Robotik und IIoT

Dr. Stefan Pietschmann, Leiter Industrielle IoT-Lösungen, Telekom MMS / am,

Effizientes Roboter-Monitoring

Mikrochips sind fast überall verbaut – ob in Smartphones, Waschmaschinen oder Autos. Mit zunehmender Digitalisierung steigt der Bedarf an Halbleitern in allen Bereichen der Wirtschaft seit Jahren rasant. Da die Kapazitäten der Hersteller nicht adäquat wachsen, besteht ein Chipmangel, der sich mit der Corona-Krise und dem Krieg in der Ukraine weiter verschärfte. Halbleiterhersteller müssen ihre Produktionsprozesse entsprechend hocheffizient und mit maximalem Output gestalten.

Roboter in einer Halbleiterfabrik. Auf den Wafern in der Kassette sind die Strukturen der Chips zu erkennen. © Fabmatic

Um Produktionskapazitäten maximal auszuschöpfen, gilt es, Prozesse zu automatisieren. Unter den extremen Bedingungen der Chip-Herstellung in Reinräumen kommen deshalb verstärkt Robotik-Systeme zum Einsatz, die das menschliche Eingreifen in Produktion und Logistik weiter minimieren. Mit der zunehmenden Automatisierung fällt eine Vielzahl von Daten an, die es konsequent zu nutzen gilt. Denn mit der Analyse dieser Daten können Fragen beantwortet werden wie: Wo droht ein Maschinenausfall? Sind Wartungsarbeiten nötig? Laufen die automatisierten Prozesse ab wie geplant? Analytics-Plattformen schaffen hier Transparenz, stellen einen reibungslosen Betrieb sicher und helfen, Potenziale für Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen zu erkennen. Darüber hinaus kann damit die Basis für die Neu- und Weiterentwicklung von Produkten und für datengetriebene Geschäftsmodelle geschaffen werden.

Gängige Praxis ist der Einsatz von Analytics-Plattformen in der Industrie allerdings noch nicht: Laut FPT Deutschland wird durchschnittlich nur 1 % der in Produktionsunternehmen generierten Daten analysiert. Häufige Ursache ist der fehlende Überblick über die verschiedenen Datenformate, die je nach verwendeter Sensorik und eingesetzten Controllern in diversen Systemen (Silos) vorliegen. Das Potenzial von Data Analytics ist jedoch nicht zu unterschätzen: "Unternehmen, die ihre anfallenden Daten wertsteigernd nutzen, steigern ihre Einnahmen um bis zu 50 % und konnten dabei Produktionskosten um bis zu 45 % reduzieren", erläutert Frank Bignone, Head of Global Digital Transformation bei FPT.

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Analytics-Plattformen bilden die technische Infrastruktur, diese verschiedenen Datenformate zu verarbeiten und zu analysieren, damit aus dem Ist-Zustand konkrete Optimierungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Auch in der Halbleiterproduktion tragen datengetriebene Auswertungen dazu bei, Produktionsunterbrechungen zu vermeiden.

Ein Use Case aus der Praxis

Haben Unternehmen diesen Vorteil erkannt, stellt sich die Frage, welche Technologien am besten geeignet sind. So ging es auch dem Hersteller von autonomen Robotik-Systemen Fabmatics aus Dresden. Dessen komplexe Produkte zur Automatisierung von Handling-, Transport- und Lagerprozessen, etwa die Transportroboter der Hero-Fab-Reihe, generieren eine Vielzahl von Daten, die bisher nicht systematisch erfasst und ausgewertet wurden. Das Potenzial dieser Daten wollte Fabmatics nutzen, um die Überwachung von Logistik-Prozessen zu optimieren und seinen Kunden perspektivisch zusätzliche digitale Dienste anzubieten.

Der mobile Roboter Hero Fab auf dem Weg zu seiner nächsten Abholstation in der Fabrik. © Fabmatic

Gemeinsam mit dem Digitaldienstleister Telekom MMS, dem Robotik-Software-Unternehmen Wandelbots und dem IoT-Netzwerk Smart Systems Hub entwickelte Fabmatics einen Prototyp für eine Analytics-Plattform. Im Rahmen des Co-Innovationsformats Digital Product Factory (DPF) entstand in nur drei Monaten eine cloudbasierte Datenmanagement-Lösung, mit deren Hilfe Fabmatics-Kunden die Performance ihrer Roboter überwachen können.

Mit der IoT-Lösung auf Basis von Amazon Web Services (AWS) können anfallende Daten von Sensoren und Controllern trotz unterschiedlicher Formate analysiert, gespeichert und verarbeitet werden. Zeitreihendatenbanken ordnen dabei den erfassten Werten Zeitstempel zu, und Veränderungen können im Zeitverlauf aufgezeigt werden. Abweichungen vom Normalzustand werden signalisiert und können beispielsweise eine Wartung auslösen.

Nutzer können sich über das webbasierte Dashboard die Datenanalyse in unterschiedlichen Perspektiven graphisch darstellen lassen. Zudem dokumentiert die Plattform auch unkategorisierte Prozessdaten, um den Fertigungsprozess möglichst vollständig in Daten abbilden zu können. Es entsteht ein virtuelles Abbild der realen Produktion – ein digitaler Zwilling. Als Frontend-Technologie wurde Plotly Dash verwandt, sodass Data-Science- und Machine-Learning-Komponenten für Anwender leichter zugänglich sind.

Innerhalb des Expertenteams zeichnete Telekom MMS für die Umsetzung der Cloud-Architektur verantwortlich. Bei der Entwicklung kamen vorrangig Open-Source-Komponenten zum Einsatz, um die Plattform auch in Zukunft flexibel an neue Anforderungen anpassen zu können.

Mit der Datenmanagement-Plattform wird zukünftig Transparenz über alle Zustandsdaten der Handling- und Transport-Roboter von Fabmatics geschaffen. Die Erkennung von Anomalien dient als Basis für die Definition vorausschauender Wartungszyklen und beugt unvorhergesehenen Produktionsausfällen vor. Die erfolgreiche Entwicklung des Prototyps hat gezeigt, dass die technische Umsetzung von Analytics-Plattformen in verhältnismäßig kurzer Zeit möglich ist und Daten aus der Produktion praktisch nutzbar macht. Das geschaffene Minimal Viable Product (MVP) bietet Fabmatics zudem eine vielversprechende Möglichkeit, sein Portfolio um digitale Services im Bereich der Prozessoptimierung zu erweitern.

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 6/23

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