Konstruktion und Betrieb

Annina Schopen,

Machbarkeit zuverlässig validieren

Der Leichtbau ist einer der größten Transformationstreiber für die Automobilindustrie und zugleich massive Herausforderung. Er initiiert neuartige Produktideen und Fertigungstechnologien. Die Machbarkeit physischer Systeme wird dabei längst digital verifiziert – bei der Fischer Group beispielsweise mit der Software Autoform-Formingsolver samt Autoform-Thermo-Plug-in.

Die Fischer Group betreibt am Standort im badischen Achern-Fautenbach die weltweit erste Großserienlinie für Aluminium-Hotforming. © Fischer Group

Aluminium-Hotforming (HFQ) ist ein noch vergleichweise junges Verfahren, das dem Leichtbau neue Lösungen erschließt, indem es die komplexe Umformung von hochfestem Aluminium ermöglicht. Vor gut einem Jahr hat die Fischer Group in Achern-Fautenbach die weltweit erste Großserienlinie für Aluminium-Hotforming in Betrieb genommen und so das Produktportfolio der Gruppe noch einmal maßgeblich erweitert. Mit der Aluminium-Hotforming-Technologie erschließt Fischer jetzt nicht nur neue Geschäftsfelder zusätzlich zum Rohrgeschäft, sondern auch neue Anwendungsgebiete, zum Beispiel Strukturbauteile für den Fahrzeug- bis hin zum Flugzeugbau oder Schienenverkehr.

"Als vollautomatisierte Fertigungszelle für das Lösungsglühen und Umformen besteht die Aluminum-Hotforming-Linie aus einer hydraulischen Presse mit integrierter Energierückgewinnung, einem vollautomatisierten Ofensystem für das sogenannte Lösungsglühen und dem finalen künstlichen Altern sowie 3D-Laserschneidsystemen für den abschließenden Bauteilbeschnitt", erläutert Marc Schweizer vom Business Development. Ein integriertes Track-and-Trace-System garantiert außerdem über den kompletten Fertigungsprozess vom Rohmaterial bis zum Endprodukt die lückenlose Nachverfolgung jedes Bauteils – ein wichtiger Botschafter für die Qualitätssicherung. Angeliefert als Coil im F-Temper-Zustand durchläuft das Aluminium als Platine mehrere Prozessstufen, um schließlich den definierten Endzustand T6 zu erreichen. Dafür werden die Platinen in einem Lösungsglühofen bei 450 bis 550 Grad Celsius wärmebehandelt, um die Legierungsbestandteile in Lösung zu bringen. Im Anschluss transportiert ein Speed-Feeder-System die erhitzten Bleche in eine hydraulische Presse, wo sie umgeformt und über die Kühlung im Werkzeug abgeschreckt werden. "Das Einstellen der finalen Werkstoffeigenschaften folgt danach in mehreren Alterungsöfen bei bis zu 200 Grad Celsius, erklärt Schweizer. "Schließlich bringen zwei Laserschneidanlagen – und bald auch eine Schneidpresse, die kürzere Taktzeiten verspricht – die Teile auf Endkontur."

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Charakteristik des Entwicklungsablaufs

Erhält Fischer einen Auftrag zur Produktion neuer Bauteile, liefert der Kunde dafür zuerst die CAD-Daten einschließlich der gewünschten Eigenschaften wie Festigkeiten oder das Gewicht. Im nächsten Schritt bewertet Fischer die Machbarkeit der Konstruktion und empfiehlt ein Material. "Dazu erfolgt die Werkzeugauslegung mit Autoform-Die-Designer und die Validierung der Machbarkeit mit der Umformsimulation, die zudem Daten für die Crashberechnung und das Fügekonzept ermittelt", beschreibt Thorsten Junge, Business Development bei Fischer. "Weil ein Bauteil eigentlich nie direkt umformbar ist, wird meist in einigen Zyklen iteriert. Durch die Integration und Verknüpfung aller Autoform-Module in einer Anwendung geht dies sehr effizient." Steht die Bauteilgeometrie fest, werden die Werkzeugauslegung und das Fertigungskonzept mit der gleichen iterativen Arbeitsweise mit Autoform festgelegt. All dies mündet in die Aufstellung eines Business Case.

Mit Autoform-Thermo-Plug-in validieren

Entscheidender Baustein im Entwicklungsprozess von Fischer ist also der Autoform-Formingsolver samt Autoform-Thermo-Plug-in. Indem das Plug-in die thermischen Effekte berücksichtigt, erhöht es maßgeblich die Genauigkeit der Simulation. Fischer hat somit ein leistungsfähiges Tool zur Hand, die Fertigungsmethodik zu planen sowie die Machbarkeit von Bauteilen hinsichtlich Ausdünnung, Faltenbildung bis hin zu Zykluszeiten zu bewerten und final abzusichern. Knackpunkt dabei ist, den Gesamtprozess exakt zu modellieren. "Zu berücksichtigen sind nicht nur der Temperaturverlauf und die Wärmeübertragung an die Umgebung und das Werkzeug, einzubeziehen ist auch das temperatur- und dehnratenabhängige Materialverhalten sowie die Abhängigkeit des tribologischen Systems von Druck, Temperatur und Gleitgeschwindigkeit", stellt Junge fest.

Im Ofen werden die Materialzuschläge von 6XXXer- und 7XXXer-Aluminiumlegierungen bei 450 bis 550°C in Lösung gebracht. © Fischer Group

Autoform-Thermo Plug-in leistet genau dies, sodass die Planer den jeweiligen Prozess trotz der weitreichenden Abhängigkeiten komfortabel aufbauen, ändern und auswerten können. Unter Berücksichtigung von Temperatur und Wärmeübertragung werden die realen Prozessbedingungen wie Transferzeiten oder Pressenkinematik genutzt. "Weil das komplexe Werkstoffverhalten in Materialkarten abgebildet ist, muss nur die passende Karte ausgewählt werden", schildert Thomas Bauer, Sales Director bei Autoform. Dies trifft auch auf das Reibungsverhalten zu, mit dem Triboform-Plug-in ist nur die geeignete Reibungsbibliothek auszuwählen. "Im Zusammenspiel von Presse, Material und Wärmeübergang kommen wir schließlich zum stimmigen Ergebnis", bestätigt Junge. "Dies haben wir ausführlich validiert und dabei sehr, sehr gute Ergebnisse erzielt."

Ausgehend von solchen Machbarkeitsanalysen kann Fischer bisher nicht realisierbare Umformgeometrien produzieren. Die Basis ist, dass sich beim Aluminium-Hotforming hohe Zugfestigkeiten mit hoher Duktilität verbinden lassen. Als klassische aushärtbare Legierungen kommen dafür Aluminium-Magnesium-Silicium-Legierungen (6XXX) und Aluminium-Zink-Legierungen (7XXX) in Frage, mit denen sich die detailreichen Geometrien in einem Zug pressen lassen. "So können nicht nur viele Funktionen ins Bauteil transferiert werden, die komplexen Geometrien lassen sich auch kostengünstig in sehr hoher Qualität fertigen", betont Schweizer. "Durch das Eliminieren von Springback-Effekten ist es zudem möglich, besonders enge Toleranzen umzusetzen." Damit schafft Fischer neue Freiräume für die Konstruktion leichterer, hochfester Strukturen – etwa über reduzierte Wanddicken oder den Wegfall nicht mehr benötigter Verstärkungen. Gefertigt werden mittlerweile Sicherheitszellen, Innentüren, Längssäulen, Querträger oder komplette Rahmenstrukturen, womit das Aluminium-Hotforming für Leichtbau-Crashstrukturen und Anwendungen der E-Mobilität prädestiniert ist.

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