Spanntechnik

Daniel Schilling,

Koenigs Disziplin

Spanntechnik von AMF pulverisiert Fertigungszeiten beim weltweit ältesten Druckmaschi­nenhersteller Koenig & Bauer in Würzburg.

Mit Flexibilität beim Spannen und Zerspanen bewältigen AMF und Koenig & Bauer gemeinsam die Vielfalt der Werkstücke für die erfolgreichen Bogenoffsetdruckmaschinen. © AMF

Mit Innovation und Disziplin ist es den Verantwortlichen der Großteilebearbeitung bei Koenig & Bauer Industrial gelungen, die Kompetenz in Würzburg zu konzentrieren und ein Abwandern nach Osteuropa zu verhin­dern. Die strategisch getätigten Investitionen in Würzburg tragen Früchte und pulverisieren frühere Fertigungszeiten. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die individuellen Spannlösungen von AMF. So werden die Herzstücke der Bogenoffsetmaschinen heute flexibel und prozesssicher in viel weniger Aufspannungen gefertigt, wie in der Vergan­genheit. Wo früher elf Mal gespannt wurde reichen heute nur drei Aufspannungen.

„Wir haben in den Jahren 2015 bis 2018 die Fertigung der Gestelle für die Bogenoffsetmaschinen praktisch komplett runderneuert“, be­richtet Jürgen Wiegand, von Koenig & Bauer Industrial in Würzburg. „Mit neuen Maschinen, Automatisierung und intelligenter Werk­stückspanntechnik haben wir die Fertigungszeiten drastisch gesenkt, die Produktivität erheblich verbessert und so Kompetenz und Arbeitsplätze in Würzburg gehalten“, freut sich der Vorarbeiter der Großteilfertigung beim ältesten Druckmaschinenhersteller der Welt. „Wir sind nun nicht nur schneller, sondern auch viel flexibler“, er­gänzt der verantwortliche Programmierer Klaus Künzig. Neben den DMG-Maschinen trägt vor allem die Spanntechnik der Andreas Maier GmbH & Co. KG aus Fellbach (AMF) zu Schnelligkeit und Flexibilität bei. Die Experten für Spanntechnik haben unter anderem sechs Pa­letten an zwei Bearbeitungszentren mit Aufspannplatten ausgerüs­tet. Was erst mal alltäglich und unspektakulär klingt ist im Detail höchst anspruchsvoll. Dazu steigen wir etwas tiefer ein.

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Bei Präzision wäre ein Bruchteil Haaresbreite viel zu ungenau

Wie oft ist die Druckmaschinenindustrie schon um Haaresbreite am Absturz vorbeigeschrammt? Und immer wieder behauptet sie sich. Denn Print lebt. Schließlich müssen nicht nur Geld und Wertpapiere gedruckt werden, sondern auch Verpackungen - und nicht zuletzt auch Fachzeitschriften und die vielen Werbebotschaften, die wir täg­lich aus unserem Briefkasten holen. Für all dies braucht es Bogen­offsetmaschinen, im besten Fall von Koenig & Bauer - mit über 200 Jahren Erfahrung eine der ersten Anlaufstellen weltweit. Und auch wenn wir manche gedruckte Botschaft achtlos zur Seite legen, so ist deren Herstellung dennoch ein Wunderwerk der Technik. Der Druckmaschinenbau gilt allgemein als Königsdisziplin und obendrein als Paradedisziplin des deutschen Maschinenbaus - immer noch. Trotz Internet und Digitalisierung. 

„Für das, was wir mechanisch fertigen, wäre Haaresbreite viel zu dick“, versichert Wiegand. Für die Herstellung der Herzstücke, der Boxen, wie die Gestelle intern heißen, die die Druckzylinder, Walzen und Trommeln sowie die Antriebe für die Farbwerke, die Lackwerke, Wendetrommeln oder sonstige Zusatzmodule wie beispielsweise für Prägungen aufnehmen, gelten Toleranzen von nur zehn Mikrometer (10 µm). Unsere Haare sind sieben Mal dicker. Komplette Gestelle oder deren Seitenteile aus Grauguss GG25 der eigenen Gießerei er­fordern eine Maßhaltigkeit und Passgenauigkeit bei Parallelität und Bohrbildern, die man sich bei solchen Großteilen nicht vorstellen kann. Denn die Anschlussflächen müssen exakt passen. Nur so brin­gen später die Druckzylinder für die vier Grundfarben, etliche Son­derfarben und Lacke passgenau das gewünscht Druckbild hervor.

Die Großteilefertigung wird in Würzburg konzentriert

Als 2015 die Großteilefertigung von Radebeul und aus Österreich bei der neu gegründeten Koenig & Bauer Industrial in Würzburg zu­sammengezogen wird, kommt auch eine DMC 210 aus Österreich an den Main – und AMF ins Spiel. Für das hauptzeitparallele Rüsten auf insgesamt drei Paletten fertigen die Fellbacher Spannexperten modulare Spannvorrichtungen und greifen bei den hydraulischen Spannelementen und der Nullpunktspanntechnik auf Ihr umfangrei­ches Standardportfolio zurück. Weil die Maschine über keine eigene Spannhydraulik verfügt, steuert AMF auch das Hydraulikaggregat aus dem umfangreichen Produktportfolio bei.

Die AMF-Lösungen haben die Verantwortlichen bei Koenig & Bauer schnell überzeugt, so dass weitere Maschinen und Bearbeitungs­stationen umgestellt werden. „Wir haben mit diesen Spann- und Vorrichtungslösungen die Maschine schnell an die Leistungs- und Kapazitätsgrenze gebracht, so dass wir inzwischen mit einer neuen Maschine planen“, resümiert Wiegand das erste Projekt der Zusammenarbeit. „Dieses erste Projekt ist sicherlich auch unter dem Aspekt des gegenseitigen Kennenlernens zu sehen“, bestätigt Erik Laubengeiger Verkaufsleiter Inland von AMF. „Und da wir hier überzeugt haben, folgten weitere Projekte.“

Erfolgreiches Erstprojekt fördert gegenseitiges Vertrauen

So ist eine DMC 340 U der Portalbaureihe inklusive 5-fach-Platten­wechsler mit rüstzeitminimierenden Spannlösungen von AMF ausge­stattet. Das umfasst flexible Aufspannvorrichtungen für vier Vari­anten von Bauteilen, die paarweise aufgespannt und bearbeitet werden. „Das sind die Seitenwände für die Auslage, die am Ende jeder Maschine beziehungsweise des Druckvorgangs die Papierbö­gen aufstapeln“, erklärt Wiegand.

Für die Fixierung der Gussteile in der ersten und zweiten Aufspan­nung sorgt eine Kombination aus hydraulischen Niederzugspannern, und anschwimmenden Unterstützungselementen damit eine perfekte Ebenheit der Teile gewährleistet werden kann. Nun wird die Guss­haut entfernt, die Kontur vorgefräst, werden Bohrungen und Gewinde eingebracht. „Darunter sind auch die Bohrungen für die Nullpunktspannbolzen, die für die dritte Aufspannung, die Werk­stück-Direktspannung, benötigt werden“, so Laubengeiger. Nach Freigabe der Bauteile vor dem Wenden entspannen sich die bear­beiteten Gussteile. Um 180° gewendet, nehmen jetzt die Null­punktspannmodule die eingeschraubten Spannbolzen auf und fixie­ren die Bauteile direkt, verzugsfrei und rundum zugänglich für eine Fünfseitenbearbeitung. Um die Kapazitäten des Plattenwechslers zu erweitern und die Flexibilität zu maximieren befinden sich auf Maschinenpaletten AMF-Nullpunktspannstationen, die einen schnel­len und präzisen Vorrichtungswechsel ermöglichen.

Mit Rüst- und Aufspannplänen Komplexität reduzieren

Der Clou ist jedoch die Flexibilität der Aufspannvorrichtungen. Auf einer Grundplatte sind zwei verschiebbare Aufbauplatten montiert. Hydraulische Abstützelemente, die nur abgesteckt sind, können einfach versetzt werden. So können die Vorrichtungen nicht nur zwei paarweise zusammengehörige Seitenteile aufnehmen, die sich nach dem Wenden fünfseitig bearbeiten lassen. Es können auch alle vier Varianten der Bauteile in den jeweiligen Bearbeitungszuständen aufgespannt werden. Damit die Werker bei dieser unvorstellbaren Komplexität noch den Überblick behalten, sind die für das jeweilige Bauteil passenden Positionen farbig codiert. „Das schafft uns die notwendige Sicherheit und sorgt für Schnelligkeit beim hauptzeit­parallelen Vorrüsten“, versichert Wiegand. Dazu gibt es für jedes Bauteil sowohl einen Aufspannplan als auch einen Rüstplan, die an der Maschine zur Verfügung stehen.

Weil sich vor allem die Nullpunktspanntechnik von AMF mit ihrer enormen Zeiteinsparung bestens bewährt, sind nachgelagerte Pro­zesse wie beispielsweise das manuelle Entgraten ebenso mit Null­punktspannmodulen ausgestattet. Ein entsprechend bestückter Scherenhubtisch nimmt die Bauteile schnell und sicher in Direkt­spannung auf und ermöglicht ergonomisches Arbeiten. In Summe haben intelligente Spannlösungen von AMF erheblich zur wirtschaft­lichen Herstellung der großen Gestellteile beigetragen und die Präzi­sion unterstützt.

Klimawandel im Finishing-Bereich

Derart bearbeitete Bauteile gelangen schließlich zum Finishing in einen klimatisierten Bereich. Dort passen sie sich über 24 Stunden an die konstanten 22° Celsius an, bevor sie auf einer hochpräzisen Dixi 270 U endbearbeitet und auf einer Zeiss Portalmessmaschine vermessen werden. „Jedes Teil, hundertprozentig“, betont Wiegand. Danach geht es ab zur Montage nach Radebeul. Mit Mut und Beharr­lichkeit haben die Verantwortlichen bei Koenig & Bauer Industrial gezeigt, dass sich Innovation und Disziplin gemeinsam mit intelli­genter Spanntechnik lohnen können. So bleiben Knowhow, Kompe­tenz und Arbeitsplätze in Würzburg.

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