Roboterkabel von Lapp Muller

Ein starkes Glied in der Kette

Einen Blitzstart hat der neue Fiat 500X in Italien hingelegt. In seinem Heimatland begeisterte der neue Crossover schon am ersten Tag mehr als 70.000 Besucher bei den Händlern. Entstanden ist das neue Modell mit Hilfe von Open Robo Gate, einer Fertigungslösung aus dem Hause Comau: Jede Karosserie in weniger als einer Minute. Eine Herausforderung für die Roboterkabel von Lapp Muller.

Dieser Comau-Roboter fertigt bis zu sechs verschiedene Fahrzeugkategegorien im Mix.

Mehr als 1.000 neue Arbeitsplätze will Fiat in seinem italienischen Werk in Melfi in den nächsten drei Monaten schaffen. Erst im Jahr 2012 investierte der Automobilhersteller dort eine Milliarde Euro, um das Werk zu einer der weltweit modernsten und technologisch fortschrittlichsten Fertigungsanlagen umzubauen. In der Nähe von Neapel werden seither das Jeep-Einsteigermodell Renegade und der Fiat 500X produziert. Die geplanten Investitionen beinhalteten technologische Updates in allen Bereichen der Fertigungsanlagen, u.a. auch 500 neue Roboter. Mit von der Partie ist auch die modernste Fertigungslösung, die der Roboterhersteller Comau zu bieten hat: Mit dem Open Robo Gate können bis zu sechs verschiedene Fahrzeugkarosserien in einem willkürlichen Mix gefertigt werden.

"Robotik ist die Königsdisziplin für Kabel"
Die Roboter produzieren in höchstem Tempo: Jede Karosserie in weniger als einer Minute. Allein schon durch die sehr kurzen Taktzeiten, die hohe Beschleunigungen und harte Bremsungen notwendig machen, sind die mechanischen Belastungen und die allgemeinen Anforderungen an die Kabel sehr hoch. „Robotik ist die Königsdisziplin für Kabel, etwas Anspruchsvolleres gibt es nicht“, betont Emmanuel Palmas, Export Manager bei Lapp Muller. Seit 1998 arbeitet Comau mit dem südfranzösischen Kabelhersteller zusammen, und der Export Manager kennt das Projekt wie kein anderer. Als die Zusammenarbeit zwischen Comau und Lapp Muller begann, war er noch Student und hatte gerade erst angefangen, in der Entwicklungsabteilung des Kabelspezialisten zu arbeiten. Sein erster Job war die Betreuung des beginnenden Projekts in Turin. „Als die Zusammenarbeit startete, hatten wir keine Anforderungsbeschreibungen, das machte unsere Arbeit besonders schwierig“, so der Ingenieur.

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Bei den Fertigungsrobotern liegen alle Kabel im Inneren der Roboterarme. Das ist notwendig weil in der Fertigungsstraße bis zu 18 Roboter gleichzeitig auf engstem Raum arbeiten – wären die Kabel außen am Roboter verlegt, würden sie sich unweigerlich ins Gehege kommen. Ein sicherer und zuverlässiger Betrieb wäre nicht möglich. Für die Kabel bedeutet das aber, dass der Platz sehr begrenzt ist, und das macht besonders geringe Biegeradien notwendig: Höchstens das Achtfache des Kabelaußendurchmessers darf er betragen. „Je enger der Biegeradius, umso größer der Stress für das Kabel, und umso schwieriger ist es, die geforderten hohen Standzeiten zu realisieren“, erklärt Palmas. Für die EMV-Abschirmung werden wegen der starken mechanischen Belastungen durch das ständige Biegen mit engen Radien hochwertige verzinnte Kupferbänder eingesetzt. Diese Abschirmung hält bis zu 10 Millionen Bewegungszyklen, bevor sie verschleißt. Bei herkömmlichen Abschirmungen geschieht dies oft schon nach 100.000 Zyklen. Der Kabelmantel besteht je nach Anwendung aus äußerst strapazierfestem Polyurethan oder Polypropylen.

Roboterhersteller Comau ist Spezialist für das sogenannte Body Welding.

„Anfangs stand ich täglich in Kontakt mit dem technischen Manager für die Roboterverkabelung von Comau“, berichtet Palmas. „Bis wir die Prototypen gefertigt hatten, vergingen vier Monate. In der Zeit bekam das Projektteam zusätzlich wöchentlich Informationen von Comau und unseren eigenen Experten, um zu überprüfen, ob das Kabel alle technischen Anforderungen erfüllt. Anschließend haben wir bei Lapp Muller ein Team zusammengestellt, das diese Kabel produziert. Eine enge Zusammenarbeit und ständige Kommunikation sind im Automotivebereich sehr wichtig, weil hier nichts Standard ist.“

Fünf verschiedene Hybridkabel für bewegte Anwendungen
Zu Beginn der Kooperation lief eine neue Produktion an, und der Fahrzeughersteller änderte seine Parameter täglich. „Die Aufgabe“, so Palmas, „war neu für Comau und neu für uns, deshalb hatten wir zu dieser Zeit täglichen Kontakt.“ Nachdem technische Änderungen vorgenommen worden seien, habe man bei Lapp Muller in der Produktion daraufhin oft alles stoppen und von neuem anfangen müssen. „Vor 15 Jahren war das alles für uns neu; deshalb mussten wir sehr viele Kabelprototypen produzieren. Inzwischen statten wir alle Comau-Roboterarme mit insgesamt fünf verschiedenen Hybridkabeln für die bewegten Anwendungen aus“, sagt Palmas.

Mit dem Open Robo Gate von Comau fertigt Fiat in Italien den Crossover Fiat 500x. Im Roboter selbst sind Kabel aus dem Hause Lapp Muller verbaut. (Foto: Comau)

Die Kabel von Lapp Muller werden jeweils auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden abgestimmt. Comau nimmt regelmäßig Stichproben, verbaut die Kabel in ihre Roboter und testet sie täglich. Die Roboter werden so programmiert, dass sie die anspruchsvollsten Bewegungszyklen in höchstem Tempo absolvieren. Nach sechs oder acht Monaten dieser allerhöchsten Belastung kann Lapp Muller sagen, wie viele Millionen Zyklen der Roboter garantiert absolvieren kann, ohne dass ein Kabel bricht. In der Vergangenheit waren das fünf Jahre. Heute kann Comau die Roboter mit acht Jahren Garantie verkaufen, weil die Kabel, das „schwächste“ Glied in der Kette, inzwischen so stark geworden sind, dass sie mindestens acht Jahre lang halten. In der Praxis bedeutet das, dass die Roboter während ihrer Standzeit nicht gewechselt werden müssen. Das ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für Comau in Bereichen, in denen sich produzierende Betriebe keine langen Ausfallzeiten der Roboter leisten können.

Ein Beispiel dafür ist die Fertigung des Fiat 500 im Jahr 2007. Das Fahrzeug wurde damals weltweit in einem einzigen Werk im polnischen Tychy produziert. Es gab so viele Vorbestellungen, dass Fiat die Fahrzeuge so schnell wie möglich herstellen musste. Die Wartezeit für Käufer betrug mindestens 5 Monate. Deshalb konnte man sich nicht die geringste Verzögerung bei der Fertigung leisten. Im Februar 2008 erhöhte Fiat die Produktion sogar von ursprünglich 120.000 auf 190.000 Exemplare jährlich. Die Comau-Roboter bestanden auch diese Prüfung. Seit 1998 hat Lapp Muller mehr als 15.000 Comau-Roboter mit insgesamt mehr als 1.000 Kilometer der hochspezialisierten High-End-Kabel ausgestattet. Im Vergleich zu Standardkabeln ist das zwar sehr wenig, aber für individuell entwickelte Kabel im absoluten High-End-Bereich ist die Menge enorm.

Positiver Ausblick
Die Stuttgarter Lapp Gruppe zu der Lapp Muller gehört, hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2013/2014 (1. Oktober bis 30. September) ihre Marktposition weiter ausgebaut und Marktanteile hinzugewonnen. Dennoch ist es dem Unternehmen nicht gelungen, seine Ziele zu erreichen. „Wir sind zwar besser als der Benchmark, aber wir hätten noch deutlich mehr zulegen müssen. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel investiert, auf unser Ergebnis hat sich das aber nicht so ausgewirkt, wie wir erwartet und gehofft hatten“, erklärte Andreas Lapp, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lapp Holding AG. Der Umsatz sank im vergangenen Geschäftsjahr um 1,2 Prozent von 830 auf 820 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Steuern verbesserte sich von 35,5 auf 37,1 Mio. Euro. Die Zahl der Mitarbeiter stieg auf rund 3.200 Beschäftigte.
Ein Schwerpunkt im vergangenen Geschäftsjahr war der Ausbau des Portfolios für die Robotik, der Königsdisziplin für Kabeltechnologie.     ee

HMI Halle 11, Stand C03

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