Zerspanen
Eine spritzige Lösung
Vor einiger Zeit noch setzte man bei Kolben auf HSS, Schnellarbeitsstahl, eine Gruppe legierter Werkzeugstähle, die sich durch große Härte, Anlassbeständigkeit und Verschleißfestigkeit sowie eine Warmfestigkeit bis 600 °C auszeichnen. Doch die Randbedingungen für deren Einsatz wurden innerhalb der Automobilindustrie geändert: Motoren müssen unter den härtesten Bedingungen einwandfrei funktionieren (beim Kaltstart bei minus 40 Grad bis zu schneller Autobahnfahrt bei heißen 190 Grad), und die Einspritzdrücke werden immer höher. Gleichzeitig sollen die Motoren immer sauberer und verbrauchsärmer, also grüner werden und dazu muss die Schaltgenauigkeit bei der Einspritzung verbessert werden. „Diese Schaltgenauigkeit des Ventils ist stark vom Temperaturausdehnungskoeffizienten des Materials abhängig, bei HSS betrug die Längenänderung fast 20 µm. Durch die Verwendung von Cermet konnte diese Längenänderung auf etwa 5 µm reduziert werden. Und das bei hoher Härte mit extrem guter Verschleißfestigkeit und hoher Formgenauigkeit,“ weiß Johannes Cappel, Leiter Vertrieb Präzisionsteile bei Schumag. Cermets (zusammengesetzt aus engl. ceramic und metal) sind Verbundwerkstoffe aus keramischen Werkstoffen in einer metallischen Matrix (Bindemittel). Sie zeichnen sich durch eine besonders hohe Härte und Verschleißfestigkeit aus.
Sich den Randbedingungen der Automobilindustrie anzupassen, ist Aufgabe Unternehmen wie Schumag. Seit mehr als 80 Jahren produzieren die Aachener qualitativ hochwertige, geschliffene Präzisionsteile im Durchmesserbereich von 0,3 bis 60 Millimeter nach Kundenzeichnung. Zum Großteil gehen die Teile an die Automobilindustrie. Zur Produktpalette im Bereich Automotive gehören unter anderem Kolben, Wellen, Stifte und Bolzen für Motormanagement, Automatikgetriebe, Dieseleinspritzpumpen und Common-Rail-Injektoren. In diesem Bereich beliefert Schumag namhafte Unternehmen wie Bosch, Continental-VDO, Caterpillar, Delphi Diesel Systems und Cummins-Scania. Als die Automobilindustrie vorgab, die Kolben nicht länger aus HSS, sondern aus Cermet herzustellen, haben sich die Aachener an Ceratizit gewandt. Die Unternehmen kannten sich schon länger, da die Luxemburger schon früher mit einem Schleifauftrag an Schumag herangetreten waren. „Wir wussten, dass Ceratizit Spezialist für derartige Werkstoffe und Teile ist“, so Cappel.
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Des Kolbens Kern
Die Unterschiede von Cermet zum herkömmlichem Hartmetall liegen vor allem in der Zusammensetzung und der speziellen Kornstruktur der Hartstoffpartikel. Die Hartstoffkomponenten bestehen im wesentlichen aus Titancarbonitriden mit hohem Stickstoffanteil und Zusatzkarbiden der Gruppe WC, Ta(Nb)C, Mo2C, VC. Typisch für Cermet ist die „Kern-Schale“-Struktur der harten Partikel. Eine Bindemetallphase aus Nickel oder Nickel/Kobalt garantiert die gewünschte Benetzung der Karbide und sorgt damit für einen stabilen Kornverbund und ergibt die notwendige Zähigkeit. Der wichtigste Hartstoff des Hartmetalls – Wolframkarbid – ist nicht als freies WC im Gefüge enthalten. Titancarbonitride besitzen hohe thermodynamische Stabilität und geringe Neigung mit Eisenwerkstoffen Verbindungen einzugehen. Diese Effekte sind auch von entsprechenden Beschichtungen bekannt. Wesentliche Vorteile der Rohlinge resultieren aus dieser Tatsache. Zu erwähnen sind vor allem die geringe Diffusionsneigung und das gute Reibungsverhalten. Die Vorteile bei der Verarbeitung liegen auf der Hand: Ihre hohe Oberflächengüte macht Schleifen nicht notwendig, ihr geringer Wärmeleitwert macht eine Trockenbearbeitung möglich, die hohe Warmfestigkeit sorgt für eine hohe Schnittgeschwindigkeit und eine reduzierte Bearbeitungszeit.
Alles Gründe für Cappel, gerne mit den Cermet-Rohlingen zu arbeiten. „Ventilkolben müssen präzisionsgeschliffen werden, damit sie die Einspritzung des Kraftstoffes exakt dosieren können. Momentan arbeiten Common-Rail Motoren mit einem Einspritzdruck von etwa 2000 Bar, bei den LKW sogar zwischen 2000 und 2500 Bar – Tendenz steigend. Der Injektor arbeitet im Millisekunden-Bereich, also muss der Kolben bei einer Drehzahl von 3600 U/min etwa 30 Mal pro Sekunde schalten. Je genauer ein Ventilkolben arbeitet, desto präziser ist die Einspritzung des Kraftstoffes. Je präziser die Einspritzung, desto genauer kann der Kraftstoff dosiert werden. Damit kann es bei gleichzeitig schonenderem Umgang mit dem Kraftstoff sogar zur Leistungssteigerung kommen.“ meint der Spezialist. Und ein weiterer Grund ist sicherlich auch die gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn aus Luxemburg: „Ceratizit ist ein Partner, der zuverlässig ist, die gewünschte hohe Qualität liefert und Liefertreue groß schreibt. Das Alleinstellungsmerkmal: Das Unternehmen ist in der Lage, Aufträge über sehr große Stückzahlen abzuwickeln. Wir reden hier beispielsweise über zehn Millionen Teile pro Jahr.“
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