Trennen + Verbinden

Von Bolzen, Stiften und „großen Köpfen“

Als überraschend vielseitige Verbindungsmethode erweist sich immer wieder die Einpresstechnik. Sie ermöglicht die prozesssichere Montage von Schrauben, Bolzen und Gewindestiften auf Dünnblechen und Polymerplatten. In vielen Fällen entpuppt sich das Einpressen auch als gute Alternative zur Schweißtechnik. SCOPE-Redakteur Michael Stöcker skizziert das Verfahren und beschreibt einige Einsatzbeispiele.
Die Big Head Befestiger lassen sich einbetten, eingießen, einpressen sowie an- und einkleben in Kunststoffe, Pressspanhölzern und Wellpappen.

Anfang der 1940er-Jahre befasste sich das amerikanische Unternehmen PEM mit dem Vorhaben, einen montagefreundlichen Einpressbefestiger zu entwickeln. Er sollte in und an dünnen Blechen und Kunststoff-Flächenteilen ein belastbares Gewinde für Schraubverbindungen zur Verfügung stellen. Das Vorhaben glückte. Während der Wirtschaftswunderjahre führte die breite Akzeptanz dieser Verbindungstechnik dann zur effizienten Massenproduktion einfacher Einpressbefestiger. Als schließlich immer mehr dünne (und leichte) Metallbleche eingesetzt wurden, stieg auch die Variantenvielfalt der Einpress-Elemente.

Die Technik beruht auf einer simplen Vorstellung: Ein Einpressbefestiger ist ein Bauteil mit oder ohne Gewinde, das in einen fließfähigen Werkstoff eingepresst wird, ihn im Lochungsbereich verdrängt und durch die Kaltverformung in einen Hinterstich im Schaftbereich fließen lässt. Eine Verzahnung oder spezielle Kopfform verhindert das Verdrehen des Befestigers, der eine Einheit mit dem Werkstück bildet.

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Diese mechanisch-umformtechnische Verbindungstechnik findet heute in fast allen Industriezweigen Anwendung. Die Luft- und Raumfahrtindustrie nutzt sie ebenso wie Maschinenbau, Telekommunikation und Apparatebau. Auch in der Baugruppen-Fertigung von Elektronik und Fahrzeugtechnik ist sie zuhause. Dabei kommen Einpressbefestiger meist dort zum Einsatz, wo hohe Ausdreh- und Anzugsmomente auf dünne Werkstoffe wirken, andere Befestigungsmethoden aber keine geeignete Lösung bieten. Doch auch in dickeren Blechen, in denen sich Gewinde eindrehen ließen, können Einpressbefestiger wirtschaftlicher sein.

Grundsätzlich punktet diese Verbindungstechnik in vielerlei Hinsicht. Es lassen sich damit belastbare Gewinde in Blechen ab 0,5 mm Dicke befestigen. Die Gewindeträger haben hohe Ausdreh- und Durchzugsmomente und können in einem parallelen Einpressvorgang montiert werden. Eine Nachbearbeitung der Bohrung – Ansenken, Entgraten etc. – ist unnötig. Die Rückseite des Blechs bleibt unbeschädigt; es gibt auch keine Aufwölbungen. Nachschneiden von Gewinden ist ebenfalls nicht erforderlich.

30.000 mit System

Zu den führenden Protagonisten der Einpresstechnik zählt hierzulande der Bereich Verbindungstechnik von KVT-Koenig. Die Gruppe hat ihren Stammsitz im schweizerischen Dietikon und liefert Verbindungselemente für Automobilbau, Luft- und Raumfahrt, Maschinen- und Anlagenbau, Elektronik, Energietechnik, Feinmechanik und Medizintechnik. Summa summarum führt das Unternehmen mehr als 30.000 Katalogartikel im Sortiment. Auf dem Gebiet der Einpresstechnik bietet es über die PEM-Einpressbefestiger hinaus Montageanlagen mit Zuführtechnik. Das Unternehmen sieht sich als Systemanbieter, der verbindungstechnische Komplettlösungen liefert.

Das Anwendungsspektrum der Einpresstechnik ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Viele neue Einpresslösungen wurden entwickelt. Darunter etwa ein Grobgewindebolzen, der aufwändige Schraubarbeiten obsolet macht. Clipse, Muttern und Schnellbefestiger aus Standardsortimenten lassen sich darauf aufstecken oder -drehen. Anders als bei ISO-Gewindebolzen können auf die PEM-Gewindebolzen nach dem Einpressen Oberflächen-Coatings aufgetragen werden – ohne dass die Funktion des Gewindes maßgeblich gestört wird. Der Grobgewindebolzen bietet (wie alle PEM-Einpressbefestiger) im Vergleich zu Schweißbolzen den Pluspunkt der sicheren, rationellen Montage. Er kann vor und nach dem Beschichten des Bauteils eingesetzt werden. Konstante Festigkeitswerte und hohe Positionsgenauigkeit sind weitere positive Merkmale. Die PEM-Grobgewindebolzen bestehen aus verzinktem Stahl in Gewindegröße M5 und sind in Längen von 15,2 und 17,5 mm lieferbar (Varianten auf Anfrage).

Dem Leichtbau-Trend zu verdanken ist die Entwicklung spezieller Einpress-Gewindebolzen mit Zentrieransatz, der ein Verkanten beim Aufschrauben der Mutter verhindert. Daraus ergibt sich die Chance, kürzere Längen einzusetzen. Das spart Gewicht und Bauraum. Zum Einsatz kommen die Bolzen etwa im Automobilbau (Sitzverstellungen, Armlehnen, Airbags u.a.).

In Elektrotechnik und Elektronik bewährt haben sich Einpress-Schnellverschlussschrauben mit Zentrieransatz für die Frontplattenbefestigung. Diese Montageelemente für Schaltschränke müssen der Spezifikation ATCA PICMG 3,0 folgen. Auch dafür bietet KVT-Koenig geeignete Lösungen. Ebenso schnell wie prozesssicher erfolgt die Montage beispielweise mit dem Positionierpin TPXS-3mm-16. Passend zu diesem Führungsstift gibt es unverlierbare Verschlussschrauben. Pins und Schrauben können im Bereich der Advanced Telecom Computing Architecture eingesetzt werden sowie in Produkten, die nach Micro TCA, Advanced MC oder Compact PCI spezifiziert sind.

„Große Köpfe“

Relativ jung im Programm des Unternehmens sind sogenannte Big Head Befestiger. Diese Gewindebolzen, Gewindebuchsen, Stifte, Nägel und Muttern mit Grundplatte eignen sich zum Einbetten, Eingießen, Einpressen sowie An- und Einkleben bei vielen Kunststoffen, aber auch Pressspanhölzern, Dreifachwellpappen und ähnlichem. Bohren erübrigt sich. Das spart Zeit und Festigkeitsverluste im Werkstück. Einsetzbar sind diese Befestiger in Fahrzeug- und Schiffsbau, Möbelindustrie und Maschinenbau. Alle genannten Beispiele sind nur ein Ausschnitt aus der großen Anwendungsvielfalt dieser Verbindungstechnik.

Man darf gespannt sein, welche Einpresslösungen in Zukunft noch aus Illerrieden, dem deutschen Standort der KVT-Group, kommen. Michael Stöcker

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