Automatisierte Schliffbildkontrolle

Andreas Mühlbauer,

Qualitätsbewertung von Schliffoberflächen mithilfe von KI

Schleifen erfolgt häufig als letzter materialabtragender Fertigungsschritt bei dekorativen Oberflächen, weshalb eine zuverlässige Qualitätskontrolle essentiell ist.

Robotergeführtes Kamerasystem zur Bewertung dekorativer Schliffoberflächen. © IFW

In einem Forschungsprojekt entwickeln A&T Manufacturing , SHL und das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) hierzu eine bildbasierte Qualitätskontrolle mit Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI).

Hohes Potenzial durch KI-basierte Bewertung von geschliffenen Oberflächen

Neben der technischen Funktion des Oberflächenschliffs erfordern einige Anwendungen auch einen dekorativen Effekt des Schliffbildes. Typische Anwendungen sind Armaturen in Automobilen und Sichtprofile in Inneneinrichtungen. Eine zuverlässige Qualitätskontrolle ist essentiell, um den hohen Anforderungen an die Gleichmäßigkeit des Schliffbildes gerecht zu werden. Heutzutage erfolgt diese Bewertung häufig ohne Hilfsmittel durch eine manuelle Sichtprüfung des Fertigungspersonals. Damit geht jedoch das Defizit kostenintensiver und eintöniger Prüfvorgänge einher. Diesem Defizit wird mit einer automatisierten Qualitätsprüfung begegnet. In Zusammenarbeit entwickeln A&T Manufacturing, SHL und das IFW Hannover daher ein bilddatenbasiertes KI-System, welches eine automatische Qualitätskontrolle dekorativer Schliffbilder kontaktlos und innerhalb weniger Sekunden ermöglicht. Dabei erfolgt die Bilddatenaufnahme durch eine Industriekamera. Die Bilddaten werden durch einen KI-Algorithmus verarbeitet, welcher eine Bewertung der Oberflächentextur durchführt.

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Bild 1: Bildverarbeitungsprozess zur automatisierten Qualitätskontrolle geschliffener Oberflächen (oben) und Konfusionsmatrix des CNN (unten). © IFW

Bildverarbeitungsprozess mit KI für dekorative Schliffoberflächen              

Das KI-System bewertet die aufgenommenen Bilddaten anhand der vier Klassen „in Ordnung“ (i.O.), „nicht in Ordnung“ (n.i.O.), „Rohteil“ und „kein Bauteil“ (Bild 1). Die „i.O.“-Klasse gibt die geforderte Oberflächenqualität des dekorativen Bauteils wieder und die „n.i.O.“-Klasse zeigt an, dass die Oberfläche nicht den Anforderungen entspricht. Bei ungeschliffen Oberflächen, zum Beispiel aufgrund von falschen Parameterwerten für den Arbeitseingriff, detektiert das System die Klasse „Rohteil“. Wenn das Bauteil aufgrund von fehlerhafter Materialhandhabung nicht in der Werkstückaufnahme liegt, erkennt das System die Klasse „kein Bauteil“.

Für die Einteilung in die vier Klassen wird der Bildverarbeitungsprozess aus Bild 1 verwendet. Den Eingang des Systems bildet eine robotergeführte Industriekamera mit CMOS-Flächensensor, welche schrittweise Einzelbilder der Oberfläche aufnimmt. Bei den Bildaufnahmen wird durch ein bauteilnahes Flächenlicht eine konstante Beleuchtung realisiert, um somit die Robustheit des Systems gegenüber Störlicht aus der Umgebung zu steigern. Für die Bildverarbeitung wird ein Convolutional Neural Network (CNN) eingesetzt, welches relevante Merkmale aus den Grauwerten der Bilddaten extrahiert. Die Struktur dieser Netzwerke hat sich als besonders effektiv bei Bildverarbeitungsanwendungen erwiesen. Zur Einordnung der Einzelbilder in die vier Klassen wird ein CNN eingesetzt, welches jedes Bild individuell bewertet und als Ausgabe eine Klasseneinteilung speichert. Diese Einteilung wird durch einen vorherigen Trainingsprozess mit Bilddaten der Texturklassen ermöglicht. Da die Bauteile größer als der Bildaufnahmebereich sind, ist es notwendig, das Bauteil segmentweise aufzunehmen. Für die Qualitätsausgabe des Systems wird die Aufnahmeposition der Einzelbilder daher den einzelnen Bauteilsegmenten zugeordnet. Die Qualitätsklasse liegt somit für jedes aufgenommene Bauteilsegment vor.

Zur Evaluation des trainierten CNN wurde eine Konfusionsmatrix (Bild 1 unten) mit 100 zuvor unbekannten Testbildern erstellt. Die Matrix stellt graphisch dar, welche Klassen durch das CNN für die Testbilder vorhergesagt wurden und welche wahren Klassen vorliegen. Es wurden jeweils alle 25 Testbilder der Klassen „i.O“, „n.i.O.“ und „Rohteil“ korrekt vorhergesagt. Das CNN trifft somit für diese Klassen äußerst zuverlässige Vorhersagen und ist für die Unterscheidung dieser drei Klassen geeignet.

Von 25 Testbildern der Klasse „kein Bauteil“ wurden hingegen 13 Testbilder falsch zugeordnet. Das System kann daher nicht allein anhand der Bildmerkmale erkennen, wenn kein Bauteil im Aufnahmebereich vorliegt. Ursache hierfür ist, dass die Bildaufnahme in diesem Fall nicht fokussiert und die Beleuchtung unregelmäßig ist, sodass eine falsche Vorhersage begünstigt wird. Um die Zuverlässigkeit des Systems für diesen Fall zu steigern, wird zukünftig ein Abstandssensor am Roboterendeffektor integriert. Hiermit wird kontrolliert, ob tatsächlich ein Bauteil im Aufnahmebereich der Kamera vorhanden ist.

Zusammenfassung und Ausblick

Für die automatisierte Qualitätskontrolle dekorativer Schliffbilder wird ein robotergeführtes Kamerasystem mit Bildauswertung entwickelt. Der Auswertungsalgorithmus klassifiziert die Textur der Oberfläche dabei mithilfe von trainierten CNN. Die Ergebnisse zeigen, dass die Klassen „i.O.“, „n.i.O.“ und „Rohteil“ zuverlässig vorhergesagt werden. Zur Detektion der Klasse „kein Bauteil“ wird hingegen ein zusätzlicher Abstandssensor benötigt. Bisher berücksichtigt das entwickelte System nicht, dass vereinzelte Oberflächenkratzer zum Ausschuss des gesamten Bauteils führen können. Eine solche Kratzererkennung wird derzeit mit einem CNN für die Detektion von Objekten umgesetzt. Im Anschluss erfolgt die Einbindung des gesamten Bildverarbeitungssystems in eine industrielle Prozesskette zur Fertigung dekorativer Oberflächen.

Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena, Dr.-Ing. Heinrich Klemme, M.Sc. Jan Geggier, IFW Hannover

Das Forschungsprojekt „Adaptive Roboterschleifzelle zur Herstellung von Dekorschliffen auf komplex geformten Aluminiumprofilen“ wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) und wird von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ (AiF) betreut. A&T Manufacturing, SHL und das IFW bedanken sich für die finanzielle Unterstützung in diesem Projekt.

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