Handhabungstechnik
Schwerelos
Im Süden Bremens hat die Hydro Aluminium Extrusion Deutschland einen Standort. Es ist eines der beiden Schwesterwerke des norwegischen Mutterkonzerns Norsk Hydro ASA. Die beiden deutschen Strangpresswerke in Achim und Rackwitz bei Leipzig sind Teil des Bereichs Aluminiumprodukte innerhalb der Aluminiumsparte. Im dreischichtigen Betrieb fertigt das Unternehmen in Achim kundenspezifische Aluminium-Profile höchster Qualität. Die Presswerkzeuge, die maßgeblich die Qualität der Finalerzeugnisse beeinflussen, sind qualitätsgerecht zu lagern und zu pflegen. Für den schonenden und zugleich ergonomischen Umschlag der bis 250 Kilogramm schweren Presswerkzeuge zwischen Automatiklager und Werkzeugvorbereitung sorgt ein pneumatisch arbeitendes Handhabungsgerät von MT, einem Geschäftsbereich der in Bad Wurzach beheimateten Firma Lissmac Maschinenbau und Diamantwerkzeuge.
Zum Standort in Achim, erläutert Prozessingenieur Ralf Liedtke, gehören zwei Strangpressen, die Presskräfte von 1.800 beziehungsweise 2.200 Tonnen entfalten sowie ein Eloxalwerk zur Oberflächenveredlung. Außerdem ein Bereich, in dem Aluminiumprofile nach Kundenwunsch bis zur Einbaureife mechanisch bearbeitet werden. Diese technischen Voraussetzungen ermöglichen es, Kunden individuelle Leistungen mit hoher Qualität und bester Oberflächenvergütung anzubieten. Insbesondere in Küchen- und Büromöbeln sowie in Kraftfahrzeugen findet man jeweils nach Kundenwunsch eloxierte Aluminiumprofile. Profile für Medizintechnik, Elektroindustrie sowie Maschinen- und Schaltschrankbau werden in einem breiten Produktspektrum gefertigt.
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Gründliche Werkzeugpflege
Unterschiedliche Profilformen entstehen, indem exakt zugeschnittene Aluminiumbolzen in entsprechenden Strangpresswerkzeugen umgeformt werden. Die Wünsche und Vorstellungen der Kunden zum Querschnitt der Profile sind vielfältig. Zur Dienstleistung gehört deshalb eine technische Beratung – so kann das jeweils optimale Profil entwickelt werden, das die gewünschten Eigenschaften hat und sich wirtschaftlich fertigen lässt. Deshalb hat das Unternehmen in Achim eine Menge unterschiedlicher Strangpresswerkzeuge zu lagern, zu pflegen, aufzubereiten und zu korrigieren. Aktuell sind es 10.500 Werkzeuge, die schonend auf Tablaren im automatisch arbeitenden Lager abgelegt sind, informiert Ralf Liedtke. Jedes Werkzeug hat eine Werkzeugidentifikationsnummer, die im Produktions-Planungs-System (PPS) abgelegt ist. Durch den Werkzeugverwaltungsrechner ist eindeutig feststellbar, wo sich welches Werkzeug befindet. Das Werkzeugverwaltungssystem kennt die Standzeit eines jeden Werkzeugs. Das PPS-System steuert den Fertigungsprozess von der Auftragsannahme bis zum Versand der Fertigware.
Innerhalb dieses Prozesses sind die Werkzeuge pünktlich der Produktion bereitzustellen. Außerdem ist die kontinuierliche Pflege und Instandhaltung der Werkzeuge zu erledigen. Die Werkzeuge sind so einzulagern, dass sie stets einsatzbereit sind. Das Einlagern erfolgt unterschiedlich: Neue Werkzeuge werden kurz vor ihrem Ersteinsatz poliert. Nach der Abwicklung eines Auftrags wird zwar das Aluminiumprofil in der Strangpressanlage abgeschert, aber im Kern des Werkzeugs ist es noch vorhanden. Üblicherweise wird das Werkzeug mit dem Aluminiumkern im Automatiklager abgelegt und in diesem Zustand bei einem erneuten Einsatz wieder in die Strangpressanlage eingesetzt. Nach jeweils vorgegebenen Einsatzzeiten beziehungsweise beim Nachlassen der Qualität werden die Werkzeuge freigebeizt, bei Bedarf korrigiert und nitriert. Darüber hinaus gibt es Werkzeuge, die sich nur leer anpressen lassen. Aus diesen Werkzeugen ist ebenfalls das Aluminium zu entfernen. Sie sind dann so wie Neuwerkzeuge vor dem nächsten Einsatz zu polieren.
Die laufende Produktion löst also ein reges Werkzeughandling aus. Im Durchschnitt werden täglich 120 Werkzeuge aus- und wieder eingelagert. Hinzu kommen erforderliche Handhabungsprozesse zur Pflege und Instandhaltung der Werkzeuge, die 250 Kilogramm wiegen können. Beim Unternehmen in Achim entsprach der Kranumschlag den modernen Anforderungen an schnelle, sichere, Werkzeug schonende und ergonomische Handhabungsprozesse nicht mehr – ein neues Gerät musste herbei. Mit dem Posimat PB der Firma Lissmac 250 haben die Achimer das passende gefunden.
Schwere Werkzeuge federleicht
Das Handhabungsgerät bedient sowohl die Ein- und Ausgabestation des automatisch arbeitenden Werkzeuglagers als auch den Werkzeugpolierplatz. Der Flansch der Standsäule ist auf einer Grundplatte befestigt. Das Gerät ist so zwischen der Schnittstelle des Lagers und des Werkzeugpolierplatzes angeordnet, dass es den Arbeitsablauf nicht stört. Damit das Lastaufnahmemittel den gesamten Arbeitsbereich erreicht, wurde der Schwenkarm um 400 auf 3.200 Millimeter verlängert. Die außermittige Installation erfordert einen Kollisionsschutz zur Wand. Dazu wurden durch zwei Drehanschläge der Drehbereich der Hauptsäule (F1-Achse) leicht reduziert. Die Drehbereiche des Schwenkarms (F2-Achse) und der Drehbereich der Greifereinheit (F3-Achse) betragen jeweils 320 Grad.
Den Transport der Werkzeuge zwischen der Ein- und Ausgabestation des Werkzeuglagers beziehungsweise zwischen der Werkzeugvorbereitung und den Strangpressen übernimmt ein Elektro-Gabelhochhubwagen.
Der Posimat PB 250 übernimmt folgende Handhabungsaufgaben: Neue, angefertigte Werkzeuge werden vom Hochhubwagen genommen und auf ein Tablar gelegt, auf dem die Werkzeuge zusammen mit anderen Werkzeugen eingelagert werden. Nach dem Auslagern nimmt der Magnetgreifer des Handhabungsgeräts das Werkzeug auf und führt es praktisch schwerelos zum Werkzeugpolierplatz. Nach dem Polieren und der Montage wird es zur Strangpressanlage transportiert. Auf dem Rückweg bringt der Gabelhochhubwagen ausgebaute Werkzeuge zurück. Nun wird geprüft, ob es mit oder ohne Aluminiumfüllung eingelagert wird. In jedem Fall nimmt der Magnetgreifer das Werkzeug auf und legt es entweder auf ein Tablar, auf dem es eingelagert wird, oder führt es erneut zum Werkzeugpolierplatz zurück.
Sichere und schnelle Lastaufnahme
Die einfache und schnelle Aufnahme sowie präzise Ablage der Last mit dem Lasthebemagneten trägt zur rationellen Arbeitsweise bei. Der Magnet arbeitet sicher, so dass sich die Last schnell bewegen lässt. Er ermöglicht den Einsatz einer Schwenkeinrichtung: Sie schwenkt die aufgenommenen Werkzeuge um 90 Grad, so dass sie sich in unterschiedlichen Positionen ablegen lassen. Gemäß gültiger Sicherheitsvorschriften lässt sich die Last durch Umpolen des Magnets erst lösen, wenn die aufgenommene Last sicher abgelegt ist. Dieses Signal erhält die Steuerung von der automatischen Waage.
Zur sicheren Arbeitsweise und zur ergonomischen Gestaltung der Handhabungsprozesse haben die Gelenke zwischen Hauptsäule und Hubarm sowie zwischen Hubarm und Schwenkarm (Achsen F1 und F2) Nachlaufhemmungen in Form von Kniehebelbremsen. Sie unterstützen den Bediener, so dass er die Ablageposition gezielt und trotzdem zügig anfahren kann. Mit Hilfe der Bremsen lässt sich das Handhabungsgerät sicher in jeder beliebigen Stellung positionieren. Der Bediener kann es zum Feierabend in eine gefahrlose Position bringen und auch in Handhabungspausen sicher abstellen.
Da sich das Gewicht des Lastmagneten zum Gewicht der aufgenommenen Last addiert, erhielt der Posimat PB 250 ein Gegengewicht, das die Tragfähigkeit von 250 auf 375 Kilogramm erhöht.
Mit den unterschiedlichen Größen der Werkzeuge variiert das Gewicht des Handhabungsguts. Deshalb hat das Handhabungsgerät eine automatisch arbeitende, pneumatische Waage. Sie ermittelt in Bruchteilen einer Sekunde das Gewicht und signalisiert der Steuerung, welcher Gegendruck im Pneumatikzylinder aufzubauen ist. Auf diese Weise schwebt die aufgenommene und manuell geführte Last „schwerelos“ durch den Raum. Darüber hinaus bietet die integrierte Push-Funktion die Möglichkeit, die Hub- und Senkbewegungen zusätzlich zu unterstützen.
Anwendernutzen
Wenn Handhabungsgeräte Umschlags- und Positionieraufgaben von Lasten rationalisieren, bedeutet das aktive Gesundheitsprophylaxe. Die zahlt sich aus: Neben den humanen Aspekten gehört eine wirksame Gesundheitsprophylaxe zu den effizienten Strategien, ungeplante Kosten zu vermeiden. Zudem lässt sich beobachten, wie die Installation von Handhabungsgeräten einen Motivationsschub auslöst: Ohne dass sich der Mitarbeiter mehr anstrengen muss, steigt seine Leistung. Darüber hinaus liegt der Einsatz von Handhabungsgeräten ganz im Sinne der Qualitätsarbeit, denn mit Handhabungsgeräten wird das Handhabungsgut schonender umgeschlagen. Peter Springfeld (pb)