Gestalten für automatisierte Prozesse

Form und Funktion – ein Wechselspiel

Bauteile für automatisch zu montierende Produkte der Kleingerätetechnik werden zu einem großen Anteil in Form von Schüttgut ausgeliefert. Automatisierte Montagestationen benötigen die Teile aber in einer handhabungs- beziehungsweise montagegerechten Position und Orientierung. Die Teile müssen vereinzelt und geordnet werden. Der Teilefluss kann ausgehend vom Bunkern, Austragen, Ordnen und Weitergeben durch geschickte Gestaltung der Bauteile so unterstützt werden, dass prozessgünstige Eigenschaften entstehen oder deutlicher ausgeprägt werden. Es heißt ja auch, die Funktion und die gewünschten Eigenschaften bestimmen die Form der Einzelteile. Das soll an einigen ausgewählten Beispielen demonstriert werden. Man kann sehen, dass bereits kleine Veränderungen schon zu wirksamen Verbesserungen beim Handhaben führen können.

Bild 1: Verhaken von Teilen im Haufwerk durch geschlossene Kontur verhindert.

Chaos in der Kiste
Man soll ja eine einmal in der Produktion erreichte Ordnung erhalten. Doch vielfach ist der Transport in der Kiste kostengünstiger, auch wenn dann die Teile neu geordnet werden müssen. Werden diese aus dem Haufwerk zugeführt, sie befinden sich also in chaotischer Anordnung, dann dürfen sie keine Verhakungsstellen aufweisen, weil sich dann die Teile zu unentwirrbaren Knäuel zusammensetzen können. Gerade im Zuführbereich treten ohnehin schon die meisten ablaufbedingten Störungen auf. Wirrteile sind da nicht willkommen, auch wenn es brauchbare Entwirrgeräte gibt. Ein Beispiel wird in Bild 1 vorgestellt. Die Verriegelungsfunktion, die das Bauteil in einem Produkt zu erfüllen hat, bleibt auch dann erhalten, wenn die Geometrie wie gezeigt verändert wird, also eine geschlossene Kontur erhält

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Symmetrie oder Asymmetrie, das ist die Frage!
Symmetrie ist ein Phänomen, dass sich in Natur, Technik und Kunst bis hin zum Schmetterling und Ahornblatt beobachten lässt. Symmetrie und Asymmetrie sind aber beides Eigenschaften, die auch beim selbsttätigen Ordnen eine wichtige Rolle spielen. Hat das Bauteil Innenmerkmale, nach denen sie geordnet werden sollen, dann wird man die Asymmetrie verstärken, indem ein etwas leichter detektierbares Außenmerkmal zusätzlich angebracht wird. Muss das Werkstück wegen seiner Geometrie um mehrere Achsen gedreht werden, um in die Wunschorientierung zu kommen, dann ist die Abschwächung von Asymmetrie der richtige Schritt. Ein Beispiel zeigt das Bild 2. Formelemente hat man zur Symmetrie gebracht. Das kann auch bedingen, ein zweites Loch einzubringen, obwohl funktionell ein Loch genügen würde. Bei der Herstellung von Blechteilen fällt so etwas kaum ins Gewicht. Allerdings stellen derartige Veränderungen möglicherweise einen Eingriff in das Konstruktionsgefüge dar und sind nicht immer realisierbar, besonders bei schon voll entwickelten und eingeführten Produkten nicht.

Bewegen ohne Hindernisse
Der Weg der Bauteile von der Bereitstell- bis zur Montageposition kann kurz sein, aber auch in mehreren Schritten erfolgen. In jedem Fall hat das störungsfrei zu erfolgen und auch dafür kann man einiges tun. Zu unterstützen sind das freie beziehungsweise geführte Rollen und Gleiten der Teile, Das Bild 3 zeigt eine kleine Flachfeder (Durchmesser 36 Millimeter) aus einem mechanischen Räderwerk, die man rollfähig gemacht hat. Rollendes Zuführen in einer schmalen Rinne lässt sich leichter realisieren als das Gleiten auf drei abspreizenden Federstegen bis hin zur Position für das Montagewerkzeug.

Selbst an sich gut konstruierte Produkte leiden oft daran, dass man bezüglich Handhabung den Einzelteilen nur ungenügend Aufmerksamkeit geschenkt hat. Das führt dann zu nachträglichen Veränderungen, die meistens das Optimum verfehlen. Als Denkanstoß: Eine gleitende Zuführung auf Doppelschienen und mit Schwerkraftwirkung erfordert ausgeprägte Gleitflächen und keinen kegelartigen Schaft als Lauffläche, wie man in Bild 4 sehen kann.

In der veränderten Gestaltung sind geeignete Gleitflächen angelegt. Natürlich dürfen die Teile auch nicht kopflastig sein. Bei Teilen in Pilzform soll deshalb der Masseschwerpunkt möglichst tief liegen, damit eine Neigung sich beim Gleiten auf Schienen zu überschlagen unterdrückt wird. Auch dazu soll ein Beispiel folgen (Bild 5). Hier hat man bewusst das Formelement oberhalb der Gleitschiene hohl gepresst und damit den Schwerpunkt verschoben. Funktionsflächen dürfen übrigens nur im Ausnahmefall als Leitflächen vorgesehen werden, weil beim Zuführen mitunter Kratzspuren entstehen können, was die Funktion einschränken könnte.

An diesem Beispiel wird klar, dass man auch technologische Informationen über die Teilefertigung braucht, damit die Änderungsvorschläge auf fruchtbaren Boden fallen und umgesetzt werden können. Für die Feinabstimmung ist Teamarbeit die beste Lösung. Wichtige Fragestellungen sind:

  • Kann man die Einzelteile leicht in Magazinen unterbringen?
  • Dürfen sich die Einzelteile während der Zuführung gegenseitig berühren?
  • Wird automatisches Weitergeben durch ein gutes Standvermögen unterstützt?
  • Besitzen die Einzelteile definierte und sichere Griffstellen?
  • Ist eine visuelle Kontrolle auf Schäden oder Identität erforderlich?
  • Ist das automatisierte Orientieren zuverlässig vorhanden oder durch zusätzliche Merkmale erreichbar?

Zerlegen erleichtern
Reparatur- und Recyclingkonzepte nehmen immer mehr auch einen wichtigen Platz in der Produktionstechnik ein. Will oder muss man solche Arbeiten unterstützen, dann sind geeignete Formanpassungen erforderlich. Es gibt natürlich viele konstruktive Möglichkeiten, je nachdem ob eine zerstörungsfreie Demontage gewollt wird oder auch zerstörendes Zerlegen zulässig ist. Für den letzteren Fall wird in Bild 6 ein Ausführungsbeispiel gezeigt.

Die Gehäuseteile aus Kunststoff erhalten an der Trennstelle (Schweißnaht) eine Aussparung, an der ein Werkzeug gezielt angesetzt werden kann. Diese Funktion beeinflusst die Form. Es ist das Wechselspiel zwischen Form und Funktion. „Die Notwendigkeit schafft die Form“, was der abstrakte Maler W. W. Kandinsky (1866–1944) auch schon wusste.

Dr.-Ing. habil. Stefan Hesse

Literatur
Hesse, S.: Grundlagen der Handhabungstechnik, 3. Aufl. Hanser Verlag, München 2013

Hesse, S.: Montageatlas, Montage- und automatisierungsgerecht konstruieren. Technik Tabellen Verlag, Darmstadt 1994

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