Handhabung und Produktionslogistik
Flexible Arbeitsplätze mit klassischer Fördertechnik
Zur Verwirklichung des Industrie-4.0-Ansatzes hat SEW-Eurodrive effiziente und flexible Abläufe geschaffen. Für den US-Hauptstandort von SEW wurden fahrerlose Transportfahrzeuge mit integrierten Zahnriemenförderern von MK konstruiert. Sie dienen als mobile Werkbänke für die Montage individueller Getriebe.
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In der Massenproduktion ist die klassisch verkettete Fördertechnik der effizienteste Weg zur Automatisierung. In der kundenindividuellen Produktion dagegen wandeln sich die Anforderungen – Stichwort Losgröße eins. Hier ist die Flexibilität von fahrerlosen Transportsystemen (FTS) sinnvoll einsetzbar. Am amerikanischen Hauptstandort von SEW-Eurodrive in Lyman, South Carolina, ist eine flexible Produktionsstätte entstanden, die genau für diese individuelle Produktion optimiert ist: Klassische Fördertechnik wurde hier mit flexiblen Arbeitsplätzen kombiniert. Die autonomen Fahrzeuge fahren selbstständig durch die Halle, nehmen vormontierte Getriebe von einem Förderband auf und bringen sie zu den Werkern. Die Mitarbeiter können nun auf dem Fahrzeug selbst – ganz wie auf einer mobilen Werkbank – die weitere Montage durchführen. Anschließend fährt das Fahrzeug zur nächsten Station und übergibt das Getriebe wieder an ein Förderband. So lassen sich individuelle Getriebe montieren, und zugleich bleiben die Abläufe effizient und flexibel.
Unter dem Geschäftsfeld Maxolution System Solutions bietet SEW skalierbare und zukunftsfähige Systemlösungen im Bereich der mobilen und schienengeführten Fördertechnik an. Als Gesamtlösungslieferant für fahrerlose Transportsysteme liegt der Fokus nicht nur auf den Fahrzeugen selbst, sondern auch auf den dazugehörigen Dienstleistungen – von der Systemplanung bis zu Inbetriebnahme und Service. Fahrzeuge und Systembestandteile werden am Hauptsitz von SEW-Eurodrive in Bruchsal produziert. Parallel zu dem weltweit bekannten SEW-Baukastensystem für Getriebemotoren und Elektronikprodukte erfolgt auch das Engineering der autonomen Fahrzeuge auf Basis eines innovativen Technologie- und Softwarebaukastens. Dadurch ist es möglich, individuelle Fahrzeuge zu konfigurieren und zugleich die Komplexität gering zu halten. "Unser Portfolio reicht von niedrigen Fahrzeugen mit und ohne Hub, die vielfach einfach einen Stapler ersetzen, über Montageassistenzfahrzeuge bis hin zu Fahrzeugen mit kollaborierenden Robotern darauf", sagt Aaron Bronner, Ingenieur bei Maxolution und zuständig für die Konstruktion und Entwicklung der Fahrzeuge. "Häufig bauen wir kundenindividuelle Fahrzeuge, die für eine bestimmte Applikation konstruiert werden." So wie die Fahrzeuge für die Produktionsanlage in Lyman.
Zahnriemenförderer als LAM
Um die Getriebemotoren eigenständig von einem Förderband aufnehmen und später wieder abgeben zu können, benötigen die Fahrzeuge ein entsprechendes angetriebenes Lastaufnahmemittel (LAM). "Wir hatten zunächst an einen Kettenförderer gedacht, den wir in unser Fahrzeuge integrieren können", erzählt Aaron Bronner. Doch gemeinsam mit den Fördertechnik-Experten der MK Technology Group fand das Team eine bessere Lösung. "Wir haben uns anstatt für einen Kettenförderer für einen Zweistrang-Zahnriemenförderer entschieden", erzählt Ulrich Klein, Außendienstmitarbeiter bei MK, der das Projekt begleitete. Ein Zahnriemenförderer ist günstiger und wartungsärmer als der ursprünglich geplante Kettenförderer. Zudem hat der Zahnriemen eine höhere Mitnahme als die Kette. Das bedeutet für das Produkt auf dem Fahrzeug auch eine höhere Standsicherheit – selbst bei scharfen Kurven oder einem abrupten Stoppen, etwa bei einem Nothalt. Der Zahnriemenförderer ZRF-P 2010 von MK war für das Projekt die ideale Lösung: Er kann die Maximallast von 160 Kilogramm sicher tragen. Die verfügbaren Antriebsvarianten ermöglichen zudem einen in beide Richtungen reversierenden Betrieb.
"Die Maxolution-Fahrzeug-Flotte mit dem integrierten LAM von MK spielt eine wesentliche Rolle bei der Verwirklichung des Industrie-4.0-Ansatzes am Standort. Der hohe Automatisierungsgrad erleichtert das Arbeiten für unsere Mitarbeiter enorm", betont Rainer Neufeld, Corporate Electronics Manager und Projektleiter für die FTS-Flotte in den USA. "Die Fahrzeuge transportieren über eine Strecke von mehreren Kilometern am Tag unseren Getriebemotor-Baukasten zu verschiedenen Stationen. Dabei ist die präzise und zuverlässige Übergabe der Tablare mit Hilfe des MK-LAMs sehr wichtig."
Förderer ist modular aufgebaut
"Ein paar technische Herausforderungen gab es bei dem Projekt schon", erinnert sich Ulrich Klein. Durch die Integration in das Fahrzeug durfte der Motor keine Störkontur nach außen erzeugen. Zudem musste für die überstehende Ausgangswelle der Getriebe ein Freiraum zwischen den beiden Fördersträngen bestehen bleiben. Der Motor war also zwischen den Strängen unterhalb des Förderers zu platzieren. Hier konnten die MK-Konstrukteure einen modifizierten MK-Mittigantrieb verwenden. "Nach der ersten Anfrage hat es rund zwei Wochen gedauert, bis wir den Förderer komplett spezifiziert und die Einbausituation im Fahrzeug geklärt hatten", sagt Aaron Bronner. "Das ging richtig flott und hat wunderbar funktioniert. Da der MK-Förderer auch modular aufgebaut ist, ließ er sich gut für den geplanten Einsatz anpassen und in das Fahrzeug integrieren."
Weil MK standardmäßig auf SEW-Antriebstechnik setzt, war die Integration des Antriebs kein Problem. Die Steuerung haben die Maxolution-Experten programmiert und mit der Gesamtanlage abgestimmt. Mittlerweile sind 27 fahrerlose Transportfahrzeuge in der Montage in Lyman im Einsatz und bedienen die Werker an den Fertigungsstationen. Das neue Montagewerk am Standort Lyman ist nun das Flagship in den USA und wird als Benchmark für weitere SEW-Werke gesehen. Dieses Projekt zeigt, wie klassische Fördertechnik und moderne FTS zusammen eine effizientere Prozessautomatisierung und individuellere Produktion ermöglichen.