Cobots
Leih mir einen Arm
Industrieroboter arbeiten meist als eigenständige Gesamtmaschinen. In jüngster Zeit sind Cobots stark im Kommen. Nicht weniger spannend in Kooperation mit Menschen ist der Einsatz von Robotern im Zusammenspiel mit Produktions- und Verpackungsmaschinen. Es gibt keinen Königsweg, sondern drei verschiedene Möglichkeiten, einer Maschine einen Roboterarm zu leihen. Zur Anwendung passend richtig umgesetzt, können Maschinenbauer und Automatisierer einen echten Effizienzturbo zünden.
Immer komplexere Produkte in immer kleineren Losgrößen mit hoher Wirtschaftlichkeit zu produzieren, stellt ihre Hersteller und damit die Maschinen- und Anlagenbauer sowie Automatisierer vor enorme Herausforderungen. Die Produktionsanlagen sollen sich selbsttätig auf Produktwechsel einstellen. Dazu müssen sie zugleich produktiver und flexibler werden. Im Maschinen- und Produktionsanlagenbau galten jedoch maximale Produktivität und höchste Flexibilität lange Zeit als unvereinbar.
Als eines der Mittel zur Lösung dieses Konfliktes gelten Industrieroboter. Seit der Markteinführung des ersten elektrisch angetriebenen Sechsachs-Knickarmroboters vor beinahe 50 Jahren übernehmen Roboter Arbeiten, die für Menschen zu gefährlich, zu kompliziert, zu schwer, zu schmutzig oder zu eintönig sind. Seitdem lassen sich durch ihren Einsatz vor, zwischen und nach den einzelnen Maschinen auch komplexe Produktionsketten durchgängig und mit hoher Flexibilität automatisieren.
Roboter-Flexibilität in die Maschinen
Allerdings arbeiten Roboter bisher meist in eigenen Stationen, den umzäunten Roboterzellen. Dort bleiben sie allein oder unter sich. Es gibt jedoch auch in und um Fertigungs- oder Verpackungsmaschinen Aufgaben, für deren Bewältigung sich Roboter mit ihrer Kraft, ihrer Wiederholgenauigkeit und ihren sehr flexiblen Kinematiken anbieten. Deshalb ist der Wunsch naheliegend, die Vorteile der Robotik auch innerhalb einzelner Maschinen zu nutzen. Denn Roboter sind wesentlich anpassungsfähiger als die zuvor oft verwendeten Vorrichtungen, die meist als mechanische Sonderkonstruktionen für einen einzigen Verwendungszweck ausgeführt werden. Integriert in Maschinen, können Roboter Bearbeitungsschritte wie das Ein-, Aus- und Umspannen von Werkstücken zwischen einzelnen Bearbeitungsschritten übernehmen. Ebenso können sie in Verpackungs- oder Montageanlagen Teile zuführen und positionieren sowie diese entstapeln und palettieren. Die flexibleren Roboter lassen sich nicht nur einfacher den Produktionserfordernissen unterschiedlicher Produktvarianten anpassen, sie können auch für Funktionen herangezogen werden, die sich mit anderen Mitteln nur eingeschränkt oder überhaupt nicht realisieren ließen. Dazu gehört ein vollautomatisches Umrüsten der Maschinenkonfiguration samt Werkzeugbestückung für einen Chargen- oder Werkstückwechsel.
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Integration mit Hürden
Während Roboter in großen Produktionsstraßen in der Automobilindustrie seit Jahrzehnten zum Alltag gehören, sind sie als integraler Bestandteil von Maschinen bisher nur selten anzutreffen. Das hat durchaus nachvollziehbare Gründe. Industrieroboter sind als völlig eigenständige Systeme konzipiert. Deshalb verfügt jeder davon über eine eigene Steuerung. Die Kommunikation zwischen einer Maschinensteuerung und der Robotersteuerung erfolgt meist über – teilweise sogar hart verdrahtete – Schnittstellen. Das begrenzt die Möglichkeiten zur Synchronisierung der Bewegungsabläufe. Deshalb lassen sich nicht ohne Weiteres die Zykluszeiten erreichen, die von modernen Produktionsmaschinen erwartet werden.
Auch sonst ist der Aufwand zur Integration eines Roboters in Maschinen beträchtlich. Engineering, Diagnose und Wartung laufen über eigene, meist proprietäre Systeme. Sie erfolgen größtenteils mittels eigener Programmiersprachen. Deshalb sind für die Roboterprogrammierung Spezialkenntnisse erforderlich. Zudem lassen sich dadurch die Roboterprogramme nur schwer in die restliche Maschinenautomatisierung integrieren. Nicht zuletzt deshalb schrecken viele Maschinenbauer vor dem Thema Robotik zurück.
Als Alternative zur Integration eines Roboters als autarke Gesamtmaschine bietet sich die direkte Integration einer Roboterkinematik in die Maschinenautomatisierung an. Allerdings sind dabei einige Rahmenbedingungen zu beachten, die bei der Verwendung eines Industrieroboters als Einzelmaschine nicht relevant sind. Vor allem ist meist eine unbedingte Synchronität mit den oft sehr schnellen Bewegungsabläufen in der Maschine unabdingbar. Nur ein kompromissloses Echtzeitverhalten sowohl bezüglich der Bewegungsausführung als auch in der Datenkommunikation ermöglicht das Zusammenfassen vieler Teilaufgaben im Produktentstehungsprozess und damit einhergehend eine erhebliche Steigerung des Automatisierungsgrades einer Maschine.
Integration mit Drive
Es gibt mehrere Möglichkeiten zur direkten Integration der Roboterkinematik. Egal ob Sechsachs-Knickarm-, SCARA- oder Delta-Roboter: Die Motoren und Getriebe von Industrierobotern sind meist sehr sorgfältig auf deren mechanische Bewegungsachsen abgestimmt. Gleiches gilt für ihr Zusammenspiel mit den Antriebsreglern oder -steuerungen. In manchen Fällen sind diese noch dazu Sonderentwicklungen der Roboterhersteller. Schnelle Ergebnisse ohne roboterseitige Kompatibilitätsthemen verspricht daher die Integration der Roboterkinematik als mechatronische Einheit, also einschließlich der Servoverstärker und Antriebsregler. Dabei kann sich ein Maschinenbauer oder Automatisierer auf die Ablaufsteuerung konzentrieren, ohne sich um die Bahnsteuerung der Achsen kümmern zu müssen. Das ist immer dann von Vorteil, wenn die Maschinensteuerung einerseits die Integration der Antriebskomponenten des Roboters gut unterstützt, andererseits aber über keine eigenen Funktionen zur Steuerung der Roboterbewegung verfügt. Allein das Entfallen der separaten Robotersteuerung und des dafür oft erforderlichen eigenen Schaltschranks leistet einen wesentlichen Beitrag zur höheren Wirtschaftlichkeit der Gesamtmaschine.
Vollintegration steigert Produktivität
Am effektivsten sind Roboter als bloße elektromechanische Aggregate in Maschinen zu integrieren. Dabei nutzen Automatisierer nur die Kinematik samt der Motoren und Getriebe. Sie leihen der Maschine somit nur einen Roboter-Arm. Das verschiebt die Nahtstelle zwischen den traditionell getrennten Welten von Maschinenbau und Robotik noch weiter an die Peripherie. Die Ansteuerung der Roboterarme erfolgt in diesem Fall über Servoverstärker oder Antriebssteuerungen, die zur Gesamtsteuerung der Maschine passen. Dabei kann es sich um dieselben Antriebsregler handeln, die auch für die Ansteuerung aller anderen Bewegungsachsen in der Maschine Verwendung finden. Diese werden über denselben Systembus angesprochen wie alle anderen Peripheriebaugruppen.
Die für die Ansteuerung der Roboter-Achsen verwendeten Servoverstärker sind zudem meist mit integrierten Safety-Funktionen verfügbar. Diese nutzen in vielen Fällen über integrierte Safety-Protokolle dieselben internen Kommunikationsnetzwerke für sicherheitsgerichtete Reaktionen. Da sich die Roboterkinematik auf diese Weise nahtlos in die Sicherheitstechnik der Gesamtmaschine integrieren lässt, kann auch auf eine eigene Sicherheitssteuerung für den Roboter verzichtet werden. Diese Vereinheitlichung der Hardware bringt dem Maschinenanwender nicht nur Vorteile in Betrieb und Instandhaltung. Sie hat darüber hinaus den Vorteil, dass sämtliche Elemente der Steuerungstechnik – die Ablauf-, Bewegungs- und Sicherheitssteuerung – ein einheitliches, abgeschlossenes Gewerk bilden.
Am augenfälligsten ist der Nutzen im Bereich der Programmierung. Sofern die Maschinensteuerung entsprechende Funktionen für die Bahnplanung bereitstellt, besteht für die Entwickler der Maschinensoftware im Grunde kein Unterschied zwischen der Implementierung einer Einzelachse oder eines Roboters in einer Maschine. Dadurch lassen sich alle Aspekte, alle Module der Maschinensoftware in ein softwaretechnisches Gesamtwerk gießen. So besteht die Möglichkeit, die Maschine als Ganzes zu simulieren und das Zusammenspiel aller Gewerke am digitalen Zwilling zu testen, noch ehe in den Bau teurer Prototypen investiert wird. Diese tiefe Integration erleichtert zudem die exakte Synchronisierung zwischen Maschinen- und Roboterbewegungen. Durch die rasche Reaktion auf Sensorsignale im Mikrosekundenbereich kann der Roboter etwa in Bewegung befindliche Werkstücke ergreifen oder absetzen, ohne den Prozess zu verlangsamen oder gar anzuhalten. Der dadurch ermöglichte Methodenwechsel in der Werkstückmanipulation kann die Produktivität und Flexibilität einer Maschine enorm steigern.