Handhabungstechnik
Wenn die Zuführung stockt
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Zuführsysteme gehören zur „Hauptschlagader“ einer automatisch produzierenden Einrichtung. Als Schreckgespenst gilt in Teilefertigung und Montage gleichermaßen der Übergang einer Zuführeinrichtung vom betriebsbereiten in den ausgefallenen Zustand. „Teilezuführung Nr. 6 gestört“, das könnte die vorletzte Meldung eines Überwachungssystems sein, bevor die automatisierte Montagemaschine endgültig zum Stillstand kommt. Nur wenig Zeit verbleibt jetzt dem Bediener, die Blockade im Werkstückfluss aufzulösen. Wenn es gelingt, ist das Malheur abgewendet. Lässt sich da nicht einiges verbessern, und welche unterstützenden Ansatzpunkte gibt es?
Viele Ursachen
Was sollte man zuerst in Augenschein nehmen, wenn es wiederholt in einer Teilezuführung klemmt? Eiliger Aktionismus ist jedenfalls fehl am Platze.
– Die Zuführkanäle sind nicht immer gegenüber kleinen Veränderungen wie Gratkanten, Abmessungs- und Formtoleranzen, leichte Verölung und Staubablagerung ausreichend immunisiert (unempfindlich gemacht).
– Das Timing von Funktionselementen stimmt nicht, und da können schon Zehntelsekunden ausschlaggebend sein, wie zum Beispiel bei Vereinzlern.
– In der geometrischen und maßlichen Abstimmung der Zuführkanäle sowie der aktiven Elemente hat der Konstrukteur noch nicht die optimalen Parameter bzw. Einstellungen gefunden.
– Die zuzuführenden Teile haben sich unbemerkt verändert (lange Lagerung, Luftfeuchte und Temperatur), zum Beispiel der Glanzgrad (Rauheit) von Kunststoffteilen oder elektrostatische Aufladungen.
– Allmähliche Alterungserscheinungen in der Hardware fordern ihren Tribut, beispielsweise ermüdete Blattfedern eines Vibrationswendelbunkers (Förderleistung sinkt) oder veränderter Reibbeiwert bei abgenutzten Gleitschienen.
– Bedienfehler durch ungenügend geschultes Personal. Ein ständig überfüllter Vibrationswendelbunker schadet dem Schwingsystem. Ungenügend gesäuberte Werkstückflusskanäle verlangsamen den selbsttätigen Werkstückdurchlauf.
Einige Beispiele sollen diesen Problemkreis etwas illustrieren.
Verklemmt und blockiert
Werkstücke können sich in einem Fallschacht verklemmen, wenn Kanalbreite, Werkstückbreite und seitliches Spiel nicht zueinander passen (Bild 1). Ausschlaggebend ist die Richtung der Geraden, die durch den Angriffspunkt der Kraft F und den Berührpunkt x zwischen Werkstück und Magazinwand verläuft. Führt die Gerade (der seitlich wirkende Anteil der Kraft F) durch den Reibungskegel, dann liegt Selbsthemmung vor, das Teil klemmt fest. Der Tangens des Reibungswinkels ist bekanntlich gleich dem Reibungskoeffizient.
Auch bei Trichtermagazinen kann es am Auslauf zu einem Stopp kommen, wenn sich ein selbsttragendes Gewölbe ausbildet (Bild 2). Das liegt am Kegelwinkel, der Kanalbreite am Auslauf, dem Reibbeiwert zwischen den Teilen und zur Bunkerwand sowie den Gewichtskräften der über dem Gewölbe liegenden Teile. Alles lässt sich konstruktiv beeinflussen, und man kann es auch nachlesen (Hesse, Grundlagen der Handhabungstechnik, Hanser Verlag 2006).
Mitunter hat man es mit Werkstücken zu tun, deren handhabetechnischen Unzulänglichkeiten von vornherein bekannt sind. Das sind am Teil verbleibende Abstechbutzen oder mit Grat behaftete Werkstückkanten. Man wird dann besagte Stellen nicht für eine Führung der Teile im Schachtmagazin nutzen. Das Bild 3 zeigt in der Draufsicht, wie die konstruktive Gestaltung des Magazins aussehen könnte.
Ärgerliche Aufsteiger
Eine typische Erscheinung, die an offenen Zuführrinnen auftreten kann, ist das Aufsteigen einzelner Teile aus einer Werkstückschlange, wie man es in Bild 4 sehen kann. Das Phänomen wird durch einen steilen Neigungswinkel begünstigt, in Kombination mit dem Staudruck der nachdrängenden Teile aus dem Vibrator. Der Impuls vom Vibrator auf die Teile ändert seine Richtung nicht, aber die Teile selbst befinden sich jetzt auf der „schiefen Bahn“ und werden im Bewegungsverhalten beeinflusst. Abhilfe: Weniger starke Rinnenneigung und richtige Anordnung des Füllstandssensors für die Abschaltung des Vibrators. Ein Umbau in eine gedeckte Zuführrinne bringt meistens nicht den erhofften Erfolg.
Vereinzeln und klemmen
Zuteiler, die am unteren Ende eines Magazins mit Schieber oder Rotor Teile übernehmen, sind von der Fallzeit der Teile abhängig (Bild 5a). Ist das freie Fallen zeitlich an einem Ende geringfügig verzögert, dann kann es Komplikationen geben. Beim Weitertakten des Rotors kann das Teil eingeklemmt werden. Abhilfe: Man lässt die Teile nicht frei fallen, sondern schiebt sie zwangsweise seitlich aus dem Rotor in das übernehmende Funktionselement (Bild 5b). Damit gibt es keine unkontrollierte Phase im Bewegungsablauf des Werkstückes mehr. Stefan Hesse