Interview mit Bettina Schall
„Wir müssen uns nicht schärfer abgrenzen“
Ein Wechsel auf einen Zwei-Jahres-Rhythmus für die Motek kommt für sie nicht in Frage. Bettina Schall, Geschäftsführerin des Messeveranstalters P.E. Schall, erklärt SCOPE-Chefredakteur Hajo Stotz, worin die Stärken der „Welt-Leitveranstaltung für Produktions- und Montageautomatisierung“ liegen.
SCOPE: Dieses Jahr finden mit der Motek im Herbst und der Automatica im Frühjahr wieder zwei Automatisierungsmessen statt. Inzwischen wünschen sich immer mehr Firmen den jährlichen Wechsel von Motek und Automatica. Denken Sie über eine entsprechende Konstellation nach oder ist das kein Thema?
Bettina Schall: Diese Frage stellt sich für uns gar nicht, weil wir jedes Jahr über 1.000 Aussteller, nämlich mehr als 900 zur Motek und mehr als 100 zur Bondexpo, begrüßen dürfen. Diese sehen ganz offensichtlich die Notwendigkeit zur jährlichen Teilnahme an der Welt-Leitveranstaltung für Produktions- und Montageautomatisierung sowie Klebe- und Verbindungstechnik. Im Übrigen spricht auch die hohe und weiter zunehmende Innovationsfähigkeit der Branchen- Vertreter deutlich dafür, den Kunden mit einem schnellen Time-to-Market die Vorteile neuer Technologien und Verbesserungen schnellstmöglich zugänglich zu machen.
SCOPE: Einige große Branchenplayer wie Schunk oder Festo haben sich von der Motek verabschiedet. Wenn Sie an dem jährlichen Rhythmus festhalten, müssen sich da die beiden Messen nicht schärfer voneinander absetzen? Wie kann das auf Seiten der Motek aussehen?
Schall: Wir sehen uns gar nicht oder weniger denn je als gleich gelagerte Fachveranstaltung und müssen uns deshalb auch nicht schärfer abgrenzen. Das besorgt der Markt – betreffend die Fachbesucher wie die Aussteller – schon von allein. Wir bringen mit unserer Informations-, Kommunikations- und Business-Plattform das Angebot und die Anwender zusammen. Zumal unser Konzept und unsere Nomenklatur strikt darauf ausgerichtet sind, den Anwendern, egal ob Maschinenbauer, Anlagen-Systemhaus oder Roboter-Systemintegrator bzw. Endkunden, von Komponenten über Teillösungen bis hin zu Komplettsystemen das aktuelle Weltangebot zu präsentieren.
SCOPE: Auch die Internationalität der Motek ist bei den Firmen immer wieder ein Thema – trotz des Flughafens direkt neben dem Messegelände lag der Auslandsanteil der Besucher seit Jahren bei rund 20 %. Was haben Sie unternommen, um den Anteil dieses Jahr zu steigern?
Schall: In der Tat ist die Internationalität ein Thema, an dem nicht nur wir permanent und mit viel Aufwand arbeiten. Tatsache ist aber auch, dass wir mit einem deutlich über 23 % liegenden Anteil an ausländischen Besuchern – diese kommen aus gut 100 Ländern – einen im Vergleich sehr hohen Anteil aufweisen können, der noch nicht einmal von der „Mutter aller internationalen Messen auf deutschem Boden“, nämlich der Hannover Messe, getoppt wird. Am Ende zählen nicht die nackten Zahlen bezüglich Besucheraufkommen und wie viele Besucher aus dem Land XYZ anreisten, sondern die aus den an der Motek und Bondexpo gewonnen Kontakten resultierenden Aufträge. Unser Credo lautet Qualität statt Quantität, und schließlich gilt es auch festzuhalten, dass die Anzahl an potenziellen Fachbesuchern endlich ist. Wir verstärken jährlich unsere Marketing-Aktivitäten in allen relevanten Regionen und sind zuversichtlich, das Gros der potenziellen Fachbesucher zu erreichen.
SCOPE: Dieses Jahr ist das Thema Robotik besonders im Fokus der Motek – was bietet die Messe hier?
Schall: Das Thema Robotik steht bei uns schon seit Jahren im Fokus und gewinnt über die mehr als 150 als Roboter-Hersteller, Roboter-Systemintegratoren, Erbauer von Sondermaschinen und Montageanlagen sowie Systemhäuser für Turn-Key-Komplettsysteme identifizierten Aussteller immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig werden die Roboter immer mehr zu austauschbaren Basis-Komponenten, wobei die Entwicklung in Richtung Cobots, also kollaborierende Robotersysteme geht. Ob wir den einen oder anderen zugegeben wichtigen Roboter-Hersteller als Aussteller dabei haben oder eben nicht, ist da fast schon unerheblich. Denn über die prozessorientierten Systemintegratoren sind sowieso so gut wie alle am Markt erhältlichen Robotersysteme vertreten.
SCOPE: Auf der Messe-Seite wird für die Motek dieses Jahr eine anwendergerechte „Application Road“-Struktur angekündigt. Was bedeutet das?
Schall: Die Application Road ist als „virtuelle Präsentations-Struktur“ zu verstehen, wobei die besagten mehr als 150 Hersteller von Sondermaschinen, Anlagen und Komplettsystemen sowie die System-Integratoren die Hauptrolle spielen. In zweiter Linie folgen dann die Schlüsselkomponenten wie Subsysteme, Standard-Montagezellen, Roboter und andockbare Zuführsysteme. Den dritten Bereich bildet die unerlässliche zugehörige Peripherie wie Greifer, Handlingmodule, Materialflusseinrichtungen und Prozessstationen und im vierten Bereich sind die Komponenten wie Antriebe, Steuerungen, Sensorik usw. zur Ausrüstung der zuvor genannten Module, Subsysteme und Komplettanlagen vorzufinden. Wenn man so will, wandert der nach Lösungen suchende Konstrukteur von außen, also dem vierten Bereich nach innen und der Anwender wandert von innen, also der Komplettlösung, nach außen. Unterstützt werden die Fachbesucher dabei von zwei Spezial-Messeführern für den Anlagenbau und die Fügetechnik, wobei diese in Print und Online zur Verfügung stehen.
SCOPE: Welche Rolle spielt das Thema Industrie 4.0 auf der Motek und wie spiegelt sich das wider?
Schall: Wir zeigen Industrie 4.0 in der Praxis und zwar sowohl was vernetzungsfähige Komponenten als auch vernetzte Komplettsysteme anbelangt. Es gibt an der Motek wie an der Bondexpo wohl kaum mehr Bauteile, Baugruppen, Subsysteme und Komplettlösungen, die nicht durch I-4.0-Fähigkeiten gekennzeichnet sind. Die Aussteller haben längst ihre Hausaufgaben gemacht und bieten die entsprechenden Steuerungen, Kommunikations-Tools und vor allem auch die Software für die I-4.0-Integration an.
SCOPE: Parallel zur Motek findet die Verbindungstechnikmesse Bondexpo statt – wurde sie auch weiterentwickelt?
Schall: Die Bondexpo wurde von Anfang an als komplementäre Fachveranstaltung zu den Themen Kleben, Dichten, Dämmen, Schäumen, Vergießen aufgebaut und erfuhr durch die weiteren Themen Fügen und Verbinden, womit sowohl thermische als auch mechanische Verfahren gemeint sind, eine signifikante Weiterentwicklung. Ohne Kleben, Fügen, Verbinden gibt es keine Montage und schon gar keine Montagelösungen im Leichtbau. In diese Thematik haben wir schon frühzeitig investiert und immer daran festgehalten, was sich nun als absolut richtig erweist.
SCOPE: Die unvermeidliche Messe-Frage: 2015 verzeichneten Motek und Bondexpo mehr als 38.000 Besucher – mit wie vielen rechnen Sie dieses Jahr?
Schall: 2015 war für die Aussteller nach eigener Aussage anlässlich der Aussteller-Befragung ein sehr gutes und damit für beide Fachmessen ein sehr erfolgreiches Jahr. 2016 stehen wir bekanntlich im Wettbewerb mit der bereits durchgeführten Münchner Veranstaltung und gehen zuversichtlich ins Rennen um die Gunst der Fachbesucher aus nah und fern. Mit der Fokussierung auf die Kernthemen und den thematisch passenden Ausbau der Motek wie der Bondexpo sehen wir uns gut gewappnet, diesmal die Zahl 40.000 erreichen zu können.