Montagetechnik
Vorsprung durch Forschung
Viele Unternehmen müssen sich den Herausforderungen der Globalisierung stellen. Der globale Wettbewerb wirkt sich vor allem auf die industrielle Produktion aus. Schon seit Jahren verlagern viele Unternehmen große Teile ihrer Produktion ins Ausland – dadurch verringert sich die Zahl der Beschäftigten in Deutschland. Vielfach steht die Frage, ob überhaupt international gefertigt werden soll, gar nicht mehr zur Debatte. Inzwischen geht es viel mehr um die Frage, wie die mittlerweile gebotene Globalisierung der Produktion realisiert werden kann. Der französische Ökonom Alain Minc beschrieb diese Situation einmal vortrefflich mit den Worten „Globalisierung ist für unsere Wirtschaft das, was für die Physik die Schwerkraft ist. Man kann nicht für oder gegen das Gesetz der Schwerkraft sein – man muss damit leben.“
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Aber welche strategischen Ansätze sind dabei erforderlich? Wie kann ein Unternehmen seine Montagestandorte in Deutschland stärken und gleichzeitig von einem globalen Netzwerk profitieren? Dieser Frage stellt sich Sartorius zusammen mit sieben weiteren Projektpartnern aus Industrie und Forschung in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten und auf drei Jahre angelegten Forschungsverbundprojekt „GVP - Globales Varianten Produktionssystem“.
In diesem interdisziplinären, anwendungsorientierten Forschungsvorhaben wird in Zusammenarbeit mit weiteren wissenschaftlichen Partnern und Industrieunternehmen ein Produktionssystem entwickelt, das es Unternehmen ermöglicht, global zu agieren. Gleichzeitig werden die Kernkompetenzen und Montagekapazitäten am derzeitigen Standort erhalten und ausgebaut. Die Grundidee des Projektes besteht darin, die herkömmliche Unterscheidung zwischen Montage und Fertigung aufzugeben und Produkte stattdessen auf der Ebene von Baugruppen zu betrachten, die jeweils sowohl Fertigungs- als auch Montageumfänge erfordern. Diese Baugruppen werden anhand verschiedener, in dem Vorhaben zu entwickelnder Kriterien mit Blick auf die optimale Fertigungstiefe und den bestmöglichen Produktionsstandort bewertet. Dabei kommen Bewertungskriterien zum Einsatz, mit denen ebenso Stärken des derzeitigen Montagestandortes wie auch die Risiken einer allein an den Lohnkosten orientierten Globalisierung sichtbar werden. Unter der strategischen Zielsetzung der Stärkung des Montagestandortes Deutschland werden neue Optionen für die Vergabe von Produktionsumfängen eröffnet. Die Schlussfolgerungen für eine Standortentscheidung soll nicht mehr einseitig an den Lohnkosten als zentralem Faktor der Herstellkosten erfolgen. Vielmehr sollen stattdessen eine Vielzahl wettbewerbsrelevanter Kriterien ausschlaggebend sein, wie beispielsweise die Definition von Kernkompetenzen, die Berechnung und Bewertung der Kosten einer globalen Logistik und die Betrachtung der Risiken und Chancen international verteilter Wertschöpfungsketten.
Kernbestandteile des GVP sind fünf Bausteine. Im ersten Schritt wird ein Produkt so entwickelt, dass Fertigungsumfänge an verschiedenen Standorten ausgeführt werden können. So wird zum Beispiel das Wägesystem in Göttingen gefertigt, die Endmontage jedoch erfolgt an dem Standort, an dem das Produkt verkauft wird. Im Rahmen der Gestaltung der Logistik soll die globale Verteilung der Orte, an denen gefertigt wird, optimal organisiert werden.
Die angestrebte Neustrukturierung einer Produktion in internationalen Unternehmensnetzwerken zielt vor allem auf folgende Vorteile ab:
- Die Untergliederung der Produkte in Rumpf- und Fertigbaugruppen sowie deren Produktion in Produktionsstufen ermöglicht eine hohe Variantenvielfalt.
- Die Aufstellung deutscher Hersteller in einem von ihnen gesteuerten globalen Produktionsverbund ermöglicht eine schnelle Reaktion auf Veränderungen lokaler Märkte sowie eine flexible Kombination von Ressourcen.
- und Imitationsschutz: Durch die konkurrenzfähige Gestaltung der Eigenproduktionsstufe verbleibt die Kernkompetenz in Deutschland.
Sartorius hat als global aufgestellter Waagenhersteller bereits heute das Ziel, mit einer Diversifikation von der hochauflösenden Analysewaage bis hin zur robusten Industriewaage ein breites Spektrum an Kunden in den verschiedensten Regionen der Welt zu bedienen. Wie in anderen Branchen auch ist die Anforderung an kundenspezifische Varianten hoch und steigt weiterhin stetig an. Neben den Varianten Leistungsfähigkeit, Auflösung, Optik und Applikationen gibt es zusätzlich in immer größerem Ausmaß die Variante „länderspezifisch“. Das ist in engem Zusammenhang mit den Märkten in den USA, China und Indien zu sehen, die durch grundlegend voneinander unterschiedliche Kundenanforderungen geprägt sind. Auf Basis dieser Herausforderung wird das Unternehmen im Verbundvorhaben seine Kernkompetenzen in Fertigung und Montage am Hauptsitz in Göttingen stärken und die Produktvarianten marktnah in globalen Produktionsendstufen bilden.
Um das Ziel zu erreichen, wird der Waagenhersteller in enger Zusammenarbeit mit den Projektpartnern an der Entwicklung aller fünf Bausteine des Projektes maßgeblich mitarbeiten und dadurch Antworten auf folgende Fragen finden: Wie kann die Produktstruktur bezüglich der inneren Differenzierung weiter optimiert werden? Welche weitere Standardisierung der variantenneutralen Wägeplattform ist noch möglich? Wie können die internen Schnittstellen und die globalen Schnittstellen bezüglich einer globalisierungsgerechten Produktstruktur verbessert werden? Was sieht ein optimales Logistikkonzept mit der Vereinbarkeit verschiedenster Anforderungen aus? Wie gestaltet sich ein globales Projektmanagement, bei dem Herz und Steuerung nach wie vor in Deutschland verbleiben sollen? Weitere Informationen gibt es auf der projekteigenen Homepage http://www.gvp-projekt.de. Volker Große-Heitmeyer (pb)