Großhubgreifer Co-act EGL-C
Hinauf zur nächsten Gewichtsklasse
Auf der Hannover Messe hat Schunk ein neues Kapitel der Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) aufgeschlagen: Der Großhubgreifer EGL-C wird der erste für kollaborative Anwendungen zertifizierte Großhubgreifer sein, der die Liga des Kleinteilehandlings verlässt und Werkstücke bis 2,25 Kilogramm sicher handhaben kann.
MRK-fähige Roboter benötigen eine für die Kollaboration verlässlich sicher ausgelegte Peripherie. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Genau hier setzt Schunk mit dem Co-act EGL-C Greifer an und präsentierte auf der Hannover Messe ein intelligentes Roboterwerkzeug für kollaborative Anwendungen. Es hält einerseits die biomechanischen Limits der ISO/TS 15066 ein und erschließt Anwendern andererseits eine bislang nicht zugängliche Gewichtsklasse. Eine Weltneuheit, sagt der Hersteller Schunk, denn erstmals wird es mit dem Greifer möglich sein, die Traglastpotenziale der gängigen Cobots voll auszuschöpfen und Nutzern mit dem Roboter eine wirkungsvolle ergonomische Entlastung an die Seite zu stellen.
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Intelligente Kraft- und Wegmessung
Der Schlüssel liegt in einer integrierten Kraft- und Wegmessung sowie einer eigens entwickelten und zum Patent angemeldeten Sicherheitsintelligenz, die unmittelbar in den Greifer integriert ist und den Greifprozess in einzelne Phasen unterteilt: Solange die Gefahr besteht, dass menschliche Hände oder Finger eingeklemmt werden, limitiert die integrierte Logik die Greifkraft auf harmlose 30 Newton. Erst ab einer Werkstückdistanz kleiner als vier Millimeter, wenn also kein Einklemmen mehr möglich ist, fahren die Greiffinger mit der frei definierbaren Greifkraft von maximal 450 Newton. Misst das System in dieser Schließphase eine Nachgiebigkeit, weil etwa ein zu kleines Werkstück gegriffen wird, das der Bediener gerade per Hand entfernen will, stoppt auch diese Bewegung automatisch.
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Gleiches gilt, wenn die erwarteten Werkstückmaße um zwei Millimeter überschritten werden, da beispielsweise kein Teil vorhanden ist. Die Distanz von zwei Millimetern entspricht dem Toleranzfeld der menschlichen Haut und des darunterliegenden Gewebes, die eine Verletzung verhindern. In der dritten Phase detektiert der Greifer schließlich, ob das Werkstück sicher gegriffen ist und aktiviert die integrierte Greifkrafterhaltung, indem die Bremse verspannt wird.
Damit schlägt Schunk zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Greifer erfüllt die Anforderungen an eine sichere Mensch-Roboter-Kollaboration und er gewährleistet, dass das gegriffene Teil, das immerhin bis zu 2,25 Kilogramm auf die Waage bringt, auch bei einer Not-Aus Situation und einer damit verbundenen Vollbremsung nicht verlorengeht. In Summe gewährleistet der Co-act EGL-C mit über sechs Sicherheitsfunktionen in einem Paket das sichere Greifen – so viel wie kein anderer Kataloggreifer am Markt. Diese sind: eine integrierte sichere Wegmessung, eine sichere Positionsermittlung der Greiffinger, eine sichere Abschaltung (STO, Safe Torque Off), eine sichere Bremskontrolle (SBC, Safe Brake Control), eine sichere Betriebssystemarchitektur (SOS, Safe Operation System) sowie eine sichere Bewegungs- und Geschwindigkeitskontrolle (SLS, Safety Limited Speed).
Zahlreiche Schnittstellen
Schunk-Entwicklungschef Markus Glück sieht gerade unter ergonomischen Gesichtspunkten großes Potenzial für Anwender: „Es gibt unzählige Montageanwendungen, bei denen Bauteile mit höherem Gewicht manuell zugeführt, gehalten und mit größtem motorischen Feingefühl montiert werden.“ Gerade in diesem höheren Lastbereich werde in den Montagelinien bislang wenig technische Unterstützung angeboten, obwohl die körperliche Belastung auf Dauer hoch sei. Wenn der Cobot die Last trägt, könnten sich die Werker weitaus besser auf die qualitätsentscheidenden Kernaufgaben konzentrieren.
Der Hersteller hat beim Systementwurf auch auf die Verbesserung der Einsatzflexibilität Wert gelegt. Bis Ende 2019 wird das kraftvolle End-of-Arm-Tool für den kollaborierenden Betrieb mit Schnittstellen unter anderem für die MRK-Roboter von Kuka, Yaskawa, Fanuc, Universal Robots und Nachi in Serie auf den Markt kommen. Die Kommunikation ist über Profinet, Ethercat, EtherNet/IP, Modbus/TCP oder TCP/IP möglich. Mit den industriellen Ethernet-Schnittstellen wird der Weg zu intelligenten, hochflexiblen Prozessen und dem wirkungsvollen Robotereinsatz in den smarten Fabriken von morgen geebnet.
Assistenzrobotik für die Produktion
„Wir erleben gegenwärtig, dass sich die Robotik an einem Wendepunkt befindet“, unterstreicht Glück. „Ein Zweig der klassischen Industrierobotik entwickelt sich weiter zur modernen Assistenzrobotik für den Produktionseinsatz. An vielen Stellen werden wir demnächst Roboter erleben, die den Menschen aktiv bei seinen Aufgaben unterstützen. Dabei geht es in erster Linie um mittlere Traglasten, wie sie vom Co-act EGL-C abgedeckt werden.“ Montageanwendungen bei den Automobilisten gehörten ebenso dazu wie die Bestückung von Arbeitsbehältnissen und Maschinen, um die Werker beispielsweise bei Mehrmaschinenbedienungen zu unterstützen. Dank der Betriebsspannung von 24 Volt sind Einsatzszenarien auf mobilen Roboterplattformen möglich. Im 24-Volt-Standard ergeben sich weitere Kombinationsmöglichkeiten, etwa bei der Endeffektor-Gestaltung und Werkzeugnutzung. Die Grundlagen dafür hatte Schunk bereits mit dem Technologieträger Co-act JL1 gelegt. Seither wurden Greifstrategien und Hardware immer weiter verfeinert. pb
DGUV-Zertifizierung im Fokus
Wie beim kollaborativen Kleinteilegreifer Co-act EGP-C legt Schunk auch beim Co-act EGL-C Wert auf die fortwährende Begleitung des Produktentstehungsprozesses und die MRK-Zertifizierung durch die DGUV. „Unser Ziel ist es, Roboterherstellern, Integratoren und Anlagenbauern ausgereifte und unabhängig geprüfte Komponenten zur Verfügung zu stellen, mit denen sie kollaborative Szenarien vergleichsweise schnell realisieren und zertifizieren lassen können“, hebt Markus Glück hervor. Das Co-act-Team unterstützt Anwender frühzeitig und umfassend bei Konzeption, Bewertung und Zertifizierung von MRK-Applikationen, ebenso bei der Auswahl der geeigneten Einsatzfelder. Die Spezialisten arbeiten eng mit den relevanten Roboterherstellern sowie mit der Berufsgenossenschaft zusammen und helfen bei der Entwicklung und Analyse von MRK-Szenarien sowie bei der Risikobeurteilung. Zudem sorgen sie für eine schnelle und zielgerichtete technische Umsetzung – unabhängig von den eingesetzten Robotern oder Handlingsystemen.