Automatica 2018
Industry meets Intelligence
Intelligente Automatisierungskonzepte und Robotiklösungen stehen im Mittelpunkt der Automatica in München. Neben den technologischen Weiterentwicklungen rund um die intelligente Produktion wird auch die Rolle des Menschen in der Fabrik der Zukunft diskutiert werden. Von Andrea Gillhuber
Die digitale Transformation ermöglicht es der Industrie, die Serienfertigung immer flexibler und kosteneffizienter zu gestalten. Aufgrund der Digitalisierung des gesamten Produktlebenszyklus von der Konstruktion über die Produktion bis hin zum Versand hat sich die IT zu einem wichtigen Bindeglied der intelligenten Produktion entwickelt. Die internationale Fachmesse für intelligente Automatisierung und Robotik Automatica, welche vom 19. bis 22. Juni 2018 in München stattfindet, zeigt unterschiedlichste Produktionskonzepte. Neben Industrie- und Servicerobotik, Montage- und Handhabungstechnik, den Bildverarbeitungssystemen und Komponenten werden auch intelligente Automatisierungslösungen zu sehen sein. Immer mit dabei: der Faktor Mensch in der Produktion der Zukunft.
Firma zum Artikel
Themen im Artikel
Welche wichtige Rolle die IT in der Industrie beziehungsweise der vernetzten Produktion spielt, zeigt IT2Industry; der Themenbereich wurde in die Automatica integriert.
Industrie trifft IT
In einer Kombination aus Vortragsprogramm und Ausstellung präsentieren mehr als 50 Aussteller aus den klassischen IT-Bereichen, aber auch Spezialanbieter aus dem Industrieumfeld, ihre Lösungen für das Industrial Internet of Things.
Zu den Ausstellern zählt auch SpaceNet. Warum der Hosting- und Cloud-Spezialist an der Sonderschau teilnimmt, erklärt Gründer und Vorstand Sebastian von Bomhard: „IT2Industry bringt IT und intelligente Produktionsautomatisierung zusammen. Diesen Ansatz finden wir in Zeiten von Industrie 4.0 und IoT interessant. Wir möchten zeigen, dass Cloud Computing und Connectivity auch für die Produktion relevante Themen sind, die die Fertigung in Sachen Automatisierung und Effizienz weiter voranbringen. Dafür ist die IT2Industry eine hervorragende Plattform.“
Artikel zum Thema
Mit den Veränderungen in der Produktion bringt die Digitalisierung auch neue Geschäftsmodelle mit sich. Um sich einen Wettbewerbsvorsprung zu sichern, entstehen Innovationspartnerschaften von Unternehmen. Das Ziel: Neuentwicklungen gemeinsam vorantreiben. Die Sonderschau „Plattformen und Ökosysteme“ greift diesen Trend auf. In Vorträgen und anhand von Modellen und Prototypen wird erklärt, wie sich technische und betriebswirtschaftliche Potenziale des IoT in Unternehmen realisieren lassen.
Eine weitere neue Diskussionsplattform ist der „Smart Maintenance Pavilion“. Hier können sich interessierte Fachbesucher aus einer kompakten Mischung aus Information, Praxisbeispielen und Erfahrungsberichten alles Wissenswerte rund um das Thema Instandhaltung zusammentragen. Zu sehen sind zum einen reale Anwendungen auf der Aus- stellerseite und im Demo-Park Instandhaltung, zum anderen vertiefendes Fachwissen, welches in Vorträgen des IT2-Industry-Forums und auf dem Treffpunkt „Meet the Experts“ vermittelt wird. Für wertvolle Einblicke sorgen Unternehmen wie Acoem, IAS Mexis, Softgate und Sogema.
Konferenz OPC Day Europe auf der Automatica
Gemeinsam mit Partnern zeigt die OPC Foundation aktuelle Lösungen rund um den Kommunikationsstandard OPC UA zur herstellerunabhängigen Kommunikation in der Produktion. Am 22. Juni findet zudem zum zweiten Mal die Konferenz OPC Day Europe im Rahmen der Automatica statt. In Fachvorträgen und Diskussionen auf dem IT2Industry-Forum werden erfolgreiche Geschäftsmodelle für Industrie 4.0 und IoT vorgestellt. Unternehmen wie IBM, Connyun und TÜV Süd geben Einblicke in ihre Industrie-4.0-Strategien. Aktuelle Forschungsergebnisse aus dem IIoT-Umfeld werden von Universitäten und Forschungsinstituten präsentiert. Außerdem äußert sich der Chaos Computer Club zu Cybersecurity in Zeiten von Milliarden unsicherer IoT-Devices. In drei Podiumsdiskussionen erörtern Analysten, Praktiker und Forscher Themen wie IoT-Plattformen und -Geschäftsmodelle sowie Künstliche Intelligenz.
Der Mensch und sein Kollege Roboter
Mit der Vollautomatisierung haben sich Roboter in der Produktion endgültig etabliert. Zu Beginn waren die industriellen Helfer noch räumlich beispielsweise durch Schutzzäune von den Arbeitern getrennt. Mit der Zeit wurden die physischen Grenzen entfernt und durch virtuelle Schutzzäune kam es zu einer Koexistenz von Mensch und Roboter in der Produktion. Eine Interaktion gleich welcher Art im laufenden Betrieb war nicht gewünscht.
Dies änderte sich mit der Zeit. Nach und nach kam es zu einer Kooperation von zwischen Werker und Roboter. Dabei teilen sie sich zumindest einen Arbeitsraum, eine Interaktion findet in der Regel nicht statt. Die Sicherheit des Menschen wird unter anderem durch eine reduzierte Bahngeschwindigkeit des Roboters oder aber durch aktive Arbeitsraumüberwachung gewährleistet. Mit der Mensch-Roboter-Kollaboration fallen die letzten virtuellen oder realen Schutzzäune. Mensch und Roboter arbeiten bewusst im gleichen Arbeitsraum und am gleichen Objekt zusammen. Bei dieser Art der Zusammenarbeit werden in der Regel Leichtbauroboter wie ABBs Yumi oder Kukas iiwa eingesetzt.
Von der Forschung in die Produktion
Doch nicht nur in der Produktion erfreuen sich Roboter wachsender Beliebtheit. Längst hat die Mensch-Roboter-Interaktion schon weitere Anwendungsfelder für sich entdeckt. Wie wichtig die Technologie ist, wird auch dadurch ersichtlich, dass die MRI im Arbeitsprogramm Horizont 2020, kurz: H2020, der Europäischen Kommission als eine der vier Kerntechnologien der Robotik definiert wurde. Für das Programm stehen im Zeitraum 2018 bis 2020 insgesamt 66 Millionen Euro bereit. Martin Hägele, Leiter der Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, erklärt: „Die MRI gilt als Schlüsseltechnologie sowohl für die Industrie- als auch die Servicerobotik. Roboter sind sowohl von Dienstleistungsunternehmen als auch von Endverbrauchern einsetzbar, insbesondere in Landwirtschaft und Logistik, im Gesundheitswesen, im Sicherheitssektor sowie im Einzelhandel. Fast all diesen Anwendungen ist eines gemein: Sie arbeiten ohne Schutzzaun. Deswegen müssen Roboter in der Alltagsumgebung besondere Sicherheitsstandards erfüllen sowie sicher und intuitiv bedient werden können. Somit ist die MRI eine wichtige Komponente.“
Auf der Automatica sind unterschiedlichste Anwendungsszenarien von Mensch-Roboter-Interaktion zu sehen, von industriellen Einsatzmöglichkeiten über Servicerobotik bis hin zu intelligenten Assistenzsystemen. Auch das Fraunhofer IPA wird Lösungen präsentieren, darunter die speziell für den „Griff in die Kiste“ entwickelte Software bp3TM. Die Software hat sich schon in über 12 Produktionsanlagen bewährt und wird in Halle A4, Stand 101, in Aktion zu sehen sein. Aber auch auf der Sonderausstellungsfläche Servicerobotik in Halle B4 werden Applikationen des Forschungsinstituts zu sehen sein. Dazu zählt auch das Projekt RoboPORT, in dem eine Online-Entwicklungsplattform für Servicerobotik mit einer Bibliothek an Open-Source-Robotik-Hardware entsteht.
Unter dem Label „Human Collaborative“, kurz: HC, zeigt Yaskawa zwei Motoman HC10 mit 1,2 m Reichweite sowie 10 kg Handhabungsgewicht. Sie kommen sowohl in Standardapplikationen als auch in kollaborativen Anwendungen zum Einsatz. Auf der Automatica sind die beiden Leichtbauroboter mit MRK-Greifern und einem Schraubautomaten in MRK-Ausführung ausgestattet und zeigen in einer Demozelle (Bild 2), wie sie Flaschenöffner montieren und an die Standbesucher verteilen. Die Steuerung der Anlage erfolgt über ein firmeneigenes Vipa-Touch-Panel. Die geforderte Sicherheit im direkten Kontakt mit dem Bediener wird durch eine sechsfache Kraft- und Momentenüberwachung gewährleistet.
Auch bei Fanuc stehen individuelle Lösungen zwischen Vollautomation und manueller Arbeit im Mittelpunkt. Der Roboterspezialist wird erstmals den SR-6iY präsentieren, eine 6-kg-Version aus der neuen Scara-Baureihe. Deren erstes Modell, den SR-3iA, präsentierte Fanuc zu Beginn des Jahres. Als Steuerung dient auch bei diesem Modell der neue R-30iB-Compact-Plus-Controller. Zu den weiteren Eigenschaften zählen das integrierte Bildverarbeitungssystem iRVision sowie die Funktionen iRPick Tool und Line Tracking für Pick-&-Place-Aufgaben.
Industrielle Bildverarbeitung macht‘s möglich
Als eine so genannte „Enabling Technology“ etabliert sich derzeit die industrielle Bildverarbeitung. Sie eröffnet neue Einsatzfelder für automatisierte Prozesse in vielen Bereichen der industriellen Fertigung. Längst ist sie nicht mehr nur eine Einzellösung beispielsweise in der Qualitätssicherung, sondern ist integraler Bestandteil der Automatisierung. So dient sie unter anderem als Grundlage für die Mensch-Roboter-Interaktion beziehungsweise -Kollaboration. Trends wie die digitale Transformation der Fertigung, Assistenzsysteme in der Produktion, Embedded und Robot Vision, Deep Learning und 3D-Bildverarbeitung sorgen für eine stetes Wachstum der Bildverarbeitungsindustrie.
Sicherlich einer der wichtigsten Trends ist hierbei Embedded Vision. Die Technik findet bereits im Automotive-Bereich erfolgreich Anwendung, unter anderem in Form von Fahrerassistenzsystemen. Bei Embedded-Vision-Systemen handelt es sich in der Regel um einfache Kameramodule, die Verbindung mit leistungsstarken Rechnerplattformen mit geringer Leistungsaufnahme direkt im Fahrzeug, in Maschinen oder Geräten integriert werden.
Im Kontext der Bildverarbeitung spielt auch Deep Learning eine große Rolle. Damit ist Machine Learning gemeint: Hierbei werden einem System Gut- und Schlechtbilder antrainiert, um anschließend Prüfobjekte automatisch den erlernten Kategorien zuzuordnen und um zum Beispiel über die Qualität von inspizierten Bauteilen entscheiden zu können. Klassifikationsaufgaben können so ohne die händische Anpassung von Operatoren gelöst werden.
Der Mensch in der Fabrik der Zukunft
Mit dem technologischen Fortschritt in allen Bereichen der Produktion sowie der damit einhergehenden Veränderung der Gesellschaft ändert sich auch die Rolle des Menschen in der intelligenten Fabrik. Arbeit 4.0 ist hier als Schlagwort zu nennen. Wo der Mensch in Zukunft Verantwortung tragen wird, damit setzt sich der VDMA-Fachverband Robotik + Automation auf der Automatica auseinander. Die Sonderschau „Der Mensch in der Smart Factory“ greift dazu aktuelle Fragestellungen auf. Zum Beispiel: Wie kann der Mensch im Mittelpunkt bleiben? Welche Rolle spielt der „analoge“ Mensch in der digitalen Fabrik?
Auf der Sonderschau erfährt der Besucher, wie sich beispielsweise durch die optimierte Zusammenarbeit von Mensch und Roboter die Produktivität steigern lässt oder auch die Arbeitsplatzbedingungen verbessert werden können. Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer des Fachverbands VDMA Robotik + Automation, erläutert: „Fingerfertigkeit und Adaptivität des Menschen werden unerreicht bleiben, doch Assistenzsysteme bringen manuelle Montagevorgänge erstmals auf die geforderte Null-Fehler-Qualität. Die Kommunikation von Mensch und Maschine wird intuitiv, die Kombination von Mensch und Maschine besonders leistungsstark. Dabei werden Arbeitsplätze ergonomischer und interessanter als jemals zuvor.“