Handhabungstechnik

Entkoppelte Förderstrecken

Weitergabe ohne festen Takt
Bild 3: Entkoppelte Förderbandstrecke, 1 Werkstück, 2 dicke Bandhälfte, A Ausgabe-, E Eingabeseite, M Antriebsmotor.

Es ist lange her, da man begann, die Arbeit an einem Produkt in einzelne Schritte aufzuteilen. Eine nachfolgende Aneinanderreihung der Arbeitsplätze führte zur Fließbandarbeit, die in der Montage erstmals von Henry Ford (1863–1947) eingeführt wurde. Seine „Assembly Line“ brachte die Massenproduktion im Automobilbau. Ersetzt man nun die Arbeitskräfte durch Mechanismen, erhält man eine Maschinenfließreihe beziehungsweise eine Taktstraße. Die Arbeitsstationen sind in diesem Fall starr miteinander verkettet. 1947 hat beispielsweise die Firma Renault jährlich etwa 100 Taktstraßen hergestellt, vorwiegend für die Automobilindustrie. Die durchaus großen Einsparungen werden aber durch einen systeminternen Mangel geschmälert. Ist nämlich eine Station gestört, dann müssen alle übrigen noch intakten Stationen ebenfalls in den Ruhezustand versetzt werden. Damit hat man, wenn auch immer nur in kurzen Zeitabständen, hochwertige Technik brach liegen. Der Ausweg ist eine lose Verkettung. Zwischen den Maschinen oder Arbeitsstationen befinden sich dann Puffer, die kurzzeitige Störungen an einer Maschine stromaufwärts oder stromabwärts überbrücken können. Doch wie kann man den Werkstückfluss entkoppeln? Schließlich müssen die Werkstücke (oder alternativ Werkstückträger plus Werkstück) im Verkettungsmittel aufschließen können.

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Automatisierung allgemein

Zuerst muss im Einzelfall herausgefunden werden, welcher Automatisierungsgrad aus technischen und wirtschaftlichen Überlegungen überhaupt erstrebenswert ist. Generell hat zu gelten, dass man erst die Abläufe vereinfacht oder neu organisiert und dann erst automatisiert (Bild 1). Bereits 1951 schreibt J. Diebold, dass es sinnvoll sein kann, einen Ablauf mit achtzig oder neunzig Prozent zu automatisieren, während die Einbeziehung der verbleibenden zehn oder zwanzig Prozent zur Unwirtschaftlichkeit führen kann. Da spielt dann die Kompliziertheit der Arbeits- und Handhabungsprozesse eine entscheidende Rolle.

Die Technik zum Weitergeben der Gegenstände muss derart sicher sein, dass die gewonnenen Vorteile nicht wieder in die Entstörung der Technik investiert werden muss. Ein weiteres übergeordnetes Ziel ist die Prozessgeschwindigkeit. Zuführ- und Verkettungstechnik müssen den erhöhten Geschwindigkeiten entsprechen und ausfallsicher funktionieren. Dazu gehört auch, dass die gesamte Arbeitslinie steuerungstechnisch verkettet sein muss. Übrigens haben wir bei Rundtaktautomaten fast immer eine starre Verkettung von Station zu Station und keine lose Verbindung. Weil es aber baulich bedingt nicht viele Arbeitsstationen sind, kann man bezüglich der Verkettungsverluste ganz gut damit leben. Doch wie bringt man die Gegenstände an Liniensystemen ohne Zwang von A nach B?

Fördertechnik mit Aha-Effekt

Das Bild 2 zeigt einen Rollbahnförderer, bei dem das Einspeisen von Teilen aus der Maschine M1 vom Zuführen der Teile zur Maschine M2 funktionell getrennt ist. M2 ruft die Teile ab, wenn sie gebraucht werden. Normale Stetigförderer als Verkettungsmittel leisten diesen organisatorischen Ablauf nicht. Das Eingeben von Halbfertigteilen aus der Maschine M1 geschieht mit einem Stößel, der die Teile hinter die Rückhalteklinke bringt. In leicht abgewandelter Form ist die Lösung auch für schiebefähige Flachteile geeignet.

Die Idee der Entkopplung steckt auch in der Lösung nach Bild 3. Als Arbeitsgut haben wir es mit langen Profilstangen zu tun. Die Lösung besteht darin, dass man gewissermaßen zwei Förderbänder ineinander gebaut hat. Je nach Länge der Stangen gibt es natürlich den gezeigten Aufbau mehrfach nebeneinander. Wie erreicht man die Entkopplung? Die Fördergurthöhen unterscheiden sich partiell. Das dünne Ende des einen Bandes kann unter den gespeicherten Werkstücken, die auf dem anderen Band aufliegen, hindurch laufen. Trotz dieser Organisation ist die Speicherkapazität natürlich begrenzt. Ist das Band 2 soweit vorgerückt, dass es den Mitnehmer von Band 1 erreicht, dann kann man keine Teile bei E mehr eingeben.
Bei kleinen Objekten und viel Speicherplatzbedarf könnte ein Kettenausgleichsspeicher eine gute Lösung sein, wie er in Bild 4 im Schema gezeigt wird. Das Speichervermögen passt sich von selbst an. Das Arbeitstrum der Kette (beladene Magazinplätze) und das Leertrum sind variabel. Das wird durch die mittleren höhenbeweglichen Umlenkrollen bewirkt. Die Länge des Leertrums verkürzt sich, wenn keine Teile mehr abgenommen, aber weitere Teile eingespeichert werden. Da das erste Teil, welches eingespeichert wird, auch als erstes wieder den Speicher verlässt, spricht man vom Prinzip FIFO (first-in-first out). Es ist ein Durchlauf- beziehungsweise Hauptschlussspeicher. Es gibt auch Speicher, die nach dem Prinzip FILO (first-in-last-out) arbeiten, also Nebenschluss- beziehungsweise Rücklaufspeicher sind.

Adaptiv mit dem Roboter

Natürlich kann auch der Industrieroboter helfen, Maschinen zu Linien zu verketten, entweder ohne Zwischenablage wie es bei der Verkettung von Pressen häufig gemacht wird, oder mit einer Zwischenmagazinierung, wie es in Bild 5 skizziert wurde. Die Belegung der Speicherplätze ist beliebig und wird im Computer fortgeschrieben. Anstelle eines Regalspeichers sind natürlich auch andere Magazine denkbar, wie zum Beispiel ein mehretagiger Scheibenspeicher. Gelingt es, die Magazinplätze und den Greifer des Roboters so zu gestalten, dass mehrere unterschiedliche Werkstücke manipuliert werden können, dann hat man eine flexible Verkettungseinrichtung. Stefan Hesse

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