Fertigungsautomatisierung
Führung mit Innenleben
Intelligente Lineartechnik. In Hannover zeigte Schaeffler Lineartechniksysteme – samt Überwachung des Schmierzustands sowie mit integrierten piezoresistiven Drucksensoren.
Profilschienenführungen sind in ihren technischen Merkmalen inzwischen so sehr ausgereift, dass große Entwicklungssprünge kaum mehr zu erwarten sind. Allerdings liegen noch beträchtliche Optimierungspotenziale in einem effizienten Betrieb und in intelligenten Zusatzfunktionen der Lineartechnik-Komponenten verborgen. Zwei innovative Lineartechnik-Produkte, die mit diesem Ansatz entwickelt wurden, präsentiert Schaeffler zur Hannover Messe Industrie 2016: die automatisierte und bedarfsgerechte Nachschmierung sowie eine hydrostatische Führung, die Daten zur aktiven Regelung von Achsen bereitstellt.
Vollautomatisches Schmiersystem
„In einer idealen Welt“ möchten Betreiber von Maschinen ihre qualifizierten Facharbeiter an der Optimierung des Maschinenprozesses beteiligen und nicht mehr mit einfachen, sich wiederholenden Wartungstätigkeiten beschäftigen. Abschmierarbeiten zählen beispielsweise zu diesen unbeliebten „Nebenzeiten“, in denen Fachkräfte deutlich besser eingesetzt werden könnten.
Firma zum Artikel
Themen im Artikel
Um das manuelle Abschmieren ganz abzuschaffen, Schmierstoff einzusparen und die Laufruhe von Profilschienenführungen auf konstant hohem Niveau zu halten, entwickelten die Lineartechnik-Spezialisten von Schaeffler ein vollautomatisiertes Schmiersystem für Rollenumlaufeinheiten der Serie RUE..-E. Es besteht aus einem Profilschienenlaufwagen mit piezoelektrischen Beschleunigungsaufnehmern, einer Auswerteelektronik und dem automatischen Schmierstoffgeber FAG Concept8. Dieses System nutzt den Effekt, dass mit kleiner werdender Schmierstoffmenge beziehungsweise bei Schmierstoffalterung die Dämpfungswirkung des Schmierstoffs im Laufwagen abnimmt und die Wälzkörper nunmehr Schwingungsenergie in den Tragkörper induzieren. Durch den Vergleich zwischen Neuzustand – also dem Sollzustand – und dem aktuellen Zustand generiert das Messsystem Schwellenwerte, die beim Überschreiten einen Nachschmierzyklus am automatischen Schmierstoffgeber Concept8 auslösen. Sinken nach dem Schmierzyklus die Kennwerte wieder auf das normale Niveau, ist die Wälzlagerung in Ordnung. Liegen die Kennwerte nach dem Schmierzyklus weiterhin zu hoch, ist dies ein Indiz für Verschleiß. Auf diese Weise ermöglicht das System zwei Funktionen: die Überwachung und Aufrechterhaltung des optimalen Schmierzustands und die Überwachung des Lagerzustandes.
Das einfach zu installierende System ermöglicht den Maschinenbetreibern die Einsparung der manuellen Schmierintervalle, eine Reduzierung des Schmierstoffbedarfs von rund 30 Prozent, eine bedarfsgerechte Schmierung, verbunden mit einer längeren Gebrauchsdauer der Linearführungen, eine vorausschauende Wartung durch die Detektion einer beginnenden Schädigung, die Eingrenzung von Ursachen bei der Suche nach Qualitätsproblemen und in Summe mehr Maschinenverfügbarkeit samt konstant hoher Fertigungsqualität.
Meilenstein: Führungssystem HLE-A-XL 4.0
Aufgrund der hohen Schnittgeschwindigkeiten und den beachtlichen Spindeldrehzahlen von Werkzeugmaschinen spielen heute die dynamische Steifigkeit und die Reduzierung von Schwingungen eine entscheidende Rolle. Nur bei einer schwingungsarm laufenden Maschine können die Performance der Antriebe, der Spindeln und der Schneidwerkstoffe in der Praxis in vollem Umfang genutzt werden. Als erste mögliche Maßnahme zur Schwingungsdämpfung bietet Schaeffler den bekannten Dämpfungsschlitten RUDS an. Darüber hinaus hatten die Lineartechnik-Spezialisten bereits 2007 die hydrostatische Linearführung – prinzipbedingt der Benchmark in Sachen Schwingungsdämpfung – so weiterentwickelt, dass sie im gleichen Bauraum einer Wälzkörper-Profilschienenführung die Funktionen „Führen“ und „Dämpfen“ ermöglicht. Sie kann also Wälzkörper-Profilschienenführungen ersetzen.
In die neue zweite Generation der hydrostatischen Führung mit beschichteten Drucktaschen fügten die Ingenieure neben der standardmäßig integrierten Druckregulierung zusätzlich piezoresistive Drucksensoren in den Drucktaschen des Laufwagens hinzu. Diese Sensoren erfassen die Druckveränderung in den Drucktaschen, welche durch unterschiedliche oder sich verändernde Bearbeitungskräfte entstehen. Mittels dieser Drucktaschendaten kann mit einem Berechnungsalgorithmus auf die dreidimensionalen Bearbeitungskräfte im Tool Center Point TCP (3D-Logging) zurückgerechnet werden. Auf diese Art und Weise ist die hydrostatische Führung HLE-A-XL 4.0 zusätzlich zu den Funktionen „Führen“ und „Dämpfen“ mit den berechneten Bearbeitungskräften auch zur aktiven Regelung des Bearbeitungsprozesses nutzbar. Bahnkorrekturen zur Kompensation von „Verlagerungen“ des Werkzeugs und der Spindel können nun genutzt werden, um beispielsweise die Zahl der Bearbeitungsgänge im Formenbau zu reduzieren und die Präzision zu erhöhen. Die Mehrkosten der 4.0-Ausführung durch die Sensorik sind vergleichsweise gering, der Nutzen für den Werkzeugmaschinenmarkt dagegen enorm: Erstmals steht ein System zur Verfügung, mit dem man die realen Bearbeitungskräfte ermitteln kann, ohne dass zusätzliche Steifigkeiten im Kraftfluss zwischen Werkzeug und Lagerung vorgesehen werden müssen. Mit den Funktionen der HLE-A-XL 4.0, etwa die hohe Dämpfungsrate, die dynamische Steifigkeit und die integrierte Kräftebestimmung am TCP für Bahnkorrekturen sowie neue Regelstrategien, ist die hydrostatische Linearführung nun auch hinsichtlich der Gesamtsystemkosten im Vergleich zu anderen Konzepten mit gleichem Funktionsumfang attraktiv. pb