KI + Datenanalyse
Eine Erfolgsformel für effiziente Produktentwicklungsprojekte
Autor: Dr. Christian Schneider, München
Die Wissenschaft ist sich einig: In Produktentwicklungsprojekten gehören Projektmanagement und Product-Lifecycle-Management (PLM) zusammen. So weit die Theorie. In der Praxis ist es jedoch häufig so, dass die beiden Bereiche systemtechnisch isoliert voneinander ablaufen. Dabei sind Projektmanagement und PLM gleichermaßen wichtige Disziplinen im Verlauf eines Projekts: Einerseits ist eine ausgereifte Projektmanagementmethodik zur Planung und Steuerung des Entwicklungsprozesses von Bedeutung. Andererseits wird im PLM das Produktmodell strukturiert und konkretisiert – meist über eine Vielzahl verschiedener Einzelsysteme. Die Abgrenzung dieser zwei Welten innerhalb von Produktentwicklungsprojekten kann Qualität und Effizienz beeinträchtigen. Im Umkehrschluss können Unternehmen, denen es gelingt, ihr Projektmanagement und ihr PLM zu integrieren, mit einem signifikanten Effizienzschub rechnen.
Themen im Artikel
PM2PLM heißt die Devise. Mit diesem Ansatz lassen sich Prozess- und Produktsicht zusammenführen: Statusinformationen zu Änderungs- oder Freigabe-Workflows aus dem PLM liefern wichtige Informationen für die Projektsteuerung. Das Projektmanagement kann aus einer integrierten, übergreifenden Planung wichtige Vorgabestrecken für Konstruktions- oder Beschaffungsfreigaben definieren, und so eine strukturierte Produktabsicherung und rechtzeitige Verfügbarkeit der Absicherungsergebnisse für anschließende Entwicklungszyklen sicherstellen.
Zu den größten Herausforderungen bei der Integration von Projekt- und Produktdatenmanagement zählt nicht nur die Realisierung einer informationstechnischen Schnittstelle zwischen zwei Systemen, sondern insbesondere die Transformation der auszutauschenden Informationen aus einer schlanken Prozess- und Ziele-Sicht in eine vollständig detaillierte Produktsicht und umgekehrt. Dabei bildet der Transformationsprozess an sich schon eine große Herausforderung: Wird die Beschreibung im PLM (Engineering) detailliert wiedergegeben (Produktsicht), steht dem die übliche Abstraktion im Projektmanagement gegenüber (»10-prozentige« Prozesssicht).
Konfigurationsbasierte Projektplanung
Zwei verschiedene Anwendungs-Szenarien zeigen, wie die PM2PLM-Methode in der Praxis umgesetzt werden kann.
Beispiel 1: In der Vorbereitungs- und Planungsphase eines neuen Projekts verfahren viele Entwicklungsabteilungen so weit irgendmöglich nach der Gleichteilestrategie. Auf Basis vorangegangener Projekte wird eine neue Konzeptstückliste, bestehend aus Neu- und Gleichteilen, im PDM-System aufgebaut. Diese Stückliste bedingt die Konfiguration der prozessorientierten Projektpläne. Je nachdem, ob es sich bei den Stücklistenpositionen um Neu-, Änderungs- oder Gleichteile handelt, werden mehr oder weniger umfangreiche Prozessfraktale zu einem Gesamtprojektplan konfiguriert und terminlich ausgeplant. Dabei bedient sich der für die Prozesskonfiguration zuständige Mitarbeiter einer Prozessbibliothek, aus der sich die benötigten generischen Prozessfraktale samt ihrer Verknüpfungslogik im Kontext des Gesamtprojekts entnehmen lassen.
Die Vorteile dieses Szenarios liegen in der schnellen Erzeugung einer hoch qualitativen Initialplanung für unterschiedliche Projektsituationen. Das in der Prozessbibliothek gespeicherte Prozesswissen fließt direkt in die Planung des neuen Entwicklungsprojekts ein. Die Wiederverwendung praxisbewährter Prozessbausteine sorgt außerdem für eine hohe Akzeptanz der Projektpläne unter den Projektbeteiligten. Außerdem lassen sich auf diese Weise so genannte »Kopfmonopole« vermeiden.
Beispiel 2: Neben der Verfolgung von Projekt- und Prozesszielen wie Entwicklungszeit und Entwicklungskosten gehört vor allem die Verfolgung der Produktziele entlang der Prozesskette zu den Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Projektmanagement in der Produktentwicklung. Diese Produktziele werden in früher Projektphase durch das Anforderungsmanagement festgelegt und beschreiben Funktion, Eigenschaften, Qualität und Kosten des Produkts. Im Gegensatz zu den typischen Projektmanagementwerkzeugen, die sich auf Planung und Steuerung der klassischen Projektzielgrößen konzentrieren, wird der Zielerreichungsgrad von Produktzielen – die Produktreife – aus den diversen Produktmodellen des PLM ermittelt.
Die übergreifende Projektplanung wird in diesem Szenario im Projektmanagement-System prozesshaft aufgesetzt. Die eigentliche Projektabarbeitung und Detailsteuerung im Engineering erfolgen orientiert an der Produktstruktur in verschiedenen PLM-Systemen. Konkret geschieht dies meistens konsolidiert über eine zentrale Datenverwaltungsschicht (Produktdatenmanagement).
Kopplung der Projektsteuerung
Das Ziel: Die Kopplung der Projektsteuerung, die sich auf Makroebene im Projektmanagement-System befindet, mit der Detailsteuerung des PLM, um das Ganze in den operativen Engineering-Bereichen fortzusetzen. Dabei liefert das Projektmanagement Vorgaben für die Terminierung der Workflows für Objekte der Anforderungs-, Funktions- oder Produktstruktur. Mit den Daten aus dem PLM werden Status und Reifegrad der einzelnen Objekte im Prozess zurückgespiegelt und mit dem prozessualen Fortschrittsgrad zu einem Projektgesamtstatus aggregiert.
Bei der praktischen Umsetzung steht eine Schnittstelle zwischen beiden Systembereichen im Vordergrund: Darüber lassen sich die Produktreifeinformationen auf die für die Projektsteuerung wesentlichen, missionskritischen Kernaussagen aggregieren. Diese Daten werden in einem Managementcockpit gemeinsam mit den klassischen Statusinformationen des Projektmanagements dargestellt. Wichtig ist dabei, dass auch die für den Businesserfolg wichtigen Produkteigenschaften – beispielsweise als vordefinierte Produktreifestufen – als Ziel im Projektmanagement-System geführt und verfolgt werden. Das beschriebene Szenario hat den Vorteil, dass eine Sicht im Projektmanagement auf Prozess- und Produktziele erreicht wird, mit der eine gesamthafte, vollständige Zielverfolgung möglich ist. So lässt sich jederzeit dafür sorgen, dass die Produktqualität den geforderten Anforderungen entspricht. Entwicklungsingenieure – die wichtigste Quelle aller Statusinformationen – können gewohnt in ihrer Systemumwelt arbeiten, während Termin- und Statusinformationen auch auf Projektmanagementebene zu jedem Zeitpunkt eindeutig und konsistent sind. Dem Projektmanagement liegen jederzeit transparent aufbereitete und aktuelle Statusbewertungen vor – so können erfolgskritische Entwicklungen im Projekt früh erkannt und – wenn nötig – Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Fazit: Bei einer Integration von Projektmanagement in die PLM-Welt ist ein Gesamtlösungskonzept das A und O – erst so lässt sich eine Durchgängigkeit der Planungs- und Steuerungsprozesse in der Produktentwicklung erreichen. Weil in der Produktentwicklung Produktziele im Vordergrund stehen, kommt dem Produktreifegradmanagement in der gesamtheitlichen Projektsteuerung eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt auch und vor allem für die Steuerung unternehmensübergreifender Entwicklungsnetzwerke, denn dort ist das exakte Erreichen von Produkt- und Terminzielen bei einzelnen Vergabeumfängen für den reibungslosen Ablauf des Gesamtprojekts entscheidend. Nicht unwesentlich ist, dass Organisationen und Unternehmen, die ein PM2PLM-Konzept umsetzen möchten, über spezielles Wissen verfügen sollten: Einerseits über Prozesse in der Produktentstehung und andererseits über die Steuerung komplexer und verteilter Produktentwicklungsprojekte – insbesondere über Art und Granularität der Steuergrößen. -sg-
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