Konstruktionssoftware
Konstrukteur 4.0: Vernetzt und virtuell
Der digitale Wandel verändert die Arbeitswelt zunehmend: Dank Internet ist es möglich, von jedem Ort der Welt aus zu arbeiten. Viele menschliche Arbeitsschritte werden automatisierte Maschinen übernehmen können, die zentral gesteuert werden. Das hat Auswirkungen auf die Industrie: Vernetzung als Grundvoraussetzung für Industrie 4.0. Das verändert aber nicht nur das Engineering, die Verteilung und Nutzung von Informationen und den Umgang mit Daten, sondern auch die Anforderungen an verschiedene Berufsgruppen – zum Beispiel an den Konstrukteur, der im Fertigungsprozess eine maßgebliche Rolle spielt. Er wird künftig strategischer und vernetzter, aber auch kreativer arbeiten. Eine Veränderung, die viele Chancen birgt.
Bis 2019 werden weltweit bereits 75 Prozent der Industriebetriebe ihre Wertschöpfungskette durch digital vernetzte Prozesse und Objekte transformieren. So können sie ihre Reaktionszeit und Produktivität um bis zu 15 Prozent steigern, prognostiziert eine IDC-Studie, die von Dassault Systèmes in Auftrag gegeben wurde. Wer die Weichen jetzt nicht richtig stellt, wird von den Wettbewerbern abgehängt. Um das zu vermeiden, ist vor allem eine durchgängige Datenbasis notwendig. Über eine Plattform wie die 3DExperience-Plattform von Dassault Systèmes können Konstruktionsdaten unternehmens- und abteilungsübergreifend verwaltet werden. Damit Unternehmen ihre Effizienz und Produktivität aber tatsächlich steigern können, müssen veraltete Organisationsstrukturen aufgebrochen werden. Das bedeutet das Ende von Abteilungssilos und erfordert eine Änderung der Gewohnheiten und Einstellung der Mitarbeiter.
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Am Beispiel des Konstrukteurs, der bisher als Experte in seinem abgegrenzten Bereich tätig war, lässt sich sehr gut darstellen, wie sich der Arbeitsplatz nach und nach verändert. Natürlich wird er weiterhin einen Großteil seiner Arbeit auf einem Desktop-PC erledigen. Gravierend wird sich aber die Arbeitsweise im Konstruktionsablauf verändern: Cloud-Lösungen haben sich durchgesetzt. Gerade deshalb gewinnt die Vernetzung und Zusammenarbeit deutlich an Bedeutung – vor allem mit Kollegen an anderen Standorten in virtuellen Teams. Diese Flexibilität sollten Mitarbeiter nicht fürchten, denn auch sie haben einen Nutzen davon: Sie können überall dort arbeiten, wo Internet verfügbar ist. So können Familie und Beruf viel leichter vereinbart werden als bisher. Smart Devices können im Auto, zuhause, im Konferenzraum oder direkt an der Maschine oder sogar am Handgelenk genutzt werden – der Anwender ist absolut flexibel. Immer wieder werden die Projektteilnehmer aber auch in die virtuelle, firmeneigene Welt abtauchen können, um ihre Konstruktionen höchst realistisch erleben zu können. Via Engineering Networking werden sie Feedback der Endkunden erhalten, das in Echtzeit in ihre Entscheidungen einfließen kann.
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„Hierarchien funktionieren nicht mehr“
Andreas Barth, Managing Director EuroCentral bei Dassault Systèmes, erklärt, welche neuen Aufgaben und Arbeitsweisen durch die Digitalisierung auf Arbeitnehmer zukommt. Denn durch die Option zur Vernetzung kann der Arbeitsalltag nicht nur flexibler gestaltet werden, sondern erfordert auch mehr Verantwortung auf Arbeitnehmerebene.

Vernetzte Arbeit als Chance
Durch intelligente Vernetzung werden zudem Unternehmensgrenzen überwunden: Produkte werden von verschiedenen Akteuren kooperativ entworfen. Die Konstrukteure können alle, die am Prozess beteiligt sind, effektiv steuern – auch Lieferanten. Sie können den Kollegen dort zum Beispiel einen Ad-hoc-Zugang zu den relevanten Daten geben. Auf deren Basis kann der Konstrukteur beim Lieferanten ein Bauteil, das er später zuliefern soll, exakt so konstruieren, dass es in die gewünschte Umgebung, etwa die Baugruppe, passt. Er hat auch die Möglichkeit, einen Kommentar abzugeben, wenn er einen Entwurf nicht für sinnvoll hält. Produktentwicklungsprozesse werden dadurch vielseitiger und detailreicher.
Das heißt: Von der Definition der Anforderungen bis zum fertigen Produkt und sogar bis zur Vermarktung und zum Recycling – diese Schritte waren früher getrennt, werden jetzt aber von Anfang an ganzheitlich bedacht und geplant. Konstrukteure fragen heute nicht mehr: „Was will ich entwickeln?“, sondern „Wie will ich es entwickeln?“ Es steht also der Entwicklungsprozess im Fokus – er entscheidet über die Realisierung eines Produkts.
Dabei helfen virtuelle Tests dem Konstrukteur dabei, mit neuen Entwürfen zu experimentieren. Denn die Simulations-anwendung greift direkt auf die Konstruktionsdaten aus dem CAD-Programm zu und errechnet auf Knopfdruck, ob verschiedenste physikalische Eigenschaften wie Festigkeit, Wärmeleitung, Rheologie und vieles andere mehr einen sicheren Betrieb erlauben. Falls nicht, wird die Konstruktion so lange verändert, simuliert und erneut angepasst, bis die physikalischen Eigenschaften stimmen und eine für die Fertigung sinnvolle Konstruktion und Produktionsweise herauskommt.
Mehr Freiheiten durch neue Fertigungstechniken
Angst vor Rationalisierung muss der Konstrukteur trotz digitaler Transformation aber nicht haben. Denn er und sein profundes Fachwissen werden nicht überflüssig. Im Gegenteil: Es kommen neue Aufgaben hinzu, die mehr Verständnis für Prozesse, Systeme und die Kunden erfordern. Er muss sich weiterbilden und offen für neue Herausforderungen bleiben. Durch die enge Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen wird Kommunikation zunehmend wichtiger. Läuft diese reibungslos, eröffnet das ganz neue Freiheiten – es bleibt mehr Raum für Kreativität.
Diese Konstruktionsfreiheiten werden auch von neuen Fertigungstechniken wie der additiven Fertigung unterstützt. Lange stand hier das Rapid Prototyping, also die Herstellung von Design-Prototypen, im Vordergrund. Heute können Nutzer echte Teile aus dem Original-Werkstoff fertigen. Das Verfahren ermöglicht immer leichtere Bauteile, die absolut stabil sind und aus möglichst wenig Material konstruiert werden können. Software, die gute Geometrien entwickelt und das Verhalten unter Last berechnet, gibt es seit vielen Jahren. Dank 3D-Druck lassen sich jetzt aber auch komplexe und schwierige Geometrien realisieren. Dazu zählen beispielsweise Strukturen in Hohlkörpern, sogenannte Lattice-Strukturen. Deren Topologie kann zunehmend optimiert werden, da fast jede Geometrie mit dem 3D-Druck auch gefertigt werden kann.
Diese Teile mit verbesserten Eigenschaften – leichter, umfangreicher, integrierter – wären ohne die Verzahnung mit CAD- und Simulationswerkzeugen nicht möglich. Diese neue Art des Workflows und diese neue Technologie bieten enorme Vorteile: Die Konstruktionsphase verkürzt sich und Massenfertigung in Losgröße 1 ist möglich. Denn teure Prototypen und Fehlkonstruktionen gehören damit immer mehr der Vergangenheit an. Mehr noch: Ob sich eine Geometrie überhaupt fertigen lässt, muss den Konstrukteur nicht mehr kümmern, er kann sich ganz auf die Funktion des Teils konzentrieren, die durch neue Freiheiten in der Formgebung immer mehr optimiert werden kann. Denn mittlerweile sind auch organische Formen möglich, die sich an der Natur orientieren und optimal auf die Anforderungen der Konstruktion angepasst werden können. In einer Studie über die nächste Generation von Flugzeug-rümpfen untersuchten Forscher beispielsweise, ob das Skelett eines Schwans als Vorbild dienen könnte.
Neue Material-Möglichkeiten: Metall-Druck in der Serienproduktion
Auch beim Materialeinsatz eröffnen sich Konstrukteuren ganz neue Möglichkeiten: Lange wurde mit Polymeren im 3D-Druck gearbeitet. Heute lassen sich bereits leichte Konstruktionen mit Metall drucken. Hier gilt die Airbus-Tochter APWorks als Experte, die vor Kurzem eine Kooperation mit Dassault Systèmes eingegangen ist, um die additive Fertigung weiter voranzubringen – vor allem in der Serienproduktion der Luft- und Raumfahrt. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette soll ein neuer, virtueller Prozess alle Parameter digital validieren und speichern. So wird der gesamte Fertigungsprozess replizierbar und skalierbar. Das bedeutet für den Konstrukteur eine erhebliche Erleichterung: Konzeptionelle Entwürfe können optimiert und während jeder Phase virtuell validiert werden. Das vereinfacht auch die Einhaltung von Normen und Zertifizierungsstandards, denn die neue End-to-End-Lösung stellt eine zentrale Datenbank zur Verfügung, die standardisierte Parameter für vorgelagerte Prozesse wie Materialauswahl und Design und nachgelagerte wie Fertigung und Tests definiert. Wer in der additiven Fertigung 3D-Design mit Engineering und Simulation verbindet, kann Bauteile wesentlich optimieren.
Fakt ist also: Produktion und Arbeitswelt verändern sich rasant. Doch wenn Unternehmen und Mitarbeiter mit der Zeit gehen und sich für technologische Entwicklungen fit machen, müssen sie nicht um ihre Existenz bangen. Laut einer Modellrechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Sozialforschung (IAB) werden im Jahr 2030 in Deutschland qualifizierte Mitarbeiter in technischen Berufen fehlen. Die Chancen stehen demnach gut. cs