Handhabungstechnik

F&E im Mittelstand

Greifer aus dem Systembaukasten
Aus dem Greiferbaukasten der Attendorner Firma Bilsing lassen sich schnell verfügbare Greifer aufbauen, die etwa 95 Prozent aller Handhabungsaufgaben lösen können. Sie bewegen auch Handhabungsgut mit komplizierten Oberflächengeometrien schnell und legen es präzise ab. Das Geheimnis ihres Erfolgs besteht nicht zuletzt in einer gründlichen und praxisnahen Entwicklungsarbeit zur Erhöhung der Sauger-Haltekräfte.

Die mögliche Geschwindigkeit von Umschlag-, Schwenk-, Dreh- und Linearbewegungen wird in hohem Maße von der Bauweise und der Leistungsfähigkeit der Greifer bestimmt. Alfred Bilsing, Geschäftsführender Gesellschafter von Bilsing Automation setzte sich das Ziel, die Forschungs- und Entwicklungsarbeit seines Unternehmens kontinuierlich so zu leisten, dass kein Bilsing-Greifer die mögliche Geschwindigkeit der Saugerbalken in den Transfersaugerpressen (oder die potentielle Geschwindigkeit der Roboterarmbewegungen bei Roboter-verketteten Pressenstraßen) beschränken darf. Daher gehört zu den wichtigsten Entwicklungszielen, die Masse der Greifer im Optimierungsprozess zu reduzieren sowie die Haltekräfte von Vakuumsaugern und Spannern (als unmittelbare Schnittstellen zum Blech) zu erhöhen. So hat das Attendorner Unternehmen leichte Module für den Greiferbaukasten entwickelt. Dazu gehören unter anderem Tragrohre sowie Trag- und Schwenkarme. Gleiches gilt auch für die Klemmstücke, die die Rohre verbinden sowie für alle Funktionsbauteile wie Venturidüsen, Spanner und Zentrierdorne.

Anzeige

Alle Komponenten kommen aus einer Hand und sind so optimal aufeinander abgestimmt. Zum Bilsing-Greiferbaukasten gehören auch selbst entwickelte Vakuumsauger. Gegenwärtig ist es dem Unternehmen gelungen, die Haltekräfte dieser Vakuumsauger um etwa 200 Prozent zu erhöhen. Dazu bemerkt Geschäftsführer Bilsing: „Wir nehmen Wünsche und Anregungen unseren Kunden auf und setzen sie produktiv um. Der Mittelstand kann als Dienstleister und Zulieferer der Großindustrie nur bestehen, wenn er seine Produkte und Dienstleistungen einem stetigen Innovationsprozess unterwirft. In jüngster Zeit haben wir intensiv an der Verbesserung der Haltekräfte unserer Vakuumsauger gearbeitet und hervorragende Ergebnisse erzielt.“

Die Ergebnisse der jüngsten Qualitätsverbesserung der Bilsing-Vakuumsauger erläutert Projektingenieur Cosimo Cecere: „Die signifikante Verbesserung der Haltekräfte unserer Vakuumsauger wurde durch die gemeinsame Forschung mit einem namhaften Institut erreicht. Dadurch profitieren die Nutzer von Bilsing-Vakuumsaugern zusätzlich zu den Vorzügen der langen Lebensdauer (die sich in der Regel mindestens über einen gesamten PKW-Modellzyklus erstreckt) auch von der bedeutenden Steigerung der erzeugten Kräfte in vertikaler und horizontaler Richtung. Jeder neu gestaltete Vakuumsauger“, so Cecere weiter, „wird in der Dauertestmaschine einer Belastung bis 50.000 Einzelhubbewegungen ausgesetzt. Dabei tauschen wir das Versuchsblech zur Erzielung praxisnaher Bedingungen in bestimmten Zyklen aus.“

Tests zur Längs- und Querkraftermittlung

Zur Forschung und Entwicklung gehören stetige Überprüfungen der Entwicklungsergebnisse. „Wir haben eine Saugertesteinrichtung konstruiert, die im Wesentlichen aus einem Gestell aus Aluminiumprofilen besteht,“ erläutert Cosimo Cecere. „An der Oberseite ist eine schwenkbare Einrichtung zur Montage des Versuchsbleches installiert. Diese Vorrichtung lässt sich in einen beliebigen Winkel schwenken und dann fixieren. Angetrieben von einem Pneumatikzylinder, bewegt sich die Schwenkeinheit auf einem Schlitten, der das Blech vom Vakuumsauger wegzieht.“

Die Querkraftmessung beginnt mit dem Einölen des Versuchsblechs. Dann wird der Schlitten mit dem fixierten Versuchsblech unter den zu testenden Sauger gefahren und das Vakuum erzeugt. Bei dieser Anordnung wird das Vakuum direkt am Sauger durch die unmittelbar darüber montierte Venturidüse erzeugt. Sowohl im Testablauf als auch in der Praxis bedeutet dieser Verbund von Sauger und Venturidüse kurze Wege und schnelle Reaktionen. Alle Tests werden unter gleichen Bedingungen durchgeführt. Dazu wird einheitlich ein Vakuum von 0,6 beziehungsweise 0,8 Bar erzeugt. Wenn das Vakuum den Sauger mit dem Blech verbunden hat, zieht der Pneumatikzylinder das Blech zurück. Über ein elektronisches Kraft-Weg-Messsystem können der Weg des Pneumatikzylinders und die Kraft am Sauger beim Abriss (oder bei einer Verschiebung) aufgenommen werden. Über eine serielle Schnittstelle werden die Daten an einen Rechner übermittelt, der die Auswertung und die Visualisierung der Messdaten vornimmt.

Um die Kräfte zu messen, die notwendig sind, um einen Vakuumsauger in vertikaler Richtung abzureißen, werden die Haltevorrichtung und der Sauger in der Testeinrichtung um 90 Grad geschwenkt, so dass sie in einer Achse mit dem krafterzeugenden Pneumatikzylinder liegen. Nach den gleichen Versuchsvorbereitungen (Einölen, Sauger aufs Blech setzen, durch ein Vakuum verbinden) zieht der Pneumatikzylinder langsam die Zugstange ein – bis der Abriss erfolgt.

Praktische Bedeutung

Mit der genauen Kenntnis der Kräfte, die die jeweiligen Vakuumsauger entfalten, lässt sich exakt berechnen, wie man beispielsweise einen Saugerbalken auslegen und ausstatten muss, um bei einem Notstopp das Abreißen der Platine von den Vakuumsaugern zu verhindern. Man kann die Anzahl, Größe und Form der Vakuumsauger berechnen. Gleiches gilt für die Auslegung von Greifern, die an Roboterarmen montiert sind, und dort die unterschiedlichsten Dreh-, Schwenk- und Linearbewegungen ausführen.

Die Entfaltung höherer Haltekräfte ermöglicht es beispielsweise an Greifern, die ein PKW-Seitenteil verbiegungsfrei aufzunehmen haben, auch dort einen Vakuumsauger zu installieren wo praktisch nur noch Stege vorhanden sind. Man kommt auf diese Weise in vielen Fällen mit kleineren Vakuumsaugern aus, die aber die notwendige Haltekraft erzeugen können.

„Nicht zuletzt“, betont Michael Treude, der Verantwortliche für die internationalen Vertriebsaktivitäten im Unternehmen, „sind Vakuumsauger, die höhere Haltekräfte entfalten, für den internationalen Markt sehr wichtig. In vielen amerikanischen, chinesischen und indischen Automobilwerken wird mit einem deutlich geringeren Betriebsluftdruck gearbeitet, der zudem auch nicht immer stabil zur Verfügung steht. Hier können Vakuumsauger, die von vornherein höhere Haltekräfte erzeugen, manches ausgleichen. Peter Springfeld (gm)

Anzeige

Das könnte Sie auch interessieren

Anzeige

Pneumatik-Spanner

Heißes High-Speed-Handling

Weniger Karosserie-Gewicht und dennoch eine hohe Crashsicherheit – das wünschen sich Konstrukteure. Der Einsatz von warmumgeformten, hochfesten Stählen und Tailored-Blanks-Platinen im Fahrgestellbereich leistet hierzu einen Beitrag.

mehr...
Anzeige
Anzeige

Greiferbaukasten

Vorkonfigurierte Startersets

Mit dem PXT hat Schmalz im vergangenen Jahr eine neue Möglichkeit individueller Greifer auf den Markt gebracht. Für einen direkteren und schnellen Einstieg in die Welt des Greiferbaus sorgt der Vakuum-Experte nun mit zwei Starter-Sets.

mehr...
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

Handhabungstechnik

Die Brennstoffzelle im Griff

Die Brennstoffzelle ist eine ernstzunehmende Lösung für die emissionsfreie Mobilität. War sie lange von der Bildfläche verschwunden, etabliert sie sich mittlerweile als ein gangbarer Weg für Zero-Emission-Strategien.

mehr...

Produktionslogistik

Neue Verpackungslösungen

Auer Packaging hat mehrere Produktneuheiten und Erweiterungen vorgestellt. Die Produktpalette des Spezialanbieters für Lager- und Transportverpackungen reicht vom individuell definierbaren Sondermaßbehälter bis zur Bigbox.

mehr...