Industrieroboter
Der hört aufs Wort
Das manuelle Bearbeiten von Metallgussteilen oder auch „Gussputzen“ ist eine unangenehme, gesundheitsschädliche, arbeits- und kostenintensive Tätigkeit. Ähnliche Bedingungen gelten beim Arbeiten mit Kunststoff- oder Holzwerkstücken. Roboter nehmen dem Menschen deshalb weitgehend diese Tätigkeiten ab. Traditionell ist es jedoch üblich, das Roboterprogramm hinsichtlich der komplexen Pfade und Abhängigkeiten wie Verfahrgeschwindigkeit und Werkzeugleistung aufwändig zu erstellen. Unabhängig von den individuellen Gegebenheiten des einzelnen Werkstückes hält der Roboter dann während des Bearbeitens diese Parameter konstant.
Die Ausgangsbasis bildet die Funktionalität Automatic Path Learning. Sie sorgt für das einfache Erstellen des Roboterprogramms. Im Gegensatz zum konventionellen aufwändigen Programmierprozess führt eine grafische Benutzeroberfläche (GUI: Graphic User Interface) den Bediener mit wenigen Mausklicken zum Ziel. Er führt den Roboter einfach mit der Hand ungefähr zu den späteren Arbeitspositionen. Dabei sind Toleranzen von einigen Millimetern zulässig. Anschließend „lernt“ der Roboter in einem zweiten Schritt automatisch die tatsächlich benötigten Positionen: Adaptiv, sich auf der tatsächlichen Bauteilkontur entlang bewegend (Automatic Path Learning).
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In wenigen Minuten sind komplexe Pfade erstellt und können sofort abgefahren werden. Zeit- und kostenintensives Programmieren entfällt – der Roboter erstellt selbst komplexeste Bearbeitungspfade. Das verkürzt die „Time to Market“ und erhöht wesentlich die Effizienz der gesamten Anlage. So können Hersteller auch deutlich schneller und flexibler auf Kundenwünsche reagieren.
Das blinde Folgen einer einmal programmierten Bahn kann aufgrund vorhandener Toleranzen oder unvorhergesehener Widerstände zu erheblichen Problemen führen. Zum Beispiel zum Abschalten des Roboters wegen Überlastung seiner Servomotoren, zum Werkzeugbruch oder zum Beschädigen des Werkstücks. Um solche Situationen auszuschließen, fährt man die Systeme meist mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit – und schränkt so deren Produktivität stark ein. Hier setzt die zweite Funktionalität FC Pressure an. Sie sorgt beim Bearbeiten für einen konstanten Druck des Werkzeugs auf die Werkstückoberfläche.
Überlastung des Roboters wird vermieden
Die Vorgaben bzw. Grenzwerte richten sich nach dem Arbeitsprozess und Werkstoff: Schleifen bzw. Fräsen von Angüssen und Graten, Polieren der Oberfläche von Metallguss- oder Kunststoffteilen, Fräsen, Bohren und Schleifen von Holzwerkstücken, Verbundmaterialien aus Holz und Kunststoff oder anderen Werkstoffen. In jedem Bearbeitungsprozess erfasst die Software über den am Roboterflansch integrierten Kraftsensor die Istkräfte und gleicht sie mit der Sollvorgabe ab. Neben dem gleichmäßigen Kontaktdruck ändert sie die vorgegebenen Pfade adaptiv. Dies stellt sicher, dass das Werkzeug immer an der Oberfläche des Werkstückes entlangfährt – unabhängig von Konturunebenheiten und Fertigungstoleranzen. Das System reagiert bereits auf Kraftunterschiede von 5 Newton. Weiter reduziert die Software das Schadensrisiko für die Werkstückoberfläche und prognostiziert zuverlässig den Werkzeugverschleiß.
FC Speed Change sorgt als dritte Funktionalität mit dem Ändern der Roboterbahngeschwindigkeit für konstanten Materialabtrag während des Prozesses. Treten zu hohe Bearbeitungskräfte auf, reduziert die Software automatisch die Geschwindigkeit des Roboterarms und hält so die Bearbeitungskräfte konstant. Das verhindert weitgehend auch Maßabweichungen, die sich sonst aus dem Durchfedern des Roboterarms ergeben. Weiter vermeidet der Roboter so Beschädigungen des Werkstücks oder Werkzeugs aufgrund zu hoher mechanischer und thermischer Beanspruchungen. Sowohl die optimale Robotergeschwindigkeit als auch die reduzierten Schadensrisiken bzw. die erhöhte Prozesssicherheit steigern die Produktivität und Wirtschaftlichkeit des kompletten Bearbeitungsprozesses.
Im Rahmen einer europäischen Forschungsinitiative löst ABB die Aufgabe, Roboter zu lehren, dem Menschen aufs Wort zu hören. Die technische Ausgangsbasis dieser traumhaften Vorstellung bildet ebenfalls FC Machining. Lead-Through-Programming nennt sich die zukunftsträchtige Entwicklung. Die ABB-Forscher wollen mit ihr auch unerfahrenen Benutzern das „Programmieren“ ermöglichen. Das innovative Konzept geht von Befehlen aus, die der Benutzer mit Hilfe von Schlüsselwörtern abruft. Er fordert den Roboter z.B. auf: „bewege dich hierher – schalte das Werkzeug ein – warte fünf Sekunden.“ Zum Programmerstellen führt er den Roboter dabei schrittweise durch den Bearbeitungsprozess. Das System bietet ihm jeweils lediglich die Befehle an, die in der spezifischen Situation relevant sind.
Unerfahrenen Nutzern wird Programmieren möglich
Es empfängt sowie protokolliert die Befehle und generiert daraus automatisch das Programm. Der Anwender schreibt so weder eine Programmzeile noch benötigt er Programmierkenntnisse. Die Befehle und der Funktionsumfang unterscheiden sich selbstverständlich nach der Anwendung. Der Gießereiwerker erhält völlig andere als der Kunststoffverarbeiter oder der Schreiner. So bietet der aufs Wort hörende Roboter zukünftig völlig neuen – programm- und informationstechnisch unerfahrenen – Mitarbeitern die Vorzüge roboterunterstützter Produktion. Und deren Betriebe erhalten eine unschätzbare Chance im globalen Wettbewerb. hs