Robert Schmitt im Interview

„Fundamentaler Wandel“

Die Integration der Qualitätssicherung (QS) in die Produktion ist für Professor Robert Schmitt mit Blick auf Industrie 4.0 von besonderer Bedeutung. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) sagt voraus, dass sich durch den fundamentalen Wandel der Digitalisierung die Geschäftsmodelle der Messgeräte- und Werkzeugmaschinenhersteller innerhalb der nächsten zehn Jahre nachhaltig verändern werden.

Professor Robert Schmitt, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ).

SCOPE: Herr Professor Schmitt, was bedeutet Industrie 4.0 für die Qualitätssicherung: Brauchen wir QS 4.0?

Prof. Robert Schmitt: Durch die Umwälzungen der Industrie 4.0 werden mehr Daten anfallen, die schneller miteinander verknüpft werden: Das Spiel wird schneller. Lebte das bisherige Qualitätsmanagement von sorgfältig begründeten Kausalketten, so führt morgen vermutlich die Korrelation zahlreicher, zunächst scheinbar nicht zusammenhängender Größen zu schnelleren QS-Maßnahmen. Industrie 4.0 wird das Qualitätsmanagement auf jeden Fall beschleunigen.

SCOPE: Welche Rolle spielen Qualitätsdaten, die in der Fabrik von morgen erzeugt werden?

Prof. Schmitt: Messgerätehersteller müssen sich überlegen, wer zukünftig der Herr über die Strukturen der Daten ist. Denn er bestimmt künftig das Geschäftsmodell. Und durch den fundamentalen Wandel der Digitalisierung, die besonders auch durch die Konsum-Elektronik getrieben wird, sind alle Anwender von Smartphones den bequemen Zugang auch zu komplexen Daten gewohnt. Sie wünschen sich einen vergleichbaren Bedienkomfort in der Werkstatt: Sie wollen Informationen auf einen Klick und eben nicht spezifische Geräte mit komplizierten Steuerungen bedienen. Ich wage daher zu bezweifeln, dass es in zehn Jahren noch die klassischen Bedienkonzepte und damit auch die Systeme für die computerunterstützte Qualitätssicherung (CAQ) geben wird. Schwer werden es dann auch Messgerätehersteller haben, die ihre Produkte nicht in die IT-Welt ihrer Kunden integrieren können. Die Botschaft lautet: Versteht das Geschäft und den Wert der Daten eurer Kunden!

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SCOPE: Wie können die verschiedenen Welten – also Shop Floor (Werkzeugmaschinenindustrie), Vernetzung (Web) sowie Hard- und Software (Messtechnik-Branche) – zusammenwachsen?

Prof. Schmitt: Das Besondere an Industrie 4. 0 ist das Erstellen von Modellen als Abbild der realen Welt als digitaler Schatten. Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Ein Hersteller, dessen Produkte scheinbar austauschbar sind, tut vielleicht gut daran, eine Datenschnittstelle zum Planungssystem seines Kunden zu haben. Automatisiertes Auflösen der Stückliste nach Plan, Zusammenführen der Teile, Vormontage, automatisiertes Prüfen nach automatisch generierten Prüfplänen, Logistik und Hilfestellung bei der Endmontage mittels App: Das ist keine Zukunftsmusik mehr. Findige Unternehmen haben es schon erfolgreich umgesetzt. Macht man das gut, verschwimmen die Grenzen zwischen physikalischer und virtueller Welt. Hier können Hersteller in der Zusammenarbeit mit dem Kunden höheren Nutzen schaffen. Erfolgreich werden daher langfristig die Messgerätehersteller sein, die sich mit ihren Produkten nahtlos in die Anforderungen und Modellwelten ihrer Kunden einfügen lassen.

SCOPE: Was raten Sie einem Hersteller von Werkzeug- oder Messmaschinen?

Prof. Schmitt: Orientieren Sie sich bei Ihren Maschinen und Geräten an der Systematik der RAMI 4.0, der neuen Referenzarchitektur für Industrie 4.0. Wenn es uns nicht gelingt, dadurch auch in der Normung schnell am Markt zu sein, werden eben andere Player wie Suchmaschinenanbieter das „Internet of Things“ maßgeblich beeinflussen. Denn diese verfügen dann über einen gigantischen Datenschatz, der sich vermarkten lässt – einzigartige Expertise ist dann für jeden erschwinglich und reproduzierbar. Mit Blick auf die zahlreichen Funktionen eines Smartphones wird bald tendenziell kaum jemand noch hohe Preise für messtechnische Hardware, sofern sie nicht gerade hochgradig spezifisch ist, akzeptieren. Was zählt, ist Funktionalität – und die kommt aus den Daten.

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