Rotationsmodul
Den Dreh raus für die EMV-Prüfung
XXL-Rotationsmodul. Frankonia ist Spezialist für EMV-Prüflabore. Für ein chinesisches Prüflabor hat das Unternehmen eine Anlage zur Prüfung von bis zu 20 Tonnen schweren Komponenten projektiert. Der Drehteller, auf dem die Bauteile geprüft werden, wird über ein Igus-Rotationsmodul versorgt.
Elektromagnetische Verträglichkeit, kurz EMV, ist überall dort wichtig, wo elektrische Ströme fließen. Ein EMV-Test sämtlicher Komponenten gehört dann zu den Standardprüfungen. Getestet werden sowohl die vom Gerät ausgehenden Störaussendungen als auch – in umgekehrter Richtung – dessen Störfestigkeit. Nach den Tests der einzelnen Komponenten werden diese ins Gesamtsystem – zum Beispiel ein Auto oder ein Flugzeug – verbaut und in der Wechselwirkung mit den übrigen Komponenten erneut getestet.
Diese Prüflabore kommen bei sämtlichen Herstellern von Elektroprodukten, Service-Dienstleistern wie dem TÜV zum Einsatz. Mit zunehmendem technologischen Fortschritt von beispielsweise Elektrofahrzeugen oder dem autonomen Fahren, sind Absorberhallen natürlich auch in der Automobilindustrie essentieller Entwicklungsbestandteil. Außerdem ist eine EMV-Prüfung auch immer Bestandteil der CE-Kennzeichnung von Elektrogeräten. Die Firma Frankonia hat bereits Anfang der 90er Jahre in Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln eine besondere Art von absorbierenden Materialen erforscht und die Absorbertechnologie unter dem Namen Frankosorb entwickelt. Durch die besonderen Eigenschaften, wie die extreme Langlebigkeit und Nicht-Brennbarkeit, erlangte Frankonia als internationaler Lösungsanbieter dominierende Alleinstellungsmerkmale und konnte sich in dieser Nischenindustrie von EMV-Prüflaboren etablieren. Heute entwickelt, forscht und produziert Frankonia etwa 95 Prozent aller Bauteile und Produkte nach bewährter modularer und vorgefertigter Bauweise in den eigenen Werken in Deutschland, Polen und China.
Prüfung auf dem Drehtisch
Größere Prüflabore für Autos sind häufig mit einem Drehtisch ausgestattet. Andreas Heindl, Product Development Manager bei Frankonia: „Die Messung während der Drehbewegung erlaubt einen genauen Scan des kompletten Prüflings und zeigt kritische Hotspots.“ Im aktuellen Projekt wurde von Frankonia ein EMV-Prüflabor entwickelt, das alle Bedingungen zum Prüfen der kundenspezifischen Prüflinge abdeckt. Dies beinhaltet auch einen Drehtisch, der für eine Belastung von 20 Tonnen ausgelegt ist und Anschlüsse für Generatoren, Trafos und Elektromotoren besitzt.
Zu den Besonderheiten des Projekts gehörte es, dass die Komponenten während der Tests mit Mittelspannung – genauer gesagt: zehn Kilovolt Spannung bei 700 Ampere – versorgt werden müssen. Somit standen die Konstrukteure vor der Herausforderung, mehrere Leitungen mit beachtlichem Querschnitt (und entsprechendem Gewicht) durch den Drehtisch zu führen.
Wie löst man diese Aufgabe? Mit Energieketten von Igus und einem dazugehörigen Rotationsmodul. Energieketten schützen die in ihnen geführten Leitungen und Schläuche vor Ausfall und Verschleiß. Sie ermöglichen eine sichere Versorgung von Anlagen und Maschinen mit Energie, Daten sowie Medien und sind dabei ständig in Bewegung. Das Rotationsmodul besteht aus einer solchen Energiekette in RBR-Ausführung, das heißt mit rückwärtigem Biegeradius. Die Kette wird um 90 Grad zur gewohnten Installationsart gekippt, also quasi hochkant gestellt, und in einer eigens dafür entwickelten Rinne geführt. So entsteht ein kompaktes und robustes Energieführungssystem, das rotierende Bewegungen ausführt – das Rotationmodul.
Die Anwendung bei Frankonia stellte aber zusätzliche Anforderungen, die sich aus dem Testumfeld ergeben. Andreas Heindl: „Alle Komponenten müssen vollkommen neutral sein, was elektromagnetische Wellen betrifft.“ Konventionelle Energieketten kommen also nicht in Frage, da statische Aufladungen entstehen können, wenn die nebeneinander liegenden Kettentrums sich gegenseitig berühren oder in der Bewegung im Kontakt mit der Rinne sind. Dadurch würde das EMV-Testergebnis beeinflusst werden.
Rotationsmodul mit 5,90 Meter Durchmesser
Deshalb werden hier ESD-gerechte Ketten aus dem E4-Programm von Igus verwendet. Sie unterscheiden sich von konventionellen Werkstoffen durch eine Graphit-Beimischung für Ex-Bereiche. Diesen Kettentyp setzt Frankonia häufiger ein. In diesem Fall entschieden sich die Konstrukteure für eine sehr große Kette mit einer Innenhöhe (beziehungsweise in diesem Fall Innenbreite) von 80 Millimeter. Mittelstege sorgen für eine optimale Führung der sechs kettentauglichen Chainflex-Leitungen, die eigens für bewegte Anwendungen entwickelt wurden und einen Querschnitt von jeweils 120 Quadratmillimeter aufweisen. Insgesamt lieferte Igus für dieses Projekt mehrere hundert Meter dieser Leitungen. Außerdem werden diverse Niederspannungs- und Steuerleitungen durch die Kette und das Rotationsmodul geführt.
Der Drehtisch hat einen Durchmesser von sieben Metern und kann bis zu 20 Tonnen schwere Prüflinge aufnehmen. Während eines Testzyklus, der in der Regel mehrere Stunden dauert, führt er eine Drehung von 400 Grad aus: 200 Grad in die eine Richtung, dann zurück in die Ausgangsstellung und 220 Grad in die Gegenrichtung. Die Überdeckung gewährleistet, dass der Prüfgegenstand komplett erfasst wird.
Die Befüllung des Energieführungssystems mit Mittelspannungsleitungen bringt erhebliches Gewicht mit sich. Das beansprucht die Kette, deren Konstruktion darauf bestens vorbereitet ist und sich – auch in der Ausführung mit beidseitigem Biegeradius – durch sehr hohe Stabilität und Verwindungssteifigkeit auszeichnet. Dafür sorgt unter anderem das Konstruktionsmerkmal des Hintergriffs, über den die einzelnen Kettenelemente verbunden sind. Das Rotationsmodul hat einen Außendurchmesser von knapp sechs Metern. Um eine sichere und reibungsarme Führung der Energiekette zu gewährleisten, kommen bei diesem Projekt sogenannte schwimmende Inseln als spezielle Führungselemente zum Einsatz. Zurzeit wird die EMV-Testeinrichtung mit dem XXL-Rotationsmodul, der ESD-Energiekette und den Chainflex-Leitungen in China montiert – von Frankonia-Personal vor Ort und mit Unterstützung von Igus-Monteuren in China. as