Forschung

Dr.-Ing. Sebastian Reitelshöfer, FAPS / red,

Industrielle Serviceroboter mit sozialer Ader

Seit etwa 20 Jahren wird die soziale Robotik inzwischen erforscht – wo steht die Forschung heute? Aktuelle Projekte betrachten auch die technischen Herausforderungen bei der Entwicklung sozialer Serviceroboter für den industriellen Einsatz.

Soziale Roboter zeichnet die Fähigkeit zur zielführenden ganzheitlich sozialen Kooperation mit Menschen aus. © FAPS

Das Thema soziale Robotik ist mittlerweile seit zwei Jahrzehnten Gegenstand von Forschungsarbeiten weltweit. Seit den grundlegenden Arbeiten von Pionierinnen wie Cynthia Breazeal in den 2000er Jahren oder Kate Darling ab den 2010er Jahren hat sich das Gebiet stetig weiterentwickelt. Zwischenzeitlich gab es sogar erste Produkte – wie Paro, die Roboterrobbe, oder Jibo –, die einen hohen Bekanntheitsgrad weit über die Robotik-Community hinaus erlangt haben. Der folgende Artikel beleuchtet einige der Herausforderungen und Potenziale aktueller Entwicklungen im Bereich sozialer Robotik, vor allem auch für den Einsatz in der Industrie. Weiterhin wird ein neues Forschungsprojekt zur Weiterentwicklung sozialer Robotik vorgestellt.

Eine konkrete und eindeutige Definition des Begriffs soziale Robotik ist schwierig – wie häufig in der Robotik. Daher existiert eine Vielzahl an Definitionen, beispielsweise nach Graaf et al., mit einer Identifikation von acht wesentlichen Faktoren für soziale Roboter im privaten Umfeld: wechselseitige Interaktion, Zeigen von Gedanken und Gefühlen, soziales Bewusstsein, soziale Unterstützung, Autonomie, Bequemlichkeit, Ähnlichkeit zu einem selbst und gegenseitige Achtung. Nach Sarrica et al. ist weiterhin vielen Versuchen einer Definition gemein, dass Roboter sozial sind, wenn sie autonom Umweltreize wahrnehmen, darauf reagieren, mit Menschen oder anderen Robotern interagieren und zudem allgemeine soziale Regeln verstehen und befolgen können. Neben den Versuchen einer Definition kann festgestellt werden, dass eine große Anzahl von Veröffentlichungen zum Thema soziale Robotik bislang primär Systeme im medizinisch-pflegerischen Kontext skizzieren.

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Eine Erweiterung der avisierten Einsatzszenarien sozialer Roboter auf den industriellen Bereich würde dabei durchaus Sinn ergeben. Längst teilen sich beispielsweise autonome Transportroboter in großer Anzahl in Fertigungsumgebungen Logistik- und Transportflächen mit sehr unterschiedlichen Personenkreisen. Wenn kurz nach dem Schichtwechsel vor einer temporären Instandhaltungsabsperrung eine große Anzahl gestauter Transportroboter kakofonisch um das Freimachen des Weges bittet, wünscht man sich schnell ein besser angepasstes Verhalten jenseits der manuellen Konfiguration von Flottenmanagern. Wären die Roboter in der Lage, die Handlungen von Personen besser zeitlich zu klassifizieren, und würden sie beachten, dass die 20. Wiederholung der gleichen Anfrage mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls unerwidert bleibt, ließen sich insgesamt Systeme mit besseren autonomen Anpassungsfähigkeiten umsetzen. Auch der Umstand, dass ein fortschrittlicher tierähnlicher Serviceroboter technisch gesehen komplexe Aufgaben vollständig autonom erledigen könnte, aber für reale Einsätze eine menschliche Begleitperson notwendig ist, um die unvorhersehbaren Reaktionen von anderen Personen abzufangen, zeigt Entwicklungsbedarfe für soziale Fähigkeiten auf. Nur ein sozialer Serviceroboter kann autonom situationsangepasst ängstliche Personen durch eine Erklärung der eigenen Funktionalität und Absicht beruhigen und gleichzeitig bei Personen, die unaufgefordert beginnen, das System spielerisch zu testen, ruhig, aber bestimmt um ein "in Ruhe arbeiten lassen" bitten.

Regulatorische Fragestellungen

Neben zahlreichen technischen Herausforderungen bei der Entwicklung sozialer Serviceroboter für den industriellen Einsatz ergeben sich auch regulatorische Fragestellungen, die unbedingt berücksichtigt werden müssen. Es ist beispielsweise zu klären, ob das im AI Act der EU absehbare Verbot der KI-gestützten Erfassung und Klassifizierung von Emotionen im Arbeitskontext auch auf die Realisierung von Funktionen zur Akzeptanzsteigerung von Servicerobotern zutrifft. Generell sind Systeme zu entwickeln, die Situationen mit einer lokalen Datenverarbeitung ohne Speicherung personenbezogener Daten analysieren können.

Die Herausforderungen bei der Entwicklung und Nutzbarmachung sozialer Roboter für unterschiedliche Anwendungen und explizit auch für industrielle Anwendungen adressiert ab Januar 2024 ein neuer Forschungsverbund der Bayerischen Forschungsstiftung mit dem Titel FORSocialRobots. In diesem Verbund werden viele der relevanten bayerischen Akteure aus Industrie, Anwendung und Forschung über drei Jahre gemeinsam an wichtigen Fragestellungen der sozialen Robotik forschen und Erkenntnisse in unterschiedlichste Anwendungen überführen. Am Lehrstuhl FAPS der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) wird neben der Koordination das Teilprojekt Architektur sozialer Fähigkeiten durchgeführt, um ROS basierte Softwarelösungen für erziehbare (Industrie-)Roboter zu entwickeln. Der Wissenschaftsbereich Verarbeitungstechnik des Fraunhofer-Instituts IGCV und der Bereich Smart Sensing and Electronics des Fraunhofer-Instituts IIS verantwortet das Teilprojekt sozial situative Kommunikation. Am Lehrstuhl HCAI der Universität Augsburg wird das Teilprojekt sozial adaptive und proaktive Interaktion durchgeführt. Am Lehrstuhl für PI, ebenfalls an der Universität Augsburg, ist das Teilprojekt Simulation und Validierung sozial kognitiver Roboter im Digitalen Zwilling angesiedelt. Ein weiteres Teilprojekt Mensch-Roboter-Interaktion im Arbeitskontext wird schließlich am Lehrstuhl PiA der FAU durchgeführt. Gemeinsam wird an der Gestaltung einer zielführenden und akzeptierten ganzheitlichen sozialen Kommunikation und Kooperation zwischen Roboter und Mensch gearbeitet, um die Akzeptanz von Robotern in den beispielhaft genannten Szenarien zu erhöhen.

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