Kollaborative Robotik
Cobots – gekommen, um zu bleiben
Kollaborative Roboter, auch Cobots genannt, haben sich äußerst schnell und erfolgreich weiterentwickelt. Noch vor zehn Jahren als eine mit Skepsis beäugte, neue Technologie abgetan, stellen Cobots heute das am schnellsten wachsende Segment der industriellen Robotik dar. Der Beitrag begibt sich auf die Spur der kollaborativen Robotik und wirft einen Blick auf vielversprechende Branchenentwicklungen.
Die Robotik entwickelt sich in einem rasanten Tempo weiter. In den letzten zehn Jahren sind in diesem Bereich überwältigende Technologien entwickelt worden, besonders im Hinblick auf das Interagieren von industriellen Robotern und menschlichen Arbeitskräften.
Von intelligenten Hebesystemen, die dazu entwickelt wurden, Lasten auf sichere Art und Weise, dabei jedoch ohne eigene Bewegungsenergie zu heben, bis hin zu den ersten Cobots mit integrierten Sichtsystemen für das Ausweichen von Hindernissen, wie diejenigen, die auf der Automate 2019 in Chicago zu sehen waren, scheint die kollaborative Robotik immer neue Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sich Automation heute in die Smart Factory integrieren lässt.
Ein kurzer geschichtlicher Überblick
Die erste Definition des Cobots findet sich in einem US-Patent, das 1999 erteilt wurde: „Ein Apparat und ein Verfahren zur direkten physischen Interaktion zwischen einer Person und einem Allzweck-Manipulator, der von einem Computer gesteuert wird.“
Die Beschreibung bezieht sich auf etwas, das wir heute „Intelligent Assist Device“ (IAD) nennen würden, also dem Vorfahren moderner Cobots, der aus den Bemühungen von General Motors, Robotik in die Automobilbranche einzuführen, hervorgegangen ist. Das neue Gerät konnte sich in einer nicht eingezäunten Umgebung bewegen und Menschen bei der Montage unterstützen. Aus Sicherheitsgründen hatte es jedoch keine interne Bewegungsenergiequelle.
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2004 brachte Kuka, ein deutscher Robotikpionier, mit dem LBR3 seinen ersten Leichtgewichts-Cobot mit eigener Bewegungsenergie auf den Markt. Dies war das Ergebnis einer langen Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Seine Bewegungssteuerungsfähigkeiten wurden 2008 und 2013 mit jeweils einer neuen Version weiterentwickelt.
Im Jahr 2008 kam mit dem UR5 des dänischen Herstellers Universal Robots der erste Cobot auf den Markt, der ohne Sicherheitsrisiken an der Seite von menschlichen Bedienern betrieben werden konnte und somit Sicherheitskäfige oder Einzäunungen überflüssig machte. Der neue Roboter läutete offiziell die Ära der flexiblen, benutzerfreundlichen und kosteneffizienten kollaborativen Robotik ein. Diese ermöglichten selbst kleinen bis mittelgroßen Herstellern die Automatisierung ihrer Fertigungsanlagen, ohne dafür in kostspielige Technologie investieren oder ihre Werke komplett neu ausstatten zu müssen. Universal Robots ist auch heute noch der weltweite Marktführer auf diesem Gebiet, der mehr Roboter verkauft als alle seine Mitbewerber zusammen.
Wie allen revolutionären Technologien stand man in der Fertigungsindustrie anfangs auch Cobots mit Skepsis gegenüber. Wie der Technik-Journalist Travis Hessman 2012 berichtete, sahen die meisten Werksleiter in ihnen ein technisches Wunder, zweifelten jedoch an der Vorstellung, sie in ein Arbeitsumfeld zu integrieren. Heute verzeichnet der Markt für industrielle Cobots ein Jahreswachstum von 50 Prozent, und man geht davon aus, dass in dieser Branche bis 2020 ein weltweiter Umsatz von drei Milliarden Dollar erwirtschaftet wird.
Trends und Prognosen
Obwohl Cobots sich schnell weiterentwickeln, gibt es nach wie vor Hindernisse, die sie davon abhalten, in einem Großteil der Fertigungsanlagen zum Einsatz zu kommen. Die wichtigsten sind hierbei die Anforderung der Fingerfertigkeit – zum Beispiel dann, wenn kleine oder zerbrechliche Teile aufgehoben werden sollen – sowie die Fähigkeit, schnell Entscheidungen zu treffen, um Hindernissen aus dem Weg zu gehen, ohne dabei die Produktion lahmzulegen.
Um diesen Hindernissen entgegenzuwirken, entwickeln Branchenführer Cobots mit schnelleren Prozessoren und integriertem Sichtsystem. Auf diese Weise können raumbezogene Daten schnell genug verarbeitet werden, um eine Bewegungssteuerung zu ermöglichen, bei der herkömmliche, auf Standard-Hardware basierende Lösungen nicht mithalten können.
Diese Innovationen erlauben es Cobots, viel produktiver zu sein. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lösungen, die aus Sicherheitsgründen einfach stehen bleiben, sobald sie ein Hindernis wie beispielsweise den Arm eines Mitarbeiters erkennen, weichen innovative Cobots dem Hindernis aus und suchen nach der optimalen Strecke, ohne mit dem aufzuhören, was sie gerade tun.
Die Cobots, die auf der Automate 2019 von Realtime Robotics vorgestellt wurden, verfügen etwa über integrierte Sichtsysteme, die es ihnen ermöglicht, sich an Veränderungen ihrer Umgebung anzupassen. Hierzu gehören Hindernisse verschiedener Art sowie Positionsänderungen der Gegenstände, die sie aufheben sollen, und der Orte, an denen sie abgelegt werden sollen.
Diese neue Technologie beseitigt nicht nur das Erfordernis einer präzisen Positionierung, sondern ermöglicht es Herstellern endlich auch, Sicherheit mit einem Höchstmaß an Produktivität zu verbinden. Die neuen Cobots bleiben sogar nicht einfach nur stehen, sondern suchen aktiv nach einem freien, sicheren Weg, um ihre Aktion fortzusetzen. Diese erhöhte Hindernissensibilität ermöglicht es mehreren Cobots, gleichzeitig und unabhängig voneinander verschiedene Aufgaben auszuführen, ohne dabei zu kollidieren.
Die Cobots der neuen Generation vereinen das Erfordernis der Sicherheit mit der Möglichkeit, bei voller Geschwindigkeit betrieben zu werden. Da dieser Kompromiss nun endlich gefunden wurde, gibt es nichts, das die kollaborative Robotik jetzt noch aufhalten kann.
Sophie Hand, UK Country Manager bei EU Automation / ag