigungslinie auf Basis von Echtzeitdaten zu ermöglichen, das Produktionspersonal von banalen Überwachungsaufgaben zu entlasten, die Reaktionszeiten der Operatoren zu verkürzen sowie den Produktionsmitarbeitern Werkzeuge bereitzustellen, um den gesamten Prozess zu verbessern.
So logisch dies klingt, so schwierig ist die Umsetzung in der Praxis. Sie ist geprägt durch die Koexistenz unterschiedlichster Systeme, die limitierte Interaktion zwischen IT und Produktion, nicht vernetzte Anlagen und Geräte sowie fraktionierte Zuständigkeiten von Abteilungen. Mehr noch: Tatsächlich ist allein die Erfassung und Verwaltung der enormen Datenmengen alles andere als trivial. Maschinen, Sensoren und Geräte in der Fertigung erzeugen kontinuierlich Daten im Millisekundentakt und in unterschiedlichsten Formaten. Nur sind geeignete Datenbanken, die in der Lage sind, unlimitierte Datenmengen in unterschiedlichsten Formaten in Echtzeit zu verarbeiten, durchaus rar. Klassische SQL-Datenbanken bieten zwar den Vorteil einer komfortablen Programmierung und der Verfügbarkeit von ausgebildeten Fachleuten, leiden aber an der notwendigen Performance. Spezialisierte NoSQL-Datenbanken sind performancetechnisch besser geeignet, aber proprietär und deshalb wenig integrativ. In vielen Unternehmen findet sich deshalb eine Koexistenz mehrerer Datenbanken, verbunden mit der Redundanz der Verwaltung, Overhead, Dateninkonsistenz und weitere Schwierigkeiten.
Die geeignete Datenbank ist eine Grundvoraussetzung für die Implementierung der datengetriebenen Fertigung. Sie muss in der Lage sein, komplexe Zeitreihen in unterschiedlichsten Formaten mit hoher Skalierbarkeit zu erfassen, zu analysieren, sicher zu speichern und für Unternehmensanwendungen in Echtzeit bereitzustellen. Aber damit allein ist es nicht getan. Vielmehr kommt es darauf an, auf dieser Basis eine Infrastruktur zu entwickeln, die sowohl in Bezug auf die Funktionalität als auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit in der Lage ist, den gesamten Prozess zu verbessern.
Produzierende Unternehmen verfügen über eine Kernkompetenz im Bereich der Fertigung und der Vermarktung ihrer Produkte. Eine funktionale IT ist zwar Grundvoraussetzung, allerdings nicht notwendigerweise Element einer Strategie, die erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und das Personal erfordert. Tatsächlich bieten Cloud-Lösungen heute die Möglichkeit, selbst komplexe Prozesse zu ermöglichen, ohne in eigene IT-Infrastrukturen zu investieren. Damit sind Kosten kalkulierbar und die Verfügbarkeit garantiert.
Beispiel: Alpla, Fertiger von Kunststoffverpackungen
Wie eine Lösung vor dem Hintergrund dieser Prämissen aussehen kann, zeigt das Beispiel Alpla. Das Unternehmen ist ein weltweit agierender Fertiger von Kunststoffverpackungen von Getränken bis hin zu Kosmetikartikeln – mit rund 180 Fertigungsstandorten weltweit. Es ist offensichtlich, dass die Vorhaltung geschulten Personals für die Maintenance und das Troubleshooting vor Ort an jedem Fertigungsstandort kaum wirtschaftlich realisierbar ist. Dementsprechend wurde eine Lösung angestrebt, die in der Lage sein sollte, alle verfügbaren Produktionsdaten in Echtzeit dezentral zu erfassen, zu analysieren und im Falle eines Events entsprechende Maßnahmen zu generieren.
Die Alpla-Lösung beruht auf der CrateDB, einer hochskalierbaren und flexiblen Datenbank, der darauf aufsetzenden IoT Data Platform sowie einem zentralen Mission-Control-Center, in dem alle Datenströme zusammenlaufen und 24/7 überwacht werden. Hier wird der gesamte Prozess an allen Standorten transparent dargestellt und entsprechend der hinterlegten Regeln analysiert. Wird die Notwendigkeit eines Eingreifens in die Fertigung erkannt, erzeugt die Plattform automatisch entsprechende Benachrichtigungen an das Fertigungspersonal, verbunden mit Hinweisen für die Lösung des Problems.
Eingebunden in diesen Prozess sind Daten aus den unterschiedlichsten Quellen – von den Rohstofflagern über die Materialdosierung und die Fertigung bis hin zu der visuelllen Qualitätskontrolle und dem gesamten Zustand der Prozess- linie. Anstatt nun an jedem Standort einen Produktspezialisten vorhalten zu müssen, überwacht der Experte im Mission-Control-Center den Prozess aller Fabriken und erhält durch das System automatische Alerts. Das Personal vor Ort wird entsprechend automatisch informiert und mit Informationen zur Fehlerbehebung versorgt.
Das Beispiel zeigt, dass IT/OT-Convergence derzeit gänzlich neue Modelle der Unternehmensführung in der Produktion ermöglicht, um drängende Probleme wie Kostenreduktion, Mangel an lokalen Fachkräften oder Ausschuss zu reduzieren.
Jodok Schäffler, Head of IoT Data Platform bei Crate.io / ag