Servicerobotik
Roboter saniert Sydney Harbour Bridge
Wie Serviceroboter künftig die Instandhaltung von Stahlbauwerken revolutionieren, erklärten Robotikspezialisten auf den Expert Days on Servicerobotics 2014 beim Spanntechnik- und Greifsystemspezialisten Schunk unter anderem am Beispiel der Sydney Harbour Bridge.
Die Entwicklungsgeschwindigkeit in der Servicerobotik nimmt rasant zu. Was vor wenigen Jahren noch als wissenschaftliche Spielerei einiger robotikverliebter Forschungsinstitute galt, ist auf dem besten Weg, einen ganzen Industriezweig auf eine neue Entwicklungsstufe zu katapultieren. Dabei beschränkt sich das Spektrum realer Anwendungen keineswegs auf autonome Staubsauger oder Rasenmäher. Vielmehr bietet die Robotik das Potenzial, Menschen deutlich umfangreicher als bisher bei körperlich belastenden oder ermüdenden Aufgaben zu entlasten. Dass dies sogar in unstrukturierten Umgebungen gelingt, verdeutlicht der "Bridge Blasting Robot" von Sabre Autonomous Solutions, der zur Instandhaltung der Sydney Harbour Bridge eingesetzt wird.
Die Idee zur automatisierten Reinigung von Stahlbauwerken wurde vor rund sieben Jahren geboren, als die University of Technology Sydney (UTS) begann, einen autonomen Sandstrahlroboter zu entwickeln. Heute verantwortet Sabre Autonomous Solutions, ein Robotik-Startup der UTS, die Umsetzung bis zur Marktreife sowie die Vermarktung. Als Investor ist Burwell Technologies beteiligt, Australiens führender Anbieter von Sandstrahl-Equipment. Dieser vermarktet bereits die nächste Generation des Systems.
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Präziser und ausdauernder als der Mensch
Auf den Expert Days bei dem Spanntechnik- und Greifsystemspezialisten Schunk erläuterte Greg Peters, Engineering Design Manager bei Sabre die Roboter-Anwendung: Nach einer erfolgreich absolvierten Testphase gehört der Sandstrahlroboter mittlerweile zum Standard-Equipment der Instandhaltungsteams an der weltberühmten Sydney Harbour Bridge. Mit einer Spannweite von 503 Metern, einer Höhe des Bogenscheitels von 134 Metern und 52.800 t verbautem Stahl zählt diese zu den schwersten und weitesten Stahlbogenbrücken der Welt. Wie alle Stahlbrücken muss auch die Sydney Harbour Bridge kontinuierlich gewartet und vor Korrosion geschützt werden. Dabei gilt es unter anderem, eine Stahlfläche von 485.000 qm, also rund 68 Fußballfeldern, mittels Sandstrahl zu reinigen und neu zu streichen. Für einen einzigen neuen Anstrich sind rund 30.000 Liter Farbe erforderlich.
Rosie und Sandy, so der Name der beiden "Blasting Robots", fräsen souverän und ausdauernd Schmutz, Rost und alte Farbe von den Stahlträgern. Während die Teams aufgrund der extremen körperlichen Belastungen zum Teil alle 15 bis 30 Minuten eine Pause einlegen müssen, arbeiten sich die beiden kraftvollen Leichtgewichte ohne Unterbrechung Meter für Meter voran - deutlich ausdauernder, schneller und präziser als der Mensch es je könnte. Rund 50 Minuten benötigt der Roboter für ein Segment. Mithilfe eines Kinect Sensors und spezieller Algorithmen berechnet ein Mapping-System den exakten Bahnverlauf der Sandstrahlpistole und verhindert Kollisionen. Der Bediener wiederum überwacht den Sandstrahlprozess aus sicherer Entfernung.
Seitdem die beiden Serviceroboter im Einsatz sind, seien die Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Qualität der Sandstrahlarbeiten deutlich gestiegen, bestätigt Greg Peters, Engineering Design Manager bei Sabre Autonomous Solutions. ¿Selbst erfahrene Mitarbeiter sind aufgrund der Ermüdung beim Sandstrahlen nicht in der Lage, derart konstante Ergebnisse zu erzielen¿, so Peters. Dabei ist die Bedienung des Systems denkbar einfach: Der Leichtbauroboter wird manuell auf einem einfachen Schienensystem positioniert. Anschließend scannt er vollautomatisch die Stahlkonstruktion und erstellt daraus eine dreidimensionale Karte. Sobald der Operator den Sandstrahlprozess per Fernsteuerung aktiviert, beginnt die Bearbeitung.
Mobiler Leichtbauarm mit Nehmerqualitäten
Das Herzstück der beiden Sandstrahlroboter ist jeweils ein Lightweight Arm LWA 4 mit besonders hoher Traglast von Schunk. Unter einer Schutzhülle sicher verpackt können den Leichtbauarmen weder Rost, Staub noch Luftfeuchtigkeit, weder die Vibrationen noch die wechselnden Belastungen des Sandstrahlens etwas anhaben. Um den Standort zu wechseln, lässt sich der Roboter entweder vor Ort auf den Schienen verfahren oder in kompakte Einheiten zerlegt von Hand transportieren. Die Kombination aus Beweglichkeit, Robustheit, Kraft und Leichtbau machen den LWA zu einem vielseitig einsetzbaren Helfer in der Servicerobotik. Im Gegensatz zu klassischen Industrierobotern ist er gezielt darauf ausgelegt, wechselnde Tätigkeiten im unmittelbaren Umfeld des Menschen zu automatisieren. Dazu zählen Prüf- und Montageaufgaben ebenso wie der Einsatz in Assistenzsystemen, zu denen auch die Sandstrahlanwendung in Sydney zählt. Eine dauerhaft hohe Wiederholgenauigkeit von +/- 0,1 mm bietet optimale Voraussetzungen für präzise Operationen. Der Leichtbauroboter lässt sich portabel, also ortsveränderlich, oder sogar mobil einsetzen. Die maximale Zuladung beträgt 15 kg.
Während zum Sandstrahlen früher jeweils Teams mit bis zu drei Mitarbeitern sowie erhebliche Sicherheitsvorkehrungen erforderlich waren, steuert und überwacht auf der Sydney Harbour Bridge heute ein Bediener bis zu zwei Roboter. Gefährliche, körperlich belastende und zum Teil auch gesundheitsschädliche Routineaufgaben werden fast vollständig vom Roboter erledigt. Hat der Roboter ein Segment bearbeitet, übernimmt ein Mitarbeiter die Sandstrahlpistole und kümmert sich um die anspruchsvollen Feinarbeiten. Die Amortisationszeit des Robotersystems liegt bei rund zwei Jahren. hs