Handhabungstechnik

Greifer – Die unendliche Geschichte

Spezialgreifer lösen Handhabungsaufgaben
Bild 5: Kinematik des Nadelgreifers (Fipa) 1 Pneumatikzylinder, 2 Hubbegrenzung, 3 Nadelhalter, 4 Nadel, 5 Anschlag
Wer hat sie je gezählt, die Greiferkonstruktionen. Und immer wieder werden neue Greifer entwickelt. Zunehmendes Automatisieren erfordert Greiftechnik für bisher als zu schwierig gehaltene Anwendungen oder für neu entstandene technologische Prozesse. Was sich nicht greifen, ansaugen oder magnetisch halten lässt, kann in der Regel auch nicht mit dem Roboter automatisch im Raum bewegt werden. Die Palette der technischen Greiforgane ist deshalb umfassend gewachsen und reicht heute vom Greifer für landwirtschaftliche Produkte bis zum Greifer für kleinste Elektro-Komponenten, wie beispielsweise winzige Steckerstifte.

Mit spitzen Fingern

Je kleiner die Werkstücke, desto pinzettenartiger und feingliedriger müssen die Greifbacken sein, will man mechanisch zupacken. Wann hat eigentlich die Evolution den Pinzettengriff hervorgebracht? Waren es die Primaten, sie können es, oder gibt es ein Davor?

Die Hauptgriffarten fünffingriger Lebewesen werden in Bild 1 gezeigt. Gerade mit dem Fingerspitzengriff, der oft auch als Pinzettengriff bezeichnet wird, lassen sich dünne kleine Teile mit den Fingerkuppen recht präzise anfassen. Doch das konnte offenbar bereits ein kleiner vogelähnlicher Dinosaurier. Eine Rekonstruktion von Fossilien am Lamar State College in Orange (Texas) zeigte, dass der Saurier die äußeren beiden seiner drei Finger greiferartig benutzen konnte. Eine Überraschung. Er gilt vorläufig als Erfinder des Zweifinger-Spitzgriffes.

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Natürlich lassen sich viele weitere Griffarten angeben, die ganz sicher im Zusammenhang mit den Servicerobotern zum Zuge kommen werden, wie der tetradigitale Griff (Halten eines kleinen Balls mit vier Fingern) oder der pentadigitale Griff. Das aber ist ein Problembereich, mit dem sich die Griff-Forscher zu beschäftigen haben.

Was einst für das Anfassen von Raupen und Maden in der Tierwelt ein Highlight war, wird heute für das automatisierte Greifen dünner Nadeln und Pins benötigt. Herkömmliche Greifer scheitern, wenn es darum geht, mehrere Werkstücke parallel in sehr kleinen Abständen anzufassen und zu handhaben. Der in Bild 2 dargestellte Pinzettengreifer für die Elektronikbranche ermöglicht es. Es ist sogar ein Multi-Pinzettengreifer, denn er greift je nach Auslegung bis zu 30 Steckerstifte mit minimalem Durchmesser von 0,3 Millimeter gleichzeitig. Jedes Greifobjekt wird durch ein Extra-Klemmbackenpaar im Elektronik-Stichmaß von 1,27 Millimeter oder 2,54 Millimeter gehalten. Damit wirken sich Werkstücktoleranzen nicht auf die Greifkraft aus. Alle Teile werden mit gleichgroßer Kraft festgehalten. Der Antrieb des Greifers erfolgt pneumatisch mit doppeltwirkendem Zylinder (Nenndruck 3 bis 8 bar). Der patentierte Pinzettengreifer wird beispielsweise für das Bestücken von Leiterplatten oder von Elektroniksteckern mit Pins eingesetzt.

Mit Hakelei und Stichelei

Ein nicht alltäglicher Anwendungsfall ist das Greifen mehrerer Blechzuschnitte oder Blechformteile, die beim Greifen zusätzlich aneinandergepresst werden. Das geschieht durch Heranziehen der Teile gegen die Greiferunterseite. Beide Teile liegen dann dicht aufeinander und können in diesem Zustand beispielsweise einer Bearbeitungsmaschine vorgelegt werden. Die Finger tauchen vertikal ein, es folgt der innenseitige Griff und anschließend das Spannen in der Vertikalen. Damit das funktioniert, enden die Greiferfinger in Haken, wie es das Bild 3 zeigt. Die Greiferfinger werden durch ein Kulissengetriebe zwangsgesteuert und bewegen sich dadurch sowohl horizontal (6,3 Millimeter) nach außen als auch vertikal (zwölf Millimeter) nach oben. Winkelfehler können durch eine integrierte gelenkige Aufhängung der Finger ausgeglichen werden. Für ein solches Bewegungsmuster musste man sich einen neuartigen Antrieb ausdenken. Der Anbauflansch des Greifers ist nach der Norm ISO 9408-1 ausgeführt.

Hat man textile Gebilde zu greifen, wie Teppiche und andere Arten textiler Zuschnitte, wie beispielsweise Filz oder technische Textilien, Polystyrol, Schaumstoffteile oder Gaze, dann hilft das Anstechen mit gehärteten Nadeln, die im Winkel von 45 Grad ausfahren. Das Bild 4 zeigt einen Nadelgreifer, mit dem man zum Beispiel magazinierte Stoffscheiben von einem Stapeldorn abnehmen kann. Deshalb besitzt der pneumatisch angetriebene Greifer ein hohles Zentrum (Durchmesser 10 Millimeter), in das der Stapeldorn beim Greifen eintauchen kann. Damit erhält man auch eine exakte Positionierung des Greifers zum Werkstück. Die Eindringtiefe der Nadeln lässt sich je nach Textilstärke einstellen und zwar bis zu maximal drei Millimeter. Nadelgreifer werden unter anderem auch beim „Back-Injection-Moulding“ eingesetzt, um Stoffinserts in einem Spritzgießwerkzeug zu platzieren, damit sie anschließend hinterspritzt werden können. Das Verfahren wird beispielsweise im Automobilbau genutzt.

Das Bild 5 zeigt schließlich noch das kinematische Schema des beschriebenen Nadelgreifers. Die in Führungen laufenden vier Nadeln werden durch einen zentral angeordneten Pneumatikzylinder angetrieben. Für den Betriebsdruck gibt der Hersteller sechs bar an. Die Druckluft soll trocken und gefiltert sein.

Die richtige Wahl zwischen den Greifvarianten zu treffen, ist kein triviales Problem, weil viele Randbedingungen beachtet werden müssen. So werden kleine flächige Elektronikkomponenten vorzugsweise mit Vakuumpipetten angesaugt. Gefriergreifer kann man als Alternative zum Nadelgreifer sehen. Unterstützung für die Auswahl kann man von Computerprogrammen bekommen, die der eine oder andere Hersteller inzwischen zur Verfügung stellt. Stefan Hesse

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