Pick&Place-Einheit für die Fertigung von Wellendichtringen verbessert den Produktionsfluss

Ein linearer Arm greift radikal durch

Hans-Peter Langen, Entwickler bei Freudenberg Sealing Technologies in Weinheim, zeigt gespannte Erwartung. Er hat seine Kollegen zur Kritik an der neuen Sondermaschine zur Endbearbeitung von Simmerringen auf Basis eines HP140 Handlinggeräts von Weiss aufgefordert. Seit drei Monaten arbeitet die Neukonstruktion, eine Pick & Place- Lösung mit der Linearachsenkombination aus Buchen, nun im Produktionsbetrieb ¿ jetzt wäre die Gelegenheit für Verbesserungsvorschläge. Mehr als ein paar Kleinigkeiten bemängeln die beteiligten Techniker aber nicht. Langens radikal neues Konzept ist aufgegangen.

Die Vorgeschichte zeigt ein Ungetüm

Der Arbeitsbereich des HP 140 wurde mit einem sogenannten walking beam erweitert. Die horizontale Linearachse des Handlinggeräts trägt einen Balken mit vier pneumatischen Greifern. (Fotos: Weiss)

Die alte Maschine, ein von Wartungstechnikern wie Werkerinnen gleichermaßen gefürchtetes Ungetüm, war an ihre Grenzen gestoßen. Nach vielen Umbauten und Erweiterungen gab es um den Rundtakttisch herum kaum noch Platz und die Pneumatiksteuerung machte Anpassung und Umrüstung zeitaufwändig. Die neue Maschine für die Produktionserweiterung der Fertigung von Radial-Wellendichtringen sollte daher nicht nur einfacher zu bedienen und zu warten sein, sondern auch kompakt und mit geringerem Energieverbrauch. Schon in der frühen Konzeptphase war klar, dass diese Vorgaben nur mit zwei fundamentalen Änderungen zu erreichen sind: Servo statt Pneumatik und linear statt rund. Ein sogenannter 'walking beam¿, ein horizontaler Arm mit vier Greifern, sollte die Simmerringe von einer Bearbeitungsstation zur nächsten weiterreichen. "Servomotoren waren früher verpönt, doch heute sind sie im Vergleich zur Pneumatik auf jeden Fall die energiesparendere Lösung", begründet Langen seine Entscheidung. "Eine lineare Anordnung verbessert die Zugänglichkeit, da jede Bearbeitungsstation von zwei Seiten und nicht, wie bei einer runden Konfiguration, nur von außen erreichbar ist."

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Der Lieferant bleibt die Konstante

Mit den vielen Variablen, die so eine grundlegende Neukonstruktion unweigerlich mit sich bringen würde, wollte Hans-Peter Langen sich zumindest auf eine Konstante verlassen können: Weiss. "Wir setzen seit 15 Jahren Weiss-Rundschalttische bei uns ein, weil wir mit deren Zuverlässigkeit sehr zufrieden sind. Da macht es keinen Sinn, gerade bei solch einem Projekt eine neue Baustelle mit einem anderen Zulieferer aufzumachen", erklärt er. Weil er die Odenwäldler aber eher mit Drehbewegungen in Verbindung brachte, dachte der Entwickler zuerst an eine SH75 Hub-Dreheinheit, die mit ihren unabhängigen Servoachsen zumindest einen Punkt in seinem Pflichtenheft erfüllen würde. "Die Drehbewegung mit einem Kurbel- oder Scherenmechanismus in eine Linearbewegung umzusetzen wäre jedoch sehr umständlich gewesen", gibt er zu. Bei einem Besuch in Buchen fiel Hans-Peter Langen dann jedoch das Handlinggerät HP 140 auf: "Genau danach hatte ich gesucht.¿

Kein Verstellen der Genauigkeit

Kein Wunder, verbindet die Pick & Place-Einheit doch eine horizontale und eine vertikale Linearachse zu einem kompakten Modul. Mit hoher Dynamik fährt das HP140 jeden Punkt entlang der beiden Achsen frei programmierbar und auf zwei Hundertstel Millimeter genau an. Immer und immer wieder. "Ein schleichendes Verstellen durch Einschleifen wie bei pneumatischen Antrieben entfällt¿, weiß Hans-Peter Langen. Die Arbeitswege von bis zu 100 mm vertikal und 268 mm horizontal und Beschleunigungen vom maximal 40 m/s² waren für sein Konzept mehr als ausreichend, den Rest würde der walking beam übernehmen. Nur das maximale Handhabungsgewicht musste auf 4,5 Kilogramm erhöht werden, ein Wert, den Weiss aber inzwischen als Standard übernommen hat. Jetzt konnte er sich an die Arbeit machen. Die schmale Bauweise des Handlinggeräts ließ ihm genügend Raum für seine Konstruktion: An der horizontalen Linearachse des HP befestigte er den walking beam mit vier pneumatischen Greifern ¿ jeder mit vier kleinen Wälzlagern als Kontaktpunkte, um die Simmerringe zu zentrieren. Der erste Greifer übernimmt die Dichtring-Rohlinge, die über einen Vibrationsförderer zugeführt werden, und wendet sie, so dass der Angusszapfen der Spritzgießmaschine nach unten zeigt. Nach Übergabe an die nächste Bearbeitungsstation wird dort die Dichtkante gestochen und damit das Mittelstück entfernt. Auf der dritten Station wird ein Federring aufgezogen und zum Schluss prüft ein Kamerasystem die fertige Dichtung auf grobe Fehler. Dabei hat Hans-Peter Langen die freie Programmierbarkeit des Pick & Place-Moduls zu nutzen gewusst: ¿Nach der optischen Prüfung konnten wir ohne großen Aufwand einen Zwischenschritt zur Sortierung einführen: Wird ein Simmerring als fehlerhaft erkannt, fährt das HP140 eine Zwischenposition ein, der Greifer öffnet sich und der Ring fällt durch eine Öffnung in den Ausschussbehälter.¿

Die Fehler leichter erkennen

Die Programmierung dieses Zwischenschritts war aufgrund der Application Software kein Problem. Mit einer durchgängigen Oberfläche für alle Produkte aus Buchen erlaubt die WAS das Einlernen von Fahrpositionen sowie die Programmierung von Fahrsequenzen. Der am Projekt beteiligte Mechatroniker hat die WAS als "selbsterklärend¿ zu schätzen gelernt und freute sich bei der Inbetriebnahme insbesondere über die Möglichkeit, die Bearbeitungspositionen erst einmal langsam anfahren und so Fehler leichter erkennen zu können. ¿Mit einer Pneumatik geht das nicht¿, ergänzt Hans-Peter Langen. Die Kommunikation zur Maschinensteuerung erfolgt über Profibus, nur eines von vielen Protokollen, das die WAS beherrscht. In den ersten drei Monaten ihres Betriebs hat die neue Sonder¬maschine zur Endbearbeitung von Simmerringen die beteiligten Ingenieure und Techniker ins Schwärmen gebracht. "Weitere Maschinen auf Basis des HP140 sind für unser Werk in Frankreich bereits in Planung¿, freut sich Hans-Peter Langen. Die Vorteile liegen auf der Hand: "Die lineare Anordnung und das schlanke Pick & Place-Modul machen die Anlage sehr übersichtlich und erlauben einen modularen Aufbau, so dass wir sie zum Beispiel in nur fünf Minuten auf einen anderen Dichtungsringdurchmesser umrüsten können. Prozesssicherheit und Energieeffizienz durch die Linearantriebe sind weitere Pluspunkte.¿ Ein neues Konzept zu wagen und dabei auf einen bewährten Partner zu vertrauen hat sich für Hans-Peter Langen gelohnt. bw

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