Digital Connectivity
Kommunikations-Lösungen fürs IIoT
Was braucht es für die digitale Transformation? Neben einem tiefen Verständnis für Möglichkeiten und Grenzen von Technologien sowie frischen Ideen für die Weiterentwicklung des Geschäfts vor allem eines: Zugriff auf die Daten. Digital Connectivity ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Digitalisierungsstrategien.
Die Anwendungsbereiche für digitale Konzepte in Produktionsunternehmen sind zahllos – von der Umstellung manueller Prozesse auf IT-gestützte Verfahren bis zur Integration von Lieferanten und Kunden in Wertschöpfungs-Netzwerke. Während manche Ideen eher die bisherigen Vorgehensweisen eins zu eins digitalisieren, gibt es neue Ansätze, die bislang undenkbar waren. Ein Beispiel ist Predictive Quality, das heißt die Generierung einer Qualitätsprognose bereits während der Fertigung. Das Ziel ist es nicht nur, die Endkontrolle obsolet zu machen und so die Durchlaufzeiten zu reduzieren, sondern gleichzeitig auch die Erzeugnisqualität zu verbessern. Dies geschieht durch die Einbeziehung weiterer Parameter, die nicht zu den eigentlichen Messgrößen gehören, und durch die Ermittlung bislang unbekannter Korrelationen.
Eingangsgrößen für Predictive Quality sind zunächst die Mess- und Prüfschritte, die bereits innerhalb einer Produktionslinie durchgeführt werden. Hinzu kommen detaillierte Maschinendaten, zum Beispiel alle Daten zur Werkzeugnutzung bei CNC-Maschinen. Schließlich ergänzen produktionsferne Informationen wie Werkstückpläne oder Lieferanten-Daten den „Data Lake“, der mit Hilfe von Big-Data-Ansätzen oder künstlicher Intelligenz nach den relevanten Beziehungen durchforstet wird.
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Dieses Szenario ist nicht nur für Informatiker und Datenanalysten spannend, sondern stellt auch hohe Anforderungen an die Kommunikationsarchitektur. Fragestellungen sind zum Beispiel die Netzwerk-Topologie, Cybersecurity, die Ausgestaltung des Rückkanals von der Cloud in die Automatisierung oder Edge Computing, um die benötigten Antwortzeiten sicherzustellen.
Datengenerierung in der Zelle
Um derartige Konzepte zu realisieren, ist zunächst die Datengewinnung zu analysieren. Viele Maschinen bieten bereits eine Reihe von Sensoren, die zum Betrieb erforderlich sind, sich aber ebenso für die Datenanalyse nutzen lassen. Zusätzliche Informationen können zum Beispiel Vibrationssensoren oder aber die Lastauswertung der Stromversorgungen liefern.
Unverzichtbar ist die Identifikation der Werkstücke, denn der Qualitätsdatensatz muss ja jeweils einem speziellen Erzeugnis zuordbar sein. Bewährte Technologien sind Radio-Frequency Identification (RFID) oder optische 2D-Codes, die auf Metall- und Kunststoffteilen per Prägung, Nagelung, Druck oder Laser aufgebracht werden können.
Innerhalb einer Produktionszelle werden die meisten Sensoren schon für die Automatisierungsaufgabe an einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) wie der Simatic S7-1500 aufgelegt. Die SPS übersetzt dabei die verschiedenen I/O-Kommunikationstechnologien wie IO-Link oder selbst 24-V-Signale in ein digitales Prozessabbild, das die Grundlage für die weitere Verarbeitung bildet. Zudem fungiert die SPS als Datenkonzentrator, da bestimmte Aggregationen bereits im Automatisierungsprogramm durchgeführt werden können. Für die Kommunikation an die IT/Cloud-Ebene gibt es spezielle Ergänzungsmodule, wie zum Beispiel den Simatic CP1545-1, der die Daten aus dem S7-Prozessabbild über das weltweit verbreitete Cloud-Protokoll MQTT zyklisch überträgt. Bestehende Installationen lassen sich über Simatic CloudConnect 7 integrieren.
Ethernet-fähige Feldkomponenten wie die Simatic RFID-Lesegeräte (gegebenenfalls über ein Anschaltmodul), die optischen Lesegeräte Simatic MV oder auch die Sitop-Stromversorgungen lassen sich bedarfsweise direkt an das Kommunikationsnetz anbinden. Möglich wird dies durch die standardisierte Datenschnittstelle auf Basis von OPC Unified Architecture (UA). Auch die Simatic S7 unterstützt OPC UA. Der Vorteil dieser Architektur: Neben der reinen Datenübertragung ist dort auch ein semantisches Datenmodell hinterlegt. Damit bekommt der Datenanalyst im Data Lake der Cloud nicht nur einzelne Messwerte, sondern symbolische Bezeichner, Datentypen und eine Objekthierarchie. Noch weitergehend sind die Möglichkeiten, wenn branchenweite Daten-Standards (Companion Specifications) zum Einsatz kommen, welche die Datensemantik herstellerübergreifend garantieren.
Netzwerk-Topologie für das IIoT
Im Vergleich zur klassischen Automatisierungspyramide, aber auch im Unterschied zu Office-IT-Architekturen, muss die Netzwerk-Topologie in diesem entstehenden industriellen „Internet der Dinge“ spezifischen Anforderungen genügen. Während die Kommunikation in der Automatisierungspyramide meist nur zwischen zwei benachbarten Schichten stattfand (zum Beispiel Sensor zur SPS, SPS zur Bedien-ebene usw.), muss ein IIoT(Industrial IoT)-Netzwerk einen transparenten, durchgängigen Zugriff erlauben – ohne dass Änderungen an der Vernetzung oder der Automatisierung vonnöten wären. Wenn zum Beispiel ein bislang ungenutzter Sensor probehalber in die Datenanalyse einfließen soll, muss dies ohne Eingriff in der Zellenebene möglich sein.
Im Unterschied aber zur Office-IT gibt es stark unterschiedliche Anforderungen an die Verbindungsqualität (Quality of Service, QoS). So wird in der Automatisierung die funktionale Sicherheit („Notaus“) oftmals über Ethernet-basierte Feldbusse wie Profinet realisiert, die aber natürlich nicht durch andere Dienste beeinträchtigt werden dürfen – ebenso wenig wie die Übertragung eines Kamerabildes die Echtzeit-Kommunikation verlangsamen darf. Hinzu kommt, dass im IIoT neben der vertikalen Kommunikation (Feldebene-Cloud) auch häufig horizontale Kommunikation (Maschine-Maschine) benötigt wird. Idealerweise kann diese Kommunikation auch bei Ausfall überlagerter Netzwerk-Strukturen stattfinden, um bestehende Produktionsaufträge fertigzustellen oder komplexe Anlagen planmäßig in einen sicheren Zustand zu fahren.
Ein bewährtes Netzwerkdesign sieht deshalb die Strukturierung in Segmente und Ebenen vor. Einzelne Produktionsinseln werden zunächst in Zellen-Netzwerken organisiert, deren Zugangspunkt durch eine Firewall mit Industrial Security Appliances Scalance S abgesichert ist. Mehrere Zellen werden dann in Segmenten zusammengefasst. Auf oberster Ebene sind es dann leistungsstarke Scalance X-500 Switches, die ein redundantes Fabrik-Netzwerk bilden, meist auf Basis von optischen Übertragungsmedien.
Downlink-Kommunikation und Edge Computing
Damit die datenbasierten Anwendungsszenarien einen tatsächlichen Wert liefern, braucht es eine Kommunikation von den Algorithmen und Applikationen zurück in die Feldebene.Nur so können die Analyse-Ergebnisse auch in die Prozesse vor Ort einfließen. Bei Predictive Quality ist das zum Beispiel die Information, ob ein Werkstück mit ausreichender Wahrscheinlichkeit „in Ordnung“ ist, oder doch einzelne Aspekte einer Inspektion unterzogen werden müssen. Ein solches Konzept kann nur dann erfolgreich implementiert werden, wenn sich die Automatisierung „von oben“ beeinflussen lässt.
Selbstredend müssen dabei die Sicherheitsanforderungen berücksichtigt werden. Dies betrifft einerseits die Safety-Funktionen in den Maschinen, die sicherstellen müssen, dass die Grenzbereiche der Komponenten immer eingehalten werden, was unter Umständen eine höhere Genauigkeit bei Spezifikation und Test der Maschinen erfordert. Andererseits ist es wichtig, die Netzwerksicherheit und insbesondere die Verfügbarkeit sicherzustellen. Hier empfiehlt sich eine mehrstufige Sicherheitsarchitektur.
Eine interessante Möglichkeit ist hier in Zukunft auch Edge Computing. Dabei werden die Ausführungsinstanzen für Algorithmen „nach unten“ in die Fabrik verlagert. Zum einen erhöht das die Reaktionsgeschwindigkeit und ist deshalb für manche Applikationen unverzichtbar. Zum anderen verhilft Edge Computing der Produktion zu einer gewissen Autarkie: Die Cloud wird zwar noch zur Parameter-Findung und -Überwachung eingesetzt, aber die eigentliche Prozesssteuerung findet in den Edge-Komponenten statt.
Infrastruktur für das IIoT
Viele der genannten Technologien und Konzepte haben eines gemeinsam: Sie sind nicht nur für einzelne Anwendungsfälle erforderlich, sondern lassen sich für unterschiedliche Applikationen einsetzen. Digital Connectivity wird so zu einer Infrastruktur für die digitale Transformation. So reduzieren sich die Kosten für einzelne Konzepte, der Return-on-Invest (RoI) verkürzt sich. Denn auch bei Industrie 4.0 und Digitalisierung gilt noch immer: Entscheidend ist nicht das sichtbare Invest in Form von Maschinen, Robotern oder selbststeuernden Förderzeugen, sondern das, was am Ende herauskommt.
Markus Weinländer, Leiter Produktmanagement Simatic Net, Siemens / am