Lasernachsetzverfahren
Wirtschaftliche
Schutzgitter
Neues Verfahren: Laser-Nachsetzschweißen.
Die Entwicklung eines komplett neuen Verfahrens zum Verschweißen von rotationssymmetrischen Komponenten mittels Lasertechnologie ermöglicht die absatzsynchrone Produktion von Schutzgittern für lüftungstechnische Anlagen. Die Technologieführerschaft liefert einen wirtschaftlichen Vorsprung.
Detaillierte Analyse zeigen, dass in der Lüftungstechnik die spezifischen Anforderungen von Applikationen im Grenzbereich des technisch und wirtschaftlich Machbaren mit Standardkomponenten oft nicht abzudecken sind. In der Folge entstehen eine Vielzahl von Typen und Varianten, die aus produktionstechnischer und logistischer Sicht nur schwer beherrschbar sind. Das Pforzheimer Steinbeis-Transferzentrum für Produktion & Organisation entwickelte gemeinsam und im Auftrag der Firma Stadtmüller aus Osterburken ein neues Verfahren, mit dem Schutzgitter und Motoraufhängungen für lüftungstechnische Anlagen auch in kleinsten Stückzahlen wirtschaftlich und vor allem nachfrageorientiert hergestellt werden können. Die Ergebnisse des mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmenprogramm „KMU-Innovativ: Produktionsforschung“ durchgeführten Technologieprojekts ermöglicht die Herstellung der Schutzgitter in einer drastisch reduzierten Durchlaufzeit, da die bisher vier erforderlichen Arbeitsfolgen auf einen Arbeitsgang reduziert werden können.
Themen im Artikel
Fertigung kleiner Serien bisher nur schwer möglich
Im weltweiten Vergleich stehen Unternehmen aus Deutschland in der Lüftungs- und Klimabranche in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit in der ersten Reihe. Diese Spitzenposition verdanken die Unternehmen vor allem ihrem technischen Know-how. Da lüftungs- und klimatechnische Anlagen hohe betriebsbedingte Kosten verursachen, ist die Ausnutzung aller technischen und physikalischen Möglichkeiten zur Optimierung der Leistungsdaten in Kombination mit einer Reduktion der Lärmemissionen eine der wesentlichen Anforderungen an bestehende und zukünftige Systeme. Da eine hohe Anzahl der eingesetzten Systeme einen applikationsspezifischen Charakter haben, bedeutet dies gleichzeitig ein starkes Ansteigen der Typen und Variantenvielzahl der benötigten Teilsysteme. Das Design und die geometrischen Abmessungen der Berührschutzgitter spielen bei der Energie- und Leistungseffizienz der Gesamtsysteme eine entscheidende Rolle. Die bisherigen zur Verfügung stehenden Fertigungs- und Montagetechnologien stehen einer wirtschaftlichen Herstellung von kleinen Serien bei kurzen Beschaffungszeiten entgegen, da sich der Herstellprozess nur mit einem hohen Aufwand an typspezifischen Vorrichtungen über mehrere Fertigungsstufen hinweg realisieren lässt.
Bei einem klassischen Schutzgitter wird dabei die Tragstruktur mit dem MAG-Verfahren verschweißt. Das eigentliche Berührschutzgitter – bestehend aus Drahtringen und Streben – wird ebenso wie das Verbinden der Tragstruktur mit dem Berührschutzgitter sehr effektiv mit dem Kondensator-Entladungsschweißen realisiert. In einem weiteren Verbindungsprozess werden dann, soweit gefordert, zusätzliche in axialer Richtung angeordnete Berührschutzringe mit dem Widerstandsschweißverfahren verbunden. Da beim Schweißen die einzelnen Komponenten zueinander in einer fest definierten Position gehalten werden müssen, wird pro Arbeitsgang eine spezifische Vorrichtung eingesetzt, die diese Haltefunktion übernimmt. Bei einer losweisen Abarbeitung der Aufträge ergeben sich somit hohe Rüstzeiten und bedingt durch die Anzahl der Arbeitsgänge eine entsprechend lange Durchlaufzeit.
Exakt angepasstes Gitter in nur einem Schritt
Die Projektpartner stellten sich der Herausforderung, dem Kunden ein qualitativ hochwertiges und exakt auf seine Bedürfnisse angepasstes Schutzgitter bei kurzen Lieferzeiten zur Verfügung zu stellen. Ziel war es, die in der Vergangenheit erforderlichen vier Prozessstufen zur Herstellung eines Schutzgitters in nur einem Verfahrensschritt zu realisieren und damit die typspezifischen Kosten für Vorrichtungen und Werkzeuge sowie die Gesamtdurchlaufzeit eines Produktionsloses deutlich zu reduzieren. Die eingehende Analyse ergab, dass nur durch den Einsatz eines neuartigen Laserschweißverfahrens alle Verbindungsaufgaben in einer Vorrichtung realisiert werden konnten. Die Grundidee zum Lasernachsetzschweißen – einem komplett neuen Schweißverfahren – war geboren.
Sollen rotationssymmetrische Komponenten wie Berührschutzringe und Streben miteinander verbunden werden, so ergibt sich an der Berührstelle lediglich ein Punkt. Das Verschweißen dieser Berührgeometrie mittels Lasertechnologie war bisher nicht möglich, da die Fügepartner beim klassischen Laserschweißen eine flächige und spaltfreie Berührgeometrie aufweisen müssen. Beim neuen Verfahren wird nun mittels eines feinen Laserstrahls der obenliegende Berührschutzring partiell aufgeschmolzen. Hierdurch entsteht eine im Berührschutzring gefangene Mikroschmelze mit zylindrischer Geometrie, dessen Zentrum sich genau im Berührpunkt der beiden Fügepartner befindet. Wird nun die Leistung des Laserstrahls so dimensioniert, dass auch das Material der unten liegenden Komponente mit aufgeschmolzen wird und gleichzeitig über von außen wirkende Kräfte die beiden Fügepartner aneinander gepresst werden, so vergrößert sich der Anbindungsquerschnitt und damit die Festigkeit und Belastbarkeit der geschaffenen Verbindung. Gleichzeitig findet zwischen den Mittenachsen der beiden Fügepartner eine Relativbewegung statt.
Verbindungsprozess beim neuen Verfahren ohne Zusatzwerkstoff
Die definierte Anpresskraft ist beidseitig des Prozessortes während des Schweißprozesses auf die obenliegende Komponente aufzubringen. Um die Relativbewegung der einzelnen Ringe unabhängig voneinander gewährleisten zu können, werden Druckfedern an einem beweglichen Joch adaptiert. Mittels einer kraftgeregelten Verfahrachse kann somit die pro Verbindungspunkt benötigte Anpresskraft variabel eingestellt werden.
Da die Berührschutzgitter bisher konstruktiv auf die ursprünglichen Schweißverfahren abgestimmt waren, war eine verfahrensbedingte konstruktive Anpassung der zu verschweißenden Komponenten im Fügebereich unumgänglich. Der Verbindungsprozess beim neuen Schweißverfahren wird grundsätzlich ohne Zusatzwerkstoff durchgeführt.
Da ein Schutzgitter bis zu 500 Verbindungsstellen zwischen Berührschutzringen und Streben aufweisen kann, wurde aus wirtschaftlichen Gründen (Zykluszeit des Gesamtablaufes) ein Laserscanner eingesetzt, der mittels eines Industrieroboters über dem zu verschweißenden Schutzgitter positioniert wird. Ausgehend von der eingenommenen Position kann durch das servomotorische Verstellen von Spiegeln innerhalb der Scannereinheit der Laserstrahl abgelenkt und genau auf den zu verschweißenden Stellen fokussiert werden. Durch diese Maßnahme reduziert sich die Schweißzeit pro Verbindungspunkt auf etwa 200 Millisekunden.
Schweißzeit wird erheblich reduziert
Der Hauptansatzpunkt für die Entwicklung des Verfahrens war die Herstellung von kleinsten Stückzahlen pro Fertigungslos. Daher war es notwendig, eine CAD-CAM-Kopplung zur Generierung der Ablaufprogramme für die robotergestützte Produktionszelle zu entwickeln, um die Rüst- und Programmierzeiten reduzieren zu können. Da für derart komplexe Anwendungen keine Standardlösung am Markt zur Verfügung stand, wurde eine komfortable Offlineprogrammier- und Simulationsumgebung entwickelt. In dieser Software wurden neben dem Industrieroboter, dem Laserscanner, dem Laser und weiteren mechanischen Grundaufbauten der Zelle (Drehkipptisch, Niederhaltejoch zur Erzeugung der Nachsetzkräfte) auch die Sicherheitstechnik integriert. Basierend auf den CAD-Daten der Schutzgitter wird in einem interaktiven Verfahren, ausgehend von parametrierten Grundprogrammen, ein lauffähiges Ablaufprogramm für die Produktionszelle generiert. Da die in der virtuellen Welt erstellten Ablaufprogramme grundsätzlich Positionsabweichungen ausgehend von theoretischen und idealisierten CAD-Daten im Vergleich zu den realen vorrichtungsgebundenen Positionen aufweisen, wurde ein Kamerasystem in der Scanneroptik integriert, mit der die virtuellen Positionsdaten mit den realen Daten abgeglichen und automatisch korrigiert werden. Ein händisches Nachteachen mit der Gefahr der Fehlbedienung wird damit ausgeschlossen. Um bei der Aufnahme der Kreuzungspunkte mit der Kamera eine gleichmäßige, umgebungslichtunabhängige Ausleuchtungssituation realisieren zu können, wird eine Ringleuchte am Laserscanner angebracht.
Zusätzliche Richtvorgänge sind verzichtbar
Mit der Entwicklung des Verfahrens waren erhebliche technische und auch wirtschaftliche Risiken verbunden. Daher wurde im Vorfeld die technische Machbarkeit mit funktionstauglichen Hilfseinrichtungen nachgewiesen. Aufbauend auf den gewonnen Erkenntnissen wurde unter Einbeziehung von Komponentenlieferanten, Sondermaschinenbauern und Steuerungstechnikern eine für die Serienproduktion geeignete Produktionszelle aufgebaut und in Betrieb genommen. Neben den logistischen Vorteilen der drastisch reduzierten Durchlaufzeit und der Möglichkeit, kleine Losgrößen bei hohen Typen- und Variantenvielfalt wirtschaftlich zu fertigen, zeigen die mit dem neuen Verfahren hergestellten Schutzgitter deutliche Vorteile gegenüber den Gittern, die mit herkömmlicher Technologie gefertigt wurden. So haben die Produkte – bedingt durch den vergleichsweise geringen Wärmeeintrag beim Laserschweißen gegenüber herkömmlichen Technologien – eine sehr hohe Maßhaltigkeit, wodurch auf zusätzliche Richtvorgänge verzichtet werden kann. In Abstimmung mit den Kunden der Lüftungs- und Klimatechnik sowie den Endkunden lassen sich nun technologisch maßgeschneiderte und wirtschaftlich herstellbare Lösungen „Just in Time“ produzieren.
Prof. Dr.-Ing. Herbert Emmerich; Leiter des Steinbeis-Transferzentrums für Produktion & Organisation/Uwe Stadtmüller; Geschäftsführer Stadtmüller GmbH/pb