Handhabungstechnik
Lösungen aus der Schublade
Das Einlegen, Umsetzen, Entnehmen, Ablegen oder Montieren unterschiedlicher Bauteile sind typische Aufgaben in Kunststoff, Gummi oder Metall verarbeitenden Betrieben. Je schneller und (wiederhol)genauer das erfolgt, umso produktiver ist die Anlage und umso konstanter die Qualität. Daher werden in der modernen Serienfertigung mehr oder weniger komplexe, automatisierte Handlingsysteme eingesetzt.
Von Grund auf neu organisiert – das heißt standardisiert und skalierbar ausgeführt – hat der Handhabungstechnik-Hersteller Geku im niedersächsischen Diepenau die Automatisierungstechnik seiner Handling-Systeme. Die neue Plattform zur Steuerung von einer bis maximal 12 Positionierachsen ist das PC-basierte Motion-Control-System Simotion P von Siemens. Der innovative Ansatz dieses Systems liegt in der Aufhebung der historischen Trennung reiner Steuerungsaufgaben von Motion-Control- sowie Technologiefunktionen (zum Beispiel Druck- oder Temperaturregelung). Das bedeutet softwareseitig, dass das gesamte Engineering einer Maschine mit einem Werkzeug durchgeführt werden kann, von der Projektierung über die Parametrierung und Programmierung bis hin zu Test und Diagnose.
IPC als Hardwarebasis
Die Basisfunktionalität von Simotion P umfasst Befehle für Logik, Motion-Control-Funktionen, Programmsteuerung, Timer und I/O-Zugriffe. Sie lässt sich mit nachladbaren Technologiepaketen wie „Positionieren“, „Elektronisches Getriebe“, „Kurvenscheibe“ oder „Temperaturregler“ erweitern. Das Paket „Position“ zum Beispiel stellt alle Funktionen für präzise Positionierbewegungen, den zyklischen Soll- und Istwertaustausch mit dem Antrieb, die Lageregelung, die Berechnung des Bewegungsprofils, Referenzieren, Achsfreigaben sowie Statusinformationen zur Verfügung. Darüber hinaus können auf dem PC-basierten System auch grafische Bedienoberflächen und beliebige PC-Anwendungen laufen – beispielsweise Datenbanken oder Fernwartung.
Die Hardwarebasis bildet der kompakte, industrietaugliche PC Simotion P350, der für den Einsatz unter erhöhten Belastungen durch Temperaturen, Vibrationen, Schock sowie elektromagnetische Felder konzipiert wurde. Er wird einschaltfertig mit dem Betriebssystem Windows XP und Simotion-Ablaufsystem (Kernel) geliefert. Leistung beziehungsweise Größe von Prozessoren, Arbeits- und Festplattenspeicher entsprechen den jeweils aktuellen Industriestandards.
Neben den üblichen PC-Schnittstellen gibt es für Industrieanwendungen ein ISO-Profibus-Board mit taktsynchroner Profibus-DP-Schnittstelle, eine weitere (nicht taktsynchrone) MPI/Profibus- sowie eine Industrial-Ethernet-Schnittstelle (10/100 Megabit je Sekunde). Über die serielle Schnittstelle realisiert Geku auf Wunsch die Modem-Anbindung für Teleservice und -wartung. Serienmäßig an Bord ist auch ein Diskettenlaufwerk zur Datensicherung und Programmverwaltung.
Als Schnittstelle zum Bediener stehen verschiedene Panel-Fronten mit 12 oder 15 Zoll Bilddiagonale zur Auswahl – wahlweise mit Folientastatur oder Touchscreen. Sie lassen sich direkt mit dem PC verbunden oder auch von ihm abgesetzt einsetzen.
An diese Plattform bindet Geku über Profibus DP Achsantriebe, dezentrale Peripheriegeräte ET 200S für Sensorik und Aktorik oder auch Vision-Sensor-Systeme (Kameras) im Feld an. Bis zu 12 Positionierachsen sind möglich. Das System ist für je 1.000 Ein- und Ausgänge, bis zu 2.000 Verfahrsätze sowie den Anschluss von maximal vier über Profibus DP eingebundene Kamerasysteme im Endausbau ausgelegt. Als Antriebe verwenden die Niedersachsen durchgängig Umrichter der Baureihe Simodrive 611U und Drehstromservomotoren 1FT6/1FK7 von Siemens. Die Leistungs- und Geberanschlüsse dafür sind grundsätzlich steckbar ausgeführt, was den einfachen Austausch und den Einsatz eines Handlinggeräts an unterschiedlichen Maschinen erlaubt. Als Option lässt sich ein tragbares Simatic Mobile Panel 170 anschließen, das sämtliche Funktionalitäten für Maschinen nahe Bedienung (teachen, verfahren von Achsen, forcen von I/O) erfüllt.
Alle Tools unter einer Oberfläche
Um auf dieser Plattform einfache bis komplexe Applikationen realisieren zu können, entwickelten Geku und Siemens gemeinsam mit der Projektierungs- und Visualisierungssoftware Simatic ProTool/Pro eine Bedienoberfläche, die alle erforderlichen Engineering-Tools integriert. Damit stehen am Simotion-System alle für Projektierung, Inbetriebnahme, Diagnose und Wartung sämtlicher Komponenten benötigten Werkzeuge zentral zur Verfügung. Neben Step 7 und ProTool/Pro sind das die Projektierungswerkzeuge für das Simotion-System (Scout), die Antriebe (SimoCom U) und die Vision-Sensoren (Spectation). Das Basis-Engineering lässt sich für alle künftigen Anwendungen des Motion-Control-Systems verwenden, so dass man bei der Inbetriebnahme nur die tatsächlich eingesetzten Komponenten auswählen und parametrieren muss.
„Dabei ausschließlich vertraute, zudem noch weiter vereinheitlichte Werkzeuge einsetzen zu können“, so Geku-Vertriebsingenieur Jürgen Strank, „vereinfacht und verkürzt das Procedere natürlich deutlich.“ Auf durchschnittlich 15 bis 20 Prozent beziffert er die Zeiteinsparung gegenüber einer Lösung mit Hard- und/oder Software-Komponenten unterschiedlicher Hersteller. Insbesondere die Projektierung der Kommunikation sei mit heterogenen Systemen erheblich zeitaufwändiger. Vorteile ergeben sich auch bei Diagnose und Wartung beispielsweise dadurch, dass die System- und Alarmmeldungen sämtlicher Profibus-Teilnehmer zentral visualisiert und quittiert werden können.
„Alles in allem ist es uns in nur eineinhalb Jahren gemeinsam (mit Siemens) gelungen, ein sehr stabiles und anwenderfreundliches Automatisierungssystem für den internationalen Markt zu entwickeln,“ so Strank. Anwenderfreundlich bedeutet in dieser Hinsicht auch mehrsprachig, weshalb Geku die Möglichkeiten von ProTool/Pro genutzt und die etwa 50 Bildmasken der Bedienoberfläche in fünf online umschaltbaren Sprachen hinterlegt hat (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Tschechisch). Weitere, auch asiatische Bildsprachen, lassen sich bei Bedarf schnell erstellen.Holger Schürmann (Siemens A&D),
Jürgen Strank (Geku)