Handhabungstechnik
Aus eins mach zwei
Es handelt sich nicht um einen Slogan für eine neue Spar-Arithmetik. Verzweigen bezeichnet in der Handhabungstechnik bekanntlich das Auflösen eines Mengenstromes in mindestens zwei Teilmengenströme von Werkstücken, Produkten, Baugruppen oder Werkstückträgern. Verzweigen setzt sich aus den Teilfunktionen Weitergeben – Teilen – Weitergeben zusammen und ist damit eine spezielle Variante des Weitergebens. Vom „Aufteilen“ spricht man übrigens, wenn das Teilen einer Menge in eine bestimmte Anzahl von Teilmengen nach einem vorgegebenen Schlüssel erfolgt. Zur Realisierung dieser Funktionen braucht man passende Funktionsträger und da gibt es viele Möglichkeiten und Lösungskonzepte.
Viele technische Lösungen
Schließt man noch wichtige Logistikbereiche mit ein, dann könnte man für das Verzweigen eine große Zahl von Lösungen katalogisieren. In Bild 1 wird eine kleine Stichprobe wiedergegeben. Masse, Größe, Menge je Zeiteinheit und Art der Handhabungsobjekte haben dabei großen Einfluss auf die Planung von aufgabengerechter Hardware. So gibt es zum Beispiel Drehverteiler für Werkstückträger, die in Transfersystemen alternative Durchlaufvarianten für Montagebaugruppen möglich machen (Altratec), wenn zum Beispiel das Montieren von Produktvarianten ansteht oder Bypass-Strecken für Handmontage- oder Prüfplätze angelegt werden müssen.
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Es gibt noch andere vom Prozess diktierte Notwendigkeiten für das Verzweigen. Das sind:
•Aufteilen aus Leistungsgründen auf mehrere nachfolgende langsamer arbeitende Maschinen (Parallelverkettung)
•Ausgliedern von Objekten aus Qualitätsgründen, wie beispielsweise ungefüllte Packstücke oder unvollständig montierte Baugruppen
•Aussondern falsch orientierter Teile beim passiven Ordnen
•Abzweigen von Teilen, Produkten oder Baugruppen zur Auffüllung von Störungsspeichern oder Reserven
•Sortieren von Teilen nach Merkmalen, wie zum Beispiel Farbunterschiede oder Werkstücklänge
Versorgen mehrerer Zielstellen
Es kommt öfters vor, dass man mehrere Maschinen aus einem Werkstückstrom mit Teilen zu versorgen hat. Aus Gründen des Werkzeugwechsels oder durch Störungen im Bearbeitungsprozess ist aber die Laufzeit jeder Maschine anders. Die Lieferung von Werkstücken muss sich also dem momentanen Bedarf jeder Maschine anpassen. Wie man das technisch lösen kann, wird in Bild 2 an einem Beispiel gezeigt. Die Teile, es sind Rohrabschnitte, werden zunächst vereinzelt und an ein Umlauf-Kettenmagazin übergeben. Dieses versorgt dann die zur Maschine gehörenden Schachtmagazine mit Teilen.
Ein gefülltes Schachtmagazin verschließt sich von selbst. Die Werkstücke beziehungsweise Rohteile wandern dann am Ausgabekanal vorbei. Sind Kettenmagazin und Schachtmagazine vollständig gefüllt, dann kann das Zuführsystem einige Zeit abgeschaltet werden.
Ein anderer Fall wird in Bild 3 vorgestellt. Falsch orientierte Teile werden nach einer automatischen Sichtkontrolle (Punktsensorik mit Lasersensor tut es hier auch) auf eine andere Förderstrecke quer verschoben. Kommen die Teile mit großer Fördergeschwindigkeit an, dann braucht man allerdings auch einen reaktionsschnellen Querschieber. Er muss auch blitzschnell wieder in die Ausgangsposition zurückkehren. Deshalb hat man im Beispiel zwei Fluidic Muscle (Festo) für die Hin- und Herbewegung eingesetzt. Diese pneumatischen Aktoren lassen sich relativ einfach in eine Maschinenstruktur einbinden und sind enorm schnell. Man erreicht Schaltfrequenzen bis zu 100 Hz und es sind Geschwindigkeiten von drei Meter je Sekunde möglich. Das leistet ein herkömmlicher Pneumatikzylinder nicht mehr.
Vorbestimmte Zukunft
Soll ein Werkstückstrom in einem festliegenden Verhältnis aufgeteilt werden, dann kann man auch bei roll- und gleitfähigen Kleinteilen selbstschaltende Weichen einsetzen. Wie das Bild 4 erkennen lässt, stellt jedes durchgelaufene Teil die Weiche gleichzeitig auf den anderen Kanal um. Man kann so die Teile pyramidenförmig verteilen, ähnlich wie bei einem Galton-Brett, jedoch ist die Verteilung nicht zufallsabhängig, sondern streng vorausbestimmt. Im Beispiel erhält jede der vier angeschlossenen Maschinen genau ein Viertel der Ausgangsmenge. Auf einen zeitweiligen Minderbedarf einer einzelnen Maschine reagiert dieses Zuführsystem freilich nicht.
Bandförderer mit Verzweigungsoption
Eher im Bereich der Logistik findet man viele Lösungen für das Verzweigen von Fördergut auf der Basis von Rollengängen, Kippschalenförderern, Quergurt-Ausschleusungen und anderen Förderbandsystemen. Eine raffiniert ausgeführte Konstruktion wird in Bild 5 in der Außenansicht vorgestellt. Der Clou besteht darin, dass der Fördergurt quer abgewinkelt werden kann, also eine Stellung zwischen +/- 90 Grad zulässt, obwohl es sich nur um einen Gurt und einen Antrieb handelt.
Die Verstellung ist bei laufendem Gurt möglich. Damit lassen sich völlig neuartige Linienführungen im innerbetrieblichen Transport einrichten. So ist es möglich, eine geradlinige Förderstrecke zu öffnen, um eine zeitweilige Durchfahrtgasse zu schaffen, oder man lenkt den Strom an Fördergütern sternförmig an verschiedene Zielstellen. Dieses Ritual ist natürlich auch in der umgekehrten Folge möglich. Dann aber hätten wir das Zusammenführen von Objekten als Gegenstück zum Verzweigen. Es würde nach dem Motto „Aus drei mach eins“ funktionieren.he