MRK-Prozessplanung

Simulationen für optimale Prozesse

Forscher stellen Lösungsansätze für Prozessplanungen vor, die den wirtschaftlichen MRK-Einsatz nachhaltig stärken sollen.

Durch die am ZeMA in Saarbrücken entwickelte Methode zur Planung von MRK-Prozessen lassen sich Prozessabläufe in der Montage abschnittweise bezüglich ihrer Eignung für den Einsatz von Mensch oder Roboter bewerten. (Foto: ZeMA)

Die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) weckt seit der Einführung von Robotern, die ohne trennende Schutzeinrichtung mit dem Menschen zusammenarbeiten können, größte Aufmerksamkeit. Für die Planung hybrider Prozesse fehlen bislang umfassende Grundsätze. Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmen an Hochlohnstandorten ist vor dem Hintergrund globalisierter Märkte eine fortwährende Herausforderung. Höchste Qualitätsanforderungen, schnelle Reaktionsfähigkeit auf Marktveränderungen, Beherrschung von Variantenvielfalt sowie die Senkung der Herstellkosten sind wesentliche Strategien, um am Markt bestehen zu können. Die Montage weist gegenüber anderen Bereichen der Produktion – je nach Branche – bis heute einen hohen Anteil manueller Tätigkeiten auf.

Gegenwärtige Montagekonzepte verfolgen das Ziel der angepassten Automatisierung. Durch die Befähigung von Robotersystemen, mit dem Menschen kollaborativ zusammenzuarbeiten, ist in den vergangenen Jahren ein neuer Anwendungsbereich für Automatisierungstechnik entstanden. Die Entscheidung für oder wider einen automatisierten Prozess muss nicht mehr stationsweise sondern kann bis auf die Teilaufgaben heruntergebrochen entsprechend der spezifischen Fähigkeiten von Mensch beziehungsweise Roboter erfolgen. So lassen sich Aufgaben je nach Verfügbarkeit der Ressourcen bedarfsgerecht zuordnen und flexibel auf Veränderungen der Produktionssituation reagieren. Um Planern, die im Rahmen von Neuplanungen oder durch veränderte Randbedingungen vor der Herausforderung eines möglichst effizienten Ressourceneinsatzes stehen, eine zuverlässige Orientierung zu geben, werden zwei Ansätze des Zema und des IPS vorgestellt. Die Schwerpunkte liegen hier auf der Bewertung der Fähigkeiten der Ressourcen und der Ergonomie von MRK-Prozessen.

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Lösungsansatz Zema: Planungsmethodik
Durch die am Zema entwickelte Methode zur Planung von MRK-Prozessen können Abläufe in der Montage abschnittweise bezüglich ihrer Eignung für den Einsatz von Mensch oder Roboter bewertet werden. Zusammengesetzt können so verschiedene MRK-Formen entstehen. Die Methode beginnt mit einer Untergliederung der Montageprozesse in die jeweiligen Teilaufgaben. Je Aufgabe wird eine Bewertung auf der Basis der Fähigkeiten von Mensch und Roboter durchgeführt, ob diese Aufgabe durch den Menschen durchgeführt werden oder dem Roboter überlassen werden soll. Die Bewertung fußt auf Kriterien der Arbeitswirtschaft, der Ergonomie, des betrieblichen Gesundheitsschutzes, der Anforderungen an die Arbeitsumgebung und der Arbeitsorganisation. Ein Verfahren zur Analyse der ergonomischen Beanspruchung des Menschen wird derzeit am IPS ausgearbeitet und nachfolgend vorgestellt. Am Beispiel der Arbeitswirtschaft wird zunächst die Vorgehensweise der Methode geschildert. Um das Planungsverfahren zu vereinfachen, werden die Aufgaben jeweils in einem Simulator für manuelle Prozesse und einem Robotersimulator modelliert. Aus den Modellen werden unter korrekter Annahme von Bewegungs- oder Bahnparametern die zu erwartenden Ausführungszeiten bestimmt. Die ermittelten Zeiten führen auf Basis der jeweiligen Kostensätze zu einer wirtschaftlichen Bewertung. Die so ermittelten Daten werden im Rahmen des Gesamtbewertungsverfahrens miteinander verknüpft. So lässt sich etwa sicherstellen, dass eine automatisierte Aufgabe, die nicht den Sicherheitsanforderungen eines MRK-Prozesses genügt, keine weitergehende Berücksichtigung im Planungsverfahren findet. Die Methode wird am Zema im Rahmen der Montage von Flugzeugrümpfen validiert, da Montageprozesse zur Herstellung von Großbauteilen bis heute überwiegend manuell ausgeführt werden und die MRK in diesem Bereich ein großes Potenzial verspricht. Die Planungsmethode findet Eingang in einem softwaregestützten Planungstool, das gegenwärtig am Zema entwickelt wird.

Lösungsansatz IPS: Simulation des Arbeitssystems
Am IPS wird an einem robotergestützten Assistenzsystem für den Einsatz in Montagesystemen geforscht, das individuell an die Bedürfnisse des tätigen Mitarbeiters anpassbar ist. Planungstool zur Gestaltung des Assistenzsystems ist eine 3D-Simulation des Arbeitssystems. Der Einsatz von Assistenzrobotern bietet die Möglichkeit, den Automatisierungsgrad innerhalb eines Arbeitssystems flexibel anzupassen. Damit lässt sich auf vorherrschende physiologische Einschränkungen des Mitarbeiters reagieren, um muskuloskelettale Schädigungen zu vermeiden und Erkrankungen infolge dauerhafter Überbelastung am Arbeitsplatz vorzubeugen. Durch ein am IPS entwickeltes, skalierbares Menschmodell können vorherrschende Bewegungs- und Leistungseinschränkungen des Mitarbeiters bereits in einer frühen Phase der Planung bei der Gestaltung von Arbeitssystemen berücksichtigt werden. Hierfür werden individuelle, anthropometrische Daten des Mitarbeiters sowie die Bewegungsfähigkeit der Gelenke mittels optischem Motion-Capture-System aufgenommen, gespeichert und in das Modell überführt. Das in Größe und Bewegungsfähigkeit individualisierte Modell lässt innerhalb einer 3D-Simulation des Arbeitsplatzes die individuell möglichen Bewegungen eines Mitarbeiters realitätsnah abbilden und Aufschluss über die Arbeitsweise geben. Dies schafft die Voraussetzungen, um Körperhaltungen und Erreichbarkeitsanalysen in der Simulation mit hoher Genauigkeit vorherzusagen. Das Modell hat Analysefunktionen bezüglich des Seh- und Greifraums. Außerdem entwickelt das IPS ein Ergonomie-Plugin, das angelehnt an die Bewertung des Rapid Entire Body Assessment Screening-Verfahrens eine automatisierte Auswertung der ergonomischen Bedingungen darstellt. Auf diesen Informationen aufbauend kann der Planer Assistenzroboter in den Prozess integrieren und bereits in der Simulation die Aufteilung von Arbeitsinhalten programmieren, um Belastungen gezielt zu senken oder zu vermeiden.

O. Mailahn/L. Stankiewicz/J. Deuse/ R. Müller/pb


Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik

Kurz erklärt: Das ZeMA
Das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik ist ein Institut mit dem Ziel der anwendungsorientierten Forschung und industrienahen Entwicklung im Bereich Mechatronik und Automatisierungstechnik. Das ZeMA arbeitet mit Instituten und Lehrstühlen der Universität des Saarlandes (UdS) sowie mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW Saar) zusammen. Professoren der entsprechenden Fachgebiete, besonders der Mechatronik, betreuen die wissenschaftlichen Mitarbeiter. Somit ist sichergestellt, dass wissenschaftliches Potenzial, spezifisches Know-how und neueste Forschungsergebnisse synergetisch und nachhaltig in die Arbeiten des Mechatronikzentrums einfließen. www.zema.de


Institut für Produktionssysteme (IPS)

Kurz erklärt: Das IPS
Das Institut für Produktionssysteme (IPS) wurde als wissenschaftliche Einrichtung der Fakultät Maschinenbau an der Technischen Universität Dortmund gegründet und steht unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jochen Deuse. Am IPS arbeiten rund 40 Mitarbeiter, davon rund 30 Wissenschaftler aus den Disziplinen Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen, Logistik und Informatik. Schwerpunkte des IPS sind technische und sozio-technische Arbeitssysteme, aufgeteilt in die fünf Forschungsbereiche Arbeits- und Zeitstudium, Arbeitssystemgestaltung, Digitale Fabrik, Industrielle Robotik und Produktionsautomatisierung sowie Systems Engineering. Neben Forschung und Lehre bietet das IPS im Rahmen der industriellen Auftragsforschung auch Beratungen und Dienstleistungen. www.IPS.DO


Wissenschaftliche Gesellschaft für Montage, Handhabung und Industrierobotik e.V. (MHI e.V.)

Kurz erklärt: Der MHI e.V.
Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Montage, Handhabung und Industrierobotik e.V. (MHI e.V.) ist ein Netzwerk renommierter Universitätsprofessoren – Institutsleiter und Lehrstuhlinhaber – aus dem deutschsprachigen Raum. Die Mitglieder forschen sowohl grundlagenorientiert, als auch anwendungsnah in einem breiten Spektrum aktueller Themen aus dem Montage-, Handhabungs- und Industrierobotikbereich. Weitere Infos zur Gesellschaft, deren Mitgliedern und Aktivitäten: www.wgmhi.de

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